Paaradox? Haaradox!

Gabriele Kuhn und Michael Hufnagl
Sie nahm eine sonderbare Schere in die Hand, er prüfte seine Einstellung nicht sehr gewissenhaft, und am Ende wurde es ein fragwürdiges Kopf-an-Kopf-Rennen.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

SIE

Nein, wenn ich im Friseursalon sitze, vertiefe ich mich eher nicht in die Berichterstattung über das Leben und Lieben des Hochadels. Stattdessen verfolge ich sehr genau das Tun der Kopfkünstler, die meine Matte wieder in etwas verwandeln, das im Duden unter F wie Frisur zu finden ist. Interessant jedenfalls, dass es unterschiedliche Methoden gibt, den Urwald zu lichten. Die einen drehen Strähnen und schnipseln an ihnen herum, die anderen fassonieren das Haaradoxon (je älter ich werde desto hartnäckiger verwandelt sich mein Kopfschmuck zur Rosshaarmatratze) mit einem Messer. Und dann gibt es jene, die zur Effilierschere greifen und mit flinker Hand Unkraut von meinem Kopf zupfen. 

Und die Schere, die hat Zähne

Sieht simpel aus, dachte ich  – und fischte mir – mangels Kopfkünstler – so ein Ding aus dem Friseurbedarfs-Onlineshop. Zur Aufklärung: So eine Schere hat auf beiden Seiten Zähne, was bewirkt, dass ein Großteil der Haarsträhnen nicht abgeschnitten wird. Es bleiben ungefähr zwei Drittel der Haare stehen. Super, da kann nicht viel passieren – dachte ich weiters. Interessant war die Reaktion des Mannes nebenan, der annahm, das neue Accessoire sei für die Produktion von Suppennudeln gedacht. Was er sehr aufregend fand, er liebt Nudelsuppe über alles. „Du denkst immer nur ans Essen“, kritisierte ich, und klärte ihn über die wahre Bestimmung der Schere auf. Die seltsame Leere in seinem Gesicht verriet Unverständnis – und schon schüttelte er seinen Kopf, an dem übrigens noch die Spuren seines Glatzenherstellungsmassakers zu erkennen waren. „Tu’s nicht!“, rief er – und manifestierte damit den Lockruf meines Verlangens umso heftiger.  Also ging ich ins Bad und fing an, beherzt zu effilieren. Sekunden später war ich auch schon wieder draußen, um die häufigsten „Fehler beim Haareausdünnen“ zu googeln und mehr über dieses markante Eck’ im Stirnhaarbereich zu erfahren.   

gabriele.kuhn / facebook.com/GabrieleKuhn60

ER

Die Frage an meine Frau war ganz simpel: „Bitte, um Himmels Willen, was machst du da?“ Und ihre Antwort hätte  ganz prägnant ausfallen können: „Ich effiliere.“ Weil sie aber genau weiß, dass ich mit so einem Tätigkeitsbegriff mit hoher Wahrscheinlichkeit nichts anfangen kann, holte sie zu einer langatmigen Erklärung über das offenbar überlebensnotwendige Ausdünnen von Haaren aus. So genau wollte ich es allerdings wirklich nicht wissen, zumal mir die zackige Schere in ihrer Hand und das verkniffene Selbsteffilierungsgesicht Angst machten. Also sagte ich erstens: „Ich fürchte, das wird nix. Sollte das nicht eher ein Frisuren-Profi machen?“ Und zweitens (weil der kuhn’sche Blick noch nicht jenes Verachtungsstadium erreicht hatte, das mich zum Selbstschutz schweigen lässt): „Ist doch völlig wurscht, wie deine Kopfmatte ausschaut ... es sieht dich ja eh niemand außer mir.“ Oha, das war dann definitiv ein flapsiger Befund zu viel für ihr Gemüt, und sie warf sich ruckartig in Vortragspose. Die im Angesicht ihrer Zornfalte in mir nur einen Gedanken formte: Kann man sich eigentlich auch die Zunge effilieren? Den äußerte ich aber nicht.

Warnhinweise  

Lieber begann ich, die Betriebsanleitung der neuen Haarschneidemaschine zu lesen. Wobei lesen ab Seite 2 stets zu einem überfliegen wird, weil ich immer das Gefühl habe, dass sich die 378 Warnhinweise in 19 Sprachen an Menschen richten, die nicht einmal unfallfrei eine Zahnpastatube öffnen können. Leider stand in dem Text nix darüber, dass es sich bei der Einstellung 0,8 nicht um Zentimeter handelt. Sondern um Millimeter. Weshalb ich bereits mit dem ersten Rasur-Move einen Kahlschlag inszenierte, als müsste ich bei den Navy Seals anheuern. Ich rief „Scheiße“, und gnä Kuhn nahm sofort Triumphhaltung an. Seitdem ist es bei uns daheim deutlich stiller. Weil viel in unseren Köpfen vor sich geht. Darüber, was auf unseren Köpfen vor sich ging.

michael.hufnagl / facebook.com/michael.hufnagl9

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