Zigarren: Darf es Luxus noch geben?
Auf die Frage, was Luxus ist, gibt es nur eine Antwort: Er ist subjektiv. Je nachdem, was gerade nicht verfügbar ist, empfindet jeder etwas Anderes als luxuriös: die meisten Geld, manche Zeit, andere den Biss in Schokolade und Schweinsbraten. In dieser Reihe von Variablen gibt es aber zwei Konstante: Luxusgüter werden stärker gefragt als früher. Und die Kritik an jenen, die Luxus genießen, steigt zwischen Sozialschere, Körperbewusstsein und Armutsgefahr stetig an.
Hans-Kristian Hoejsgaard arbeitet seit 1980 für Luxus-Hersteller. Heute ist er Chef der Oettinger Davidoff Gruppe, Hauptgeschäft Zigarren. Die haben schon immer das Image von Reichtum, Oberschicht und Gesundheitsgefahr. Der KURIER wollte von Hoejsgaard wissen, wie lange sich ein Leben im Luxus noch ausgehen wird?
KURIER:
Zigarren stehen für viel Böses. Genieren Sie sich für ihren Job?
Hans-Kristian Hoejsgaard: Ich empfinde ihn als Privileg. Die Zigarre ist ein Naturprodukt, das man immer und das fast jeder genießen kann. Der Luxus kommt meist als erster aus der Krise, weil die Menschen irgendwann nicht mehr nur das halbleere Glas sehen wollen. Mein Job ist im Happylife. Zigarren sind der kleine Luxus.
Das klingt positiv, dabei ist die Welt voller Demonstrationen gegen Rauchen, Kapitalismus und die Sozialschere. Ist es nicht unangenehm, Zielscheibe für quasi alle Kritik unserer Zeit zu sein?
Wollen wir jeden Genuss verbieten? Ich glaube, es kommt eine Gegenbewegung, die das Leben wieder genießen will.
Ist Genuss gleich Luxus?
Luxus ist sehr individuell. Was ist Luxus, was ist Genuss? Darüber muss man diskutieren.
Tun wir das: Sie sind Chef einer Luxusmarke, spielen Golf und Tennis, fahren sicher kein kleines Auto. Luxus ist bei aller Individualität doch sehr stereotyp.
Es gibt viele Reiche, die nicht Golf spielen und sehr bodenständig sind. Es gibt viele Nuancen zwischen dem Stereotyp.
Kennen Sie Reiche, die Fußball spielen und Bier aus der Flasche trinken?
Ja, absolut.
Leben die unluxuriös? Was ist Luxus?
Drei Dinge gelten für alle Luxusprodukte: Authentizität, Qualität und Rarität – ob es eine Zigarre ist, eine Uhr oder Champagner. Vor 2008 gab es neue Marken, in der Fashion etwa, die auch als Luxusmarken eingeführt wurden. Aber die
Krise hat die Tradition einer Marke wieder wichtig gemacht. Authentizität meint, es muss eine Tradition geben und die Kontrolle jedes Schrittes.
Rarität würde bedeuten, dass alles immer Verfügbare nicht luxuriös ist.
Dass man es nicht an jeder Ecke bekommt. Außerdem gibt es im Luxussegment eine Tradition der Limited Editions. Es wird nicht eine Million der gleichen Zigarren oder Modestücke produziert. Man muss auf die rare Verfügbarkeit achten.
Braucht der Luxus-Mensch einen immer stärkeren Kick?
Wir müssen Luxusmarken ständig neu erfinden. Luxus muss man immer wieder verteidigen.
Dieses Streben nach noch mehr wirft kein sympathisches Licht auf die Luxus-Gesellschaft. Brauchen Sie selbst diesen Kick auch?
Für mich ist echter Luxus die Zeit mit Familie und Freunden. Zeit, eine Zigarre zu genießen. Nach zehn Jahren in Uhren und Schmuck mag ich die Zigarre als Produkt, weil es leistbarer Luxus ist. Für zehn oder zwanzig Euro kann man keinen Luxus wie
Louis Vuitton oder eine Uhr haben. Zigarren sind die Demokratisierung des Luxus. Wenn ich in einer unserer Lounges sitze, in New York etwa, begeistert mich die Demografie der Gäste. Da ist der Taxidriver, der vielleicht nur einmal in der Woche kommt, neben dem Banker. Das findet man nicht in Louis Vuitton.
Dafür bleibt bei Uhren oder Mode ein Wert bestehen. Zigarren sind Luxus, den man in die Luft bläst. Ist ein Verbrauchs-Produkt die dekadenteste Form von Luxus?
Ich finde Wein, gutes Essen, Zigarren so schön, weil es um den Moment geht. Man hat es wirklich für sich selber, für seine Freunde.
Die Mehrheit redet aber vom materiellen Luxus.
Luxus nimmt stark zu. Es gibt wirklich überall Wachstum – außerhalb von Spanien. Sogar in Griechenland. Und das Wachstum in China und
Amerika wird 2012 vergleichbar. Amerika kommt zurück, das ist erstaunlich. Die Prognose bei Luxuszigarren ist, dass es weltweit in den kommenden fünf Jahren rund vier Prozent Wachstum pro Jahr gibt. In Europa einen kleinen Rückgang, ein moderates Wachstum in Amerika und ein großes Wachstum in China.
Haben Sie jetzt nicht die Russen vergessen?
Russland ist für Luxuszigarren kein Fokus. Die Russen kaufen viel, wenn sie reisen. In unseren Duty Free-Aktivitäten sehen wir viele Russen, aber nicht am Heimmarkt.
Sie kennen sie Luxus-Welt. Welches Volk kann damit am besten umgehen?
Luxus ist eine Schulung. Für neuen Märkte wie
China ist das: ‚Luxus equals price". Was teuer ist, ist gut. Das ist ein bisschen barbarisch. Aber das war auch eine Entwicklung in Amerika und Europa. Wir sehen, dass die Asiaten, die nun reisen, auch mehr ‚Sophistication" haben. Ich glaube natürlich immer, dass die Europäer die gute ‚Old School" sind, weil die Luxusmarken alle aus Frankreich, der Schweiz und Italien kommen. Aber das hat für die jungen Chinesen und Japaner keine Bedeutung. Luxus gibt ihnen eine Sicherheit, eine Garantie für Qualität. Wir sind viel diskreter in Europa.
Gibt es diskreten Luxus?
Ich würde es so sagen: Es ist besser, eine gute Zigarre rauchen als zehn schlechte. Daher sagen wir: Es kann nicht sein, dass die Autoritäten, die Regierung oder die Politiker, oder die Gesundheitsdemonstranten oder Globalisierungsgegner, sagen, was für mich Genuss ist.
Sie antworten darauf ohnehin: Zigaretten sind Sucht, Zigarren sind Genuss.
Man ist von Zigarren nie abhängig, man findet sie gut. Zigarrenraucher konsumieren 4,5 Zigarren pro Woche.
Wäre es nicht grundvernünftig zu sagen: Wir rauchen einfach alle nicht mehr?
Sagen wir dann auch: Wir essen kein Fett, trinken keinen Alkohol, essen keine Schokolade? Es wäre ein langweiliges Leben.
Man muss wo anfangen.
Müssen wir wirklich? Das Leben ist zu kurz, um es nicht zu genießen. Daher muss man sich das Beste gönnen, für mich ist das eine Zigarre. Das müssen alle respektieren.
Kosmopolit: 25 Jahre Auslandseinsatz
Hans-Kristian Hoejsgaard Der Däne wurde 1958 als dritte Generation in ein Zigarrendistributions-Unternehmen geboren. "Ich rauche Zigarren, seit ich 16 Jahre alt war und habe nie inhaliert." Nach der Ausbildung an der Harvard Business School und einem Politologie-Studium in Kopenhagen arbeitete er sechs Jahre lang im Familienbetrieb, später für mehre Luxus-Marken wie die Louis-Vuitton-Gruppe, vor allem in den Bereich Brand Equity und Retail. So lebte Hoejsgaard aus beruflichen Gründen seit 1986 in Rom, Hongkong, Bangkok, Kopenhagen, Paris und New York, jetzt in Basel.
Was ist Luxus?
Das Wort "Luxus" stand in der Bedeutung seit jeher zwischen einer positiven Beschreibung von Prachtvollem und einer negativen von Maßlosigkeit und Verschwendung. Es kommt aus dem Lateinischen und bedeutete ursprünglich "(üppige) Fruchtbarkeit", weiterführend "Verschwendung, Liederlichkeit". In der heutigen Bedeutung wird alles als Luxus bezeichnet, das über den Standard (oder das nötige Maß) hinausgeht. Damit bleibt Luxus subjektiv.
Zitiert
"Das Überflüssige ist das zutiefst Notwendige, weil es der Wunsch der Freiheit ist."
Ernst Wilhelm Eschmann (deutscher Schriftsteller, Soziologe und Philosoph)
"Man versehe mich mit Luxus. Auf alles Notwendige kann ich verzichten."
Oskar Wilde (irischer Schriftseller)
"Zu viel von einer guten Sache kann wundervoll sein!"
Mae West (US-amerikanischer Schauspielerin)
"Der größte Luxus ist eine eigene Meinung; nur wenige leisten sich ihn."
Peter Bamm (deutscher Arzt und Schriftsteller)
"Luxus muss sein. Wenn die Reichen nichts verschwenden, verhungern die Armen."
Charles de Montesquieu (französischer Staatstheoretiker und Schriftsteller, Begründer der modernen Staatswissenschaft)
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Hintergrund
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