Geheimes Restaurant: Essen im Reisebüro

Als Gott die Stadt Wien erschuf, hat er auf diese Ecke vergessen. Nahe eines Bahnhofs, verlassene Geschäfte, herunter gekommene Häuser aus der Gründerzeit. Die schöne Seite des bürgerlichen Bezirks nur wenige Busstationen entfernt. Die Hauptstadt darf sich über ein zweites geheimes Restaurant erfreuen. Wer an diesem Tag das Portal des aufgelassenen Reisebüros durchschreitet, wird von drei Frauen und zwei Männern an einem großen Tisch beobachtet. Das Mahl hat bereits begonnen.
So wie die Vormieter das Reisebüro verlassen haben, so sieht es noch immer aus. An der Decke hängen ein kleines Geweih, vertrocknete Pflanzen, ein Spiegel, ein Polster (?). Eine Flipchart gibt seltsame Gedankengänge preis. Am Boden liegen Stapel von Büchern: Ein Duden, ein Buch über Kambodscha. Auf der anderen Seite des Raumes wurde die Wand schwarz übermalt, Umrisse eines Wand-Bildes wie in den 80ern lassen sich erkennen. Der nahe Blick auf das Meer sollte die Kunden einst wohl in Buchungslaune versetzen. Im Hintergrund ertönen sanfte Klänge des Wiener Liedes.

Die Runde schwärmt ob der frischen Kräuter. Die Dame des Hauses setzt sich dazu und isst mit, im Nachbarzimmer werkt der Koch. Es gibt keine richtige Küche. Wer den vorderen Bereich "charmant" als abgefuckt bezeichnet, findet für den hinteren Bereich keine Worte. Das Motto lautet "just for fun". Illegal? Nein, wo kein Restaurant, keine Öffnungszeiten, keine Speisekarte, keine Preise, da keine Gesetze oder Verordnungen. Hier sitzen Freunde beisammen und essen gemeinsam. Als der Ostbahn-Kurti aus den Lautsprecherboxen ertönt, serviert der Koch den Hauptgang.

Seit Minuten hält der dünne Koch in einer schwarzen Levi's eine Zigarette in der Hand, jetzt zündet er sie an. Die Frage nach dem Zahlen quittiert er mit leichter Unsicherheit: "So viel, wie Ihr zahlen wollt. Hat es Euch gefallen?" Ein bisschen Berliner-Style. Der Koch schaut irritiert und zuckt die Achseln.
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