Wenn Oscar Wilde zum Champagner lädt

Wenn Oscar Wilde zum Champagner lädt
Der harte Konkurrenzkampf und das Buhlen um Gäste schafft kreative Bar-Konzepte in New York.

Im Wettbewerb um Kunden treten Lokalbetreiber in New York jeden Abend aufs Neue gegeneinander an. Wer sich abgrenzt, fällt auf. Autoren, Schauspieler und Regisseure bieten den Besitzern Inspiration – das führt zu eigenwilligen Schöpfungen auf der Getränkekarte.

Als erster Gast steht Oscar Wilde selbst an der Theke, fein gekleidet, mit fragendem Gesichtsausdruck. Fast will man ihn auf einen Drink einladen, denn die lebensgroße Nachbildung des irischen Schriftstellers (1854-1900) hält die leere Hand geöffnet. In der nach Wilde benannten Bar in New York wird der Autor nicht nur mit einer Skulptur erinnert – die 545 Quadratmeter im viktorianischen Stil sind ganz dem Vertreter der literarischen Dekadenz gewidmet. Auch seine Lieblingsgetränke Champagner und Absinth stehen auf der Karte.

Themen-Bars gibt es überall auf der Welt, aber in der US-Metropole mit 8,5 Millionen Einwohnern ist das Lokalpflaster besonders hart. Mehr als 26.400 Bars und Restaurants gibt es städtischen Angaben zufolge. Wer in diesem Gastronomie-Dschungel überleben will, muss kreativ werden. "Es ist ein harter Markt. Er ist sehr umkämpft", sagt der Ire Frank McCole, dem die Idee zum Oscar Wilde mit seinem Landsmann und Freund Tommy Borke vor zwei Jahren kam.

Wenn Oscar Wilde zum Champagner lädt
Das Ergebnis versetzt Gäste in ein anderes Zeitalter: Standuhr und Klavier aus dem 19. Jahrhundert, Buntglas, Porzellan, Marmor. Seit der Eröffnung vor wenigen Tagen haben Besucher Wildes Ära vor Augen. Alle Uhren stehen hier auf Zehn vor Zwei – die Uhrzeit, in der Wildes Atem am 30. November 1900 in Paris aussetzte. Wer sich diesen November um 1.50 Uhr im Oscar Wilde noch durch die Nacht trinkt, bekommt ein Getränk gratis, verspricht McCole.

Speisen aus Golden Girls: 16-Stunden-Lasagne oder Torte mit Kokosraspeln

Wilde ist als Lokal-Schirmherr nicht allein. Seiner Freundin und Schauspielerin Lillie Langtry (1853-1929) hat McCole bereits zwei Restaurants gewidmet. Fans von H. P. Lovecraft werden im Lovecraft an Erbe und Vorstellungskraft des Horror-Schriftstellers erinnert. Ausgeschenkt wird dort Absinth unter Namen wie "The Gla'aki". Das ist eine Figur aus Lovecrafts Cthulhu-Mythos, die ihre Opfer mit einer Körperflüssigkeit in untote Sklaven verwandeln kann.

Wenn Oscar Wilde zum Champagner lädt
Düster geht es auch im Beetle House zu, die Mischung aus Restaurant und Bar steht ganz im Zeichen von Regisseur Tim Burton. "Sämtliches Fleisch stammt zu hundert Prozent von unschuldigen menschlichen Wesen, die wild auf den Straßen von NYC gefangen wurden", heißt es auf der Speisekarte in Anlehnung an Burtons Verfilmung des blutigen Musicals "Sweeney Todd: Der teuflische Barbier von der Fleet Street". Die Betreiber Zach Neil und Brian Link hatten zuvor schon Erfolg mit der Bar Stay Classy in der Lower East Side, die komplett dem Schauspieler Will Ferrell ("Zoolander 2") gewidmet war.

Als Inspiration reicht manchmal schon eine beliebte Fernsehserie. Michael LaRue war eng mit der 2010 verstorbenen Schauspielerin Rue McClanahan befreundet, die in der TV-Serie "Golden Girls" Blanche spielt. Heute verkauft er im Rue La Rue Speisen nach Rezepten aus der Sitcom. Dazu gehören die "16-Stunden-Lasagne" von Filmmutter Sophia (gespielt von der 2008 verstorbenen Estelle Getty) und der "Betty White Cake" getaufte Kuchen mit Kokosraspeln. Das Cafe ist bis zur Decke gespickt mit Erinnerungsstücken, ein Fernseher zeigt Folgen der in den 80er- und 90er-Jahren beliebten Serie in Dauerschleife.

Geheime Bars: Bier aus Papiersackerln

Wer dann noch durstig ist, kann eine der versteckten "Speakeasies" aufsuchen, die an Zeiten der Prohibition (1920-1933) erinnern. Die geheime Bar La Milagrosa (Die Wundertäterin) versteckt sich an der Rückseite eines kleinen Lebensmittelgeschäfts hinter einer Stahltür, die zu einem Gefrierraum zu führen scheint. Andere Untergrund-Lokale liegen hinter einfachen, nicht gekennzeichneten Hauseingängen, unter Restaurants oder in gewöhnlichen Treppenhäusern. Im Back Room (Hinterzimmer) werden Cocktails aus Nostalgie bis heute sogar in Bechern und Bier und Papiersackerln serviert.

So vielfältig wie die Bars ist auch die Kundschaft: "Du bedienst möglicherweise den krassesten Investmentbanker, der neben einem unglaublichen Künstler sitzt, und die sitzen neben dem Typ, der den Laden an der Ecke betreibt", sagt Steve Laycock, Teilbesitzer des Restaurants Ducks Eatery der Website Thrillist. Einmal habe er an der Schank gearbeitet, als ein Gast sich als Musiker der Carnegie Hall zu erkennen gab und spontan zu spielen begann.

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