Wenn Kochkünstler die Muse küsst

Wenn Kochkünstler die Muse küsst
Ein geselliger Abend bei gutem Wein, blühende Sonnenblumen- und Rapsfelder, der Spaziergang auf einem Markt. All das inspiriert die Küchenchefs. Kulinarische „Geständnisse“ von Haubenköchen.

Die Inspiration existiert, aber sie muss dich bei der Arbeit finden“, sagte Pablo Picasso. Ohne Schweiß geht nicht nur in der Kunst wenig. Um an die Spitze zu kommen, muss ein Koch mehr können als eine gute Grießnockerlsuppe oder ein perfektes Fleischlaberl. Ideen sind gefragt, zumindest bei den Testern der wichtigen Restaurantführer wie dem Gault Millau, der kommende Woche am 24. Oktober erscheint.

Längst geht es in der Region der zwei, drei- und vier-Haubenküche um mehr als bloßes Handwerk. Sondern vielmehr um Kreationen, die im besten Fall die Persönlichkeit des Kochs, die Eigenart des Restaurants und den Charakter der Region widerspiegeln. Dass die Spitzenköche auf der Suche nach Ideen zu Kollegen fahren, mit dem Smartphone Gerichte fotografieren, um sie schließlich nachzukochen, ist ein beliebtes Klischee, trifft aber nur teilweise zu. Schon klar, dass Küchentechniken, wie zum Beispiel einige Errungenschaften der sogenannten Molekularküche, auch auf vielen österreichischen Tellern aufgetaucht sind. Und die eine oder andere Form der Präsentation folgt gerne internationalen Moden. Doch immer mehr gerät das Produkt selbst und die Region aus der es kommt, in den Fokus der Könner am Herd.

Wenn Kochkünstler die Muse küsst
Harald Irka
Deshalb sagt einer wie der junge Küchenchef Harald Irka aus den steirischen Sazianistub’n: „Was bringt mir die beste Idee, wenn die Natur die nötigen Zutaten dafür gerade nicht hergibt? Wenn ich ein interessantes Produkt gefunden habe, überlege ich mir, wie ich es verarbeiten könnte.“ Was das konkret bedeutet? „Auf dem Weg in die Arbeit komme ich immer wieder an einigen Sonnenblumen und Rapsfeldern vorbei. Zusammen mit der Kamille die gerade in unserem Kräutergarten blüht und einem sautierten Kalbsbries, entstand daraus ein Gericht, welches perfekt zu dieser Jahreszeit passt.“

Eine Karotte als Star?

Inspiriert von der Natur, das Produkt als Held. Ähnlich sieht das Andreas Senn vom Restaurant „Heimatliebe“ in Kitzbühel: „Ich lasse mich beim Kochen nur von den besten Zutaten inspirieren, sei es ein österreichisches Wagyu oder eine außergewöhnlich gute Karotte. Es ist Inspiration genug, mit einem so tollen Produkt arbeiten zu dürfen. Da halte ich es mit dem Motto vom Chef (gemeint ist Eckart Witzigmann): Das Produkt ist der Star.“

Andere Topchefs lassen sich von alten Rezepten österreichischer Klassiker inspirieren. Thomas Dorfer serviert im Landhaus Bacher moderne Versionen aus seiner Heimat Kärnten – etwa Kirchtagssuppe oder Kasnudel. Irgendwann stieß er in der Kochbuchbibliothek der Frau Schwiegermama und Grand Madame der heimischen Küche, Lisl Wagner-Bacher, auf das Rezept für Wiener Bruckfleisch. „Dieses typisch urwienerische Gericht reizte mich und ich habe solange herumprobiert, bis ich es mit neuen Methoden geschmacklich auf den Punkt gekriegt habe“, erzählt Dorfer.

Ein guter Koch blickt über den Tellerrand – was heißt, dass man sich auf Reisen kulinarisch weiterbildet. Das kann der Besuch bei einem ebenfalls hochbewerteten Kollegen sein oder bloß ein Marktspaziergang. Simon Taxacher aus Kirchberg in Tirol sagt dazu: „Mich inspirieren ferne Länder, wo ich als Gast hinreise. Mich interessiert, welche Zutaten die Menschen dort verwenden und vor allem, wie sie Kräuter und Gewürze einsetzen.“ Bei Kräutern und Gewürzen könnte man in Österreich noch viel lernen.

Wenn Kochkünstler die Muse küsst
Hubert Wallner, honorarfrei
Für viele Chefs ist Ideenfindung Teamsache, etwa für Hubert Wallner von Saag am Wörthersee: „Die Inspiration und die Kreativität holen wir uns als Team.“ Wie viele seiner Kollegen arbeitet Wallner eng mit lokalen Produzenten zusammen, von Bauern bis zu Fischern und Gärtnern. Aus Villach bezieht er Zitrusfrüchte, weshalb viele seiner Gerichte eine erfrischend säuerliche Note aufweisen.
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Heinz Reitbauer: strahlender Sieger.
In Wien hingegen liegt die Natur nicht immer vor der Haustür. Doch Heinz Reitbauer vom Steirereck war einer der Ersten, der auf tiefgehende Kooperationen mit lokalen Gärtnereien oder Produzenten bestanden hat. Und daraus eine eigene Küche entwickelte, die im Fall des Steirereck auch international Beachtung findet. Er fahndet nach seltenen Pflanzen und Gemüsen und widmet sich mit seinem Küchenteam der Frage, was man daraus machen kann. Reitbauer: „Die Natur, und was ich in ihr finde, ist für mich das Spannendste.“
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Döllerer
Mitunter spielt ein guter Schluck eine Rolle bei der Ideenfindung. Andreas Döllerer (Döllerers Genusswelten) verdankt seiner neuen Kreation einer gemütlichen Weinrunde, wo einige Flaschen Grüner Veltliner ihrer Bestimmung zugeführt wurden. „Als ich am Tag danach laufen war, kam mir die Idee, einen Grünen Veltliner zu erfinden, im dem alle Aromen und Düfte des Veltliners drin sind, aber kein Veltliner.“ Döllerers neueste Kreation – Früchte, Kräuter und Gewürze in einem Weinglas – aus dem tatsächlich der Duft des Grünen Veltliners Jahrgang 2012 vom Hirsch aus dem Kamptal strömt, kommt demnächst auf die Speisenkarte des Restaurants.

Koch-Legende Eckart Witzigmann pflegte sich vor 30 Jahren als Fan delikater vegetarischer Küche zu outen, indem er sagte: „Für mich ist das Fleisch die Beilage zum Gemüse und nicht umgekehrt.“

Immer mehr Genießer halten es mittlerweile so, dass sie auf diese Beilage gänzlich verzichten. Vegetarische Menüs und auf Gemüse spezialisierte Restaurants haben den Weg über London und die nordischen Avantgarde-Köche nach Österreich genommen. Wer abends in der Wiener Himmelpfortgasse unterwegs ist, findet das „Tian“, Wiens erstes vegetarisches Restaurant mit hohem Anspruch bei Küche und Wein, gesteckt voll.

Der Ecke der Genussverweigerer sind die Vegetarier und ihre noch konsequenteren Verwandten, die Veganer, jedenfalls längst entflohen. In den besten Restaurants Österreichs gibt es schon lange Gemüse-Menüs – und zwar weniger aus ideologischen Gründen, sondern einfach deshalb, weil es faszinierend sei, damit zu arbeiten. Und natürlich, weil es nun einmal gut schmecke. So ist Steirereck-Chef Heinz Reitbauer mittlerweile über die Landesgrenzen berühmt für seine Entdeckung alter und seltener Gemüsesorten. Auch im Landhaus Bacher oder beim „Koch des Jahres 2014“ Silvio Nickol gibt es fleisch- und fischfreie Speisenfolgen.

„Natural Wines“ ideal zu Gemüse

Thorsten Probost in den Griggeler Stuben arbeitet ebenso gerne mit Gemüse. Eine gesunde, möglichst glukose- und salzfreie Küche ist ihm ein Anliegen. Spannung kommt auf, wenn es um die Weinempfehlung zu Gemüse geht. Hier kommen gerne die sogenannten „Orange Wines“ oder „Natural Wines“ ins Spiel, Weine, die durch ihre besondere Art der Vergärung einen Charakter kriegen, der sie zum idealen Begleiter für vegetarische Gerichte macht.

Eines bereitet den Gemüsefreunden unter österreichischen Spitzenköchen übrigens Sorge: Und zwar eine neue, in Europa geplante, Saatgutverordnung, die das Zeug hat, die Artenvielfalt beim Gemüse auf wenige Sorten zu reduzieren, die der Saatgutindustrie beim Geldverdienen helfen. Das Angebot aus 400 Paradeisersorten, wie bei Erich Stekovics im Burgenland, könnte damit endgültig Vergangenheit sein.

Getestet 916 Restaurants in Österreich, Südtirol, Kroatien, Slowenien, Prag und Bratislava wurden von einem anonymen Tester-Team großteils mehrfach besucht und nach dem Gault-Millau-Punktesystem bewertet.

Restaurant & Wein-Guide hat 576 Seiten mit 264 Seiten Weinguide und erscheint am 24. Oktober 2013. Er ist im Buchhandel oder im KURIER-Club (www.kurierclub.kurier.at) um 33 € (für Nicht-Clubmitglieder zzgl. 3,80 € Versandkosten) erhältlich.

Neue App Den Gault Millau 2014 gibt es zeitgleich für iPhone und iPad. Und die GaultMillau Weinguide App weist Ihnen den Weg zu den besten Weinen und Weingütern Österreichs.

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