Landflucht und Personalnot in der Gastronomie

Diskussion um Personalnot verstärkt Fronten zwischen Arbeiterkammer und Wirtschaftkammer.
Gastronomen klagen über Personalnot – Szenewirt Karl Schillinger musste sogar seinen Betrieb schließen.

Gut essen und Gutes tun – für den Gastronomen Karl Schillinger gäbe es genügend Argumente, warum junge Leute in seinem veganen Wirtshaus in Großmugl (Bezirk Korneuburg, NÖ) anheuern hätten sollen. Nicht nur, dass er dank seiner fleischlosen Küche jedes Jahr hunderte Rinder, Schweine und Hühner verschont hat, hätte er jedem seiner Wirtshaus-Mitarbeitern bereitwillig mehr gezahlt, als der Kollektivvertrag vorsieht. Und trotzdem musste er elf Mitarbeiter kündigen und das Wirtshaus schließen: Der Grund liegt darin, dass er kein zusätzliches Personal findet, das ihn und seine Ehefrau Irene entlastet. Erfahrene Köche oder Restaurantleiter würden lieber in der nahen Hauptstadt arbeiten – der KURIER berichtete.

Landflucht und Personalnot in der Gastronomie
Gasthaus Floh
HaubenkochJosef Floh, der die gleichnamige Gastwirtschaft in Langenlebarn bei Tulln betreibt, kann die Schillingers Konsequenz nachvollziehen: "Leider ist das auch bei uns ein Thema! Es handelt sich aber um kein strukturelles Problem der Gastronomie, sondern um ein gesellschaftspolitisches in allen Berufszweigen. Generell will man nicht am Wochenende arbeiten. Wir kennen ja die Facebook-Freizeitgesellschaft, die Freude an der Arbeit steht im Hintergrund." In der Stadt hätten viele Gastronomiebetriebe sonntags geschlossen.
Landflucht und Personalnot in der Gastronomie
Willi und Vincent Bründlmayer Foto Chris Rogl
"Land ist nicht gleich Land", gibt der prominente WinzerWilli Bründlmayeraus Langenlois zu bedenken und verweist darauf, dass Arbeitgeber ihren Bewerbern einiges bieten müssen: "Auch wir kennen dieses Dilemma, aber wir haben das Glück, dass die Region um Krems eine attraktive Wohngegend ist. Wir genießen eine hohe Freizeitqualität – auch Wiener ziehen hierher." Auch er erkennt ein gesellschaftliches Phänomen: "Wir gehen gerne am Wochenende aus oder auswärts essen, aber arbeiten wollen wir am Wochenende nicht."

Mörwald: "Es gibt zu viele Spieler am Markt"

Landflucht und Personalnot in der Gastronomie
StarkochToni Mörwaldaus Feuersbrunn (Bezirk Tulln) kennt zumindest einen Lösungsansatz: "Wir investieren viel in die Ausbildung: So kommen die Nachwuchskräfte aus unserem eigenen Betrieb. Man kann in der Gastronomie noch immer gutes Geld verdienen, wenn man will." Allerdings warnt er vor einem "Strukturbereinigungsprozess" in seiner Branche: "Es gibt noch immer zu viele Spieler am Markt."

Laut Arbeitsmarktservice (AMS) hätte der Großteil der Gastronomiebetriebe kein Problem, geeignete Mitarbeiter zu finden. 40 Prozent der freien Stellen würden innerhalb von zehn Tagen besetzt. Wenn die Stellenbesetzung länger als drei Monate dauert, könne es an "Besonderheiten des Angebots liegen. Wie am Arbeits- oder Wohnungsmarkt üblich, finden gute Angebote aufgrund von Erreichbarkeit oder Gehalt rasch einen Abnehmer", sagt Beate Sprenger, Sprecherin des AMS Österreich.

Fast 83.000 freie Stellen in der Gastronomie waren im Vorjahr bundesweit offiziell gemeldet. Deutlich mehr Personen suchten genau in dieser Branche einen Job. Trotzdem spricht Mario Pulker, Bundesobmann der Sparte Gastronomie in der Wirtschaftskammer, von einem Personalmangel: "Es fehlen nicht nur Köche und Servicekräfte, sondern mittlerweile auch schon Abwäscher und Zimmermädchen."

Aus seiner Sicht sind es die Sozialtransfers, wie etwa Mindestsicherung, die das Problem zuspitzen: "Es ist eigenartig, wenn Ungarn, Polen oder Slowaken bereit sind, nach Niederösterreich arbeiten zu fahren, aber Arbeitslose aus Wien sich weigern, die paar Kilometer ins Nachbar-Bundesland zu pendeln. Staatliche Leistungen sollten allerdings nur die bekommen, die tatsächlich sozial bedürftig sind", fordert Pulker.

Arbeiterkammer prangert unbezahlte Überstunden an

Seit 2010 sperrten bundesweit rund 1900 von fast 31.600 Gastrobetrieben zu – als Gründe werden nicht nur fehlende Arbeitskräfte genannt, sondern auch Registrierkassenpflicht, Rauchverbot, überbordende Bürokratie oder unzählige konkurrierende Vereinfeste. "Wir zahlen gut – 1500 Euro brutto pro Monat. Hinzu kommt noch das steuerfreie Trinkgeld", meint Pulker.

Vertreter der Arbeiterkammer (AK) sehen die Gastronomie in der Pflicht: "Es spricht sich herum, dass die Rahmenbedingungen nicht mehr passen. Die Probleme sind unbezahlte Überstunden, Arbeit auf Abruf, geringe Ruhezeiten oder schlechte Bezahlung", sagt Silvia Hruska-Frank, Abteilungsleiterin für Sozialpolitik in der Arbeiterkammer. Aus ihrer Sicht sind die Bedingungen in der Gastronomie "stark verbesserungswürdig."

Zahlen im Überblick:

  • 83.000 Fachkräfte hat die Gastronomie 2016 gesucht.
  • Köche sind heiß begehrt: 1600 offene Stellen waren 2016 gemeldet.
  • 1569 Gasthäuser und 639 Restaurants wurden 2015 in Niederösterreich betrieben.
  • Lehrlinge hatten einen Gastro-Ausbildungsplatz in Niederösterreich.

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