Schwarzes Gold im Schongang

Schwarzes Gold im Schongang
Eine neue Erntemethode aus Deutschland lässt die Störe am Leben.

Wer noch nie Kaviar gekostet hat, muss sich mit der folgenden Beschreibung zufriedengeben: „Ein fischig-salziger Geschmack – mit diesem haptischen Effekt, dass die Kaviarperlen auf dem Gaumen zerplatzen.“ Das sagt Jutta Jahrl, Stör-Expertin beim WWF. Die unbefruchteten Eier dieser Fische werden seit Jahrtausenden in Massen vertilgt. Eine Wertschätzung, auf die die Störe wohl gern verzichten hätten. Denn heute ist der Wildkaviar vom Aussterben bedroht und steht innerhalb der EU unter Schutz. Der Grund für seinen Rückgang: Bei der Gewinnung der unbefruchteten Eier werden die Fische getötet. Längst werden Störe in Nachzuchtanlagen aufgezogen.

Es dauert bis zu acht Jahre ehe ein Störweibchen in Zucht Eier legt. Die weiblichen Fische werden dann mit der Keule betäubt und aufgeschlitzt (siehe unten). Zu dieser Methode gibt es jetzt eine Alternative.

Köhlers Störe

„Die traditionelle Kaviarernte ist ökonomisch ungefähr so sinnvoll, als würden sie ihre Kuh schlachten, nachdem sie das erste Mal gemolken wurde“, erläutert Angela Köhler vom Alfred Wegener Institut für Polarforschung in Bremerhaven. Die Meeresbiologin hat eine Technik entwickelt, die Tiere und Umwelt schont und dennoch erstklassigen Kaviar liefert (siehe unten rechts). Köhlers Störe werden vier Mal beerntet, ohne die Fische zu töten. „Wir tragen zum Artenschutz bei, indem wir die Aquakultur wirtschaftlich sinnvoll machen.“

Dieser schonende Umgang mit den Tieren ist aufgrund eines Erlebnisses bei einer Stör-Tagung im Iran entstanden. Dort wurde ein Wildfang geschlachtet, es wurde festgestellt, die Eier sind zu reif und das ganze Tier musste entsorgt werden. „Welch Verschwendung.“ Heute ist Köhler Hauptgesellschafterin eines 7-Millionen-Euro-Unternehmens. Ihr Ziel sind 10 t Kaviar pro Jahr, um die steigende Nachfrage zu befriedigen. Österreich importierte von Jänner bis September 2012 500 kg echten iranischen Kaviar (vorläufige Zahl laut Wirtschaftskammer). Im ganzen Jahr 2011 waren es 100 kg. In der gehobenen Gastronomie ist Zuchtkaviar aus Frischwasser-Anlagen heute ein Muss.

Passauer Sterlets

Kaiserin Maria Theresia soll ihre Bediensteten angewiesen haben, die fette Delikatesse nur einmal pro Woche zu essen. Die österreichische Kaviarproduktion ist längst erloschen. Im Donau-Unterlauf, hinter der Sperre des Eisernen-Tor-Kraftwerks, gibt es noch fünf Störarten. In Österreich lebt nur mehr der kleinste der Donaustöre, der Sterlet, nahe Passau. Sollten die Schutzmaßnahmen nicht greifen, dann wäre es ein unrühmliches Ende für ein Tier, das seit der Zeit der Dinosaurier existiert. Jahrl, besorgt: „Die Störe haben alle Klimaänderungen überlebt, aber unser Appetit ist eine Bedrohung.“

Dass die Fischweibchen bei der Kaviargewinnung getötet werden, hängt mit der Produktionsweise zusammen. Traditionell wird echter Kaviar aus unreifen Störeiern hergestellt. Die Störe werden daher nur einmal genutzt, die Entnahme der Eier überleben sie nicht.

Die Kaviar-Produzenten gehen dabei wenigstens nicht wahllos zur Sache. Die Tötung der Störe erfolgt unblutig mit einer Keule. Es gibt keine Störtötung auf Verdacht. Jeder Fisch wird per Ultraschall untersucht, ob er auch Kaviar trägt. Dann wird entschieden, was mit dem Stör passiert. Auch das Fleisch selbst ist eine Delikatesse, der Geschmack liegt zwischen Karpfen und Aal, wie sich der KURIER bei einem Lokalaugenschein bei Walter Grüll in Grödig überzeugen konnte. Zu Grülls Kunden zählen Airlines, Toprestaurants in Deutschland sowie Meinl am Graben in Wien 1. Für Kaviar erster Qualität werden 3000 € und mehr pro Kilogramm erzielt, für den berühmten goldgelben Zarenkaviar sogar bis zu 30.000 €.

Der Knüppel bleibt im Sack. Das einzige was Angela Köhler beim Kaviarmachen herausholt ist eine Tragetasche. Dort hinein legt sie die Störweibchen, dreht sie auf den Rücken und massiert den Bauch, bis die Eier herauskommen. Die fallen in eine Schüssel mit einer Lösung aus speziellen Signalstoffen, Wasserstoffperoxid und Kalziumionen. Diese molekularen Botenstoffe sorgen dafür , dass die Ei-Hülle hart und widerstandsfähig wird und der Rogen nicht bei Berührung mit Wasser verklumpt.

In der Natur wird die Aushärtung bei der Befruchtung durch Spermienzellen ausgelöst. Je nach Konzentration und Verweildauer in der Lösung entstehen unterschiedliche Gewebeformen, von körnig bis glatt.

Ein Vorteil von Köhlers Methode: Bei der Tötung bleiben keine Follikel und Blutgefäße auf der Ei-Membran haften, „ein Paradies für Bakterien.“ Für die 50-g-Dose zahlt man beim deutschen Lachskontor 99 €, die gleiche Menge gibt es auch um 74,90 € (Caviar Per Sé Iranian).

Deutscher Online-Fischversand: www.lachskontor.de

Vokabel Kaviar kommt aus dem Persischen, von „chav-jar“ („Kuchen der Freude“).

Fastenspeise In Russland wird Kaviar das 1. Mal 1240 erwähnt. Die orthodoxe Kirche erlaubte den Genuss in der Fastenzeit.

Guter Tausch 100 Schafe - Das war im alten Rom der Gegenwert einer Amphore Störfleisch.

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