Zu Besuch beim Houdini der Bräter

Im Hof von Bittersmanns Gasthauses in Göttlesbrunn.
Im Hof seines Gasthauses in Göttlesbrunn führt der Adi Bittermann seine Jünger langsam und behutsam an die Erfüllung der Fleischeslust heran.

Da liegt es. Rot, nein, rosa und unschuldig. Feine Fetteinschlüsse mäandern durch das Terrain, das von einer Schwarte feinsten, reinweißen Specks begrenzt wird. Längst ist es entseelt, wurde vom Lamm, Rind oder Schwein zum Bauchfleisch, Karree oder Schlögl – dieses Exemplar hat sich zum T-Bone Steak gemausert.

Reine Männersache

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32 Augenpaare liegen auf dem guten Stück, betrachten es mit größter Ehrfurcht, die bald in ungezügeltes Verlangen umschlagen wird.16 Steak-Holder warten auf den großen Augenblick. Dann erscheint er – Adi Bittermann, der Grillweltmeister, der Houdini unter den Brätern, die Koryphäe, wenn es darum geht, den Grillern ihre Schuld zu nehmen. Jawohl, den Grillern, denn zu diesem Grillkurs haben sich nur zwei Frauen angemeldet, die für einige der anwesenden Männer wirken wie zwei ganze Kerle, die sich zum Schwangerschaftsturnen verirrt haben. Grillen ist Männersache, Steinzeit, Feuermachen, Jagd, Beute – aus.

Adi Bittermann ist ein grundsympathischer Mensch, niemals lässt er uns das ahnungslose Dasein als Grill-Loser spüren, jede Frage wird beantwortet, jeder Witz wird pariert, so sehen Weltmeister aus.

Meine Frau mustert mich misstrauisch, dann fällt ihr Blick auf den Griller und ein Lächeln schickt sich an, über Ihre Lippen zu huschen. Nein, meine Frau liebt keinen menschlichen Griller, sie liebt diese seltsamen, metallenen Urzeitöfen, stundenlang kann sie über die Vorzüge von Holzkohle und Gas nachdenken, nur meinem schiefen, weil selbstgemauerten Assado-Grill konnte sie nie etwas abgewinnen. Was Napoleon sein Waterloo, ist mir dieser schiefe, vegane Turm von Pisa, der kein Fleisch verträgt und es innerhalb von zwei Minuten in dunkelschwarze Brandbeschleuniger verwandelt.

Faible für Steaks

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Adi Bittermann soll mich nun bekehren, weiters die hübsche Frau unseres Freundes Reinhard und die Mitglieder des Dodge-Clubs, die sich ebenfalls angemeldet haben. Es sind großteils riesige Menschen, mit hinten zusammengebundenem Kopfhaar, einige haben niemals scheu vor Tätowierern entwickelt, und was sie allesamt verbindet, ist das Band der Freundschaft, guter Humor und ein ungestilltes Faible für Steaks, die sie auf offenem Feuer ihrer einzigen Lebensberechtigung zuführen wollen. Die Mitglieder des Dodge-Clubs lieben Autos und Motorräder und weil man beide nicht grillen kann, lieben sie Fleisch. "Nein", sagt Viktor, rechte Hand am Grill von Adi Bittermann – ein Hüne, mit im Nacken zusammengehaltenem Kopfhaar, der abseits vom Grill als Grafiker und Pferdeflüsterer fungiert. "Nein, ich werde heute nicht grillen. Ihr werdet es tun." Und ich bekomme Angst. Übrigens völlig grundlos.

Kap des guten Grillens

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Was Adi Bittermann und sein Team hier im Hof seines Gasthauses in Göttlesbrunn, dem Cape Canaveral der Grillkunst, tun, ist, die Jünger langsam und behutsam an die Erfüllung der Fleischeslust heranzuführen. Überall stehen Griller herum, große, kleine, dicke, dünne, was sie allesamt verbindet, ist der Rost. Die Scheune im Hof hat er schon länger den Gegebenheiten angepasst, die Kursteilnehmer stehen Schlange, längst fährt man nicht mehr nach Göttlesbrunn, man pilgert dorthin. Nichts erinnert hier an übertriebene Technik, einige Dutzend Griller, Holzkohle, gut gelaunte Menschen, mehr braucht es nicht, um die Mitglieder des Dodge-Clubs, die zwei Damen und mich in erwartungsvolle Spannung zu versetzen.

Einzig die schwarzen Wegwerfhandschuhe, die diabolischen Schwestern jener, die in der Chirurgie zum Einsatz kommen, lassen auf jahrzehntelange Erfahrung mit dem Grillgut schließen. Bald wissen wir, welches Salz der versierte Griller bevorzugt, welche Temperaturen gefragt sind und manch einer, wie man den Durst löscht. Dann kommt die Frage der Fragen, die für viele der Anwesenden längst beantwortet erscheint.

Ein grünes Ei

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Wir kennen den Weberknecht, das Formel-1-Ass Mark Webber, weiters die Musiker Andrew Lloyd Webber und Carl Maria von Weber, die Griller-Groupies aber kennen Weber aus einer anderen Perspektive. Sie knien vor ihm, das Gerät ist ihnen der Salieri unter den Grillern. Ich präferiere Mozart, anders gesagt: das grüne Ei. Es wurde wahrscheinlich von einer Dinosaurier-Henne gelegt und wird im Fachjargon "Green Egg" genannt. Es erinnert stark an einen Atombombenentwurf von Daniel Düsentrieb in einem Mickymaus-Heft aus den 1960er-Jahren, hat aber keinerlei verheerende, sondern vornehmlich wundersame Wirkung. Einmal entflammt, hält es über 24 Stunden seine Temperatur, man kann rasch, langsam und total langsam grillen, räuchern und sogar backen.

Der Unterricht geht weiter, bald sind die Damen, die Mitglieder des Dodge-Clubs und ich Gläubige. Wobei meine Frau schon vorher eine Kundige war und nicht nur von mir als Grill-Weltmeisterin eingestuft wird.

Dies ist umso bemerkenswerter, als ja allgemein bekannt ist, dass nur Männer wahnsinnig gut grillen können. Alle Tricks, Kniffe und Weisheiten sind übrigens im Info-Teil rechts angeführt. Mittlerweile sind zwei Stunden vergangen, der Tafelspitz bekommt drei von vier Hauben, das T-Bone-Steak in der Salzkruste achthundertneunzig Hauben und ich von meiner Frau einen gütigen Blick, weil sie glaubt, ich habe mir die vielen Grillkniffe nicht gemerkt. Dabei weiß sie noch gar nicht, dass der nächste Grill-Weltmeister meinen Namen trägt.

Dieser Text entstand in Kooperation mit Gault & Millau, von dem Karl Hohenlohe Herausgeber ist.

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