Österreichs älteste Influencerin ist 100,5 Jahre alt
Erni Jasek ist 100 und dreht Videos für die Wiener Sozialdienste. Sie kennt sich mit KI aus, spricht vier Sprachen und lernt gerade Latein. Porträt einer Powerfrau.
Von Karin Lehner
Erni Jasek besitzt ein Mobiltelefon und Tablet, ist auf Facebook, Instagram und TikTok vertreten und verbringt pro Tag einige Stunden online. Eine normale Biografie am Puls der Zeit, wäre da nicht ihr Alter. „Ich bin hunderteinhalb und möchte unbedingt 105 werden, weil ich noch erleben will, wohin uns die Künstliche Intelligenz führen wird“, stellt die rüstige Pensionistin gleich zu Beginn klar. Bis dato haben die Rechercheergebnisse zu ihren Fragen jedenfalls immer gestimmt.
Auf Social Media ist Jasek privat wie professionell vertreten. Schließlich dreht sie Videos für die Wiener Sozialdienste. „Ich möchte ein Vorbild sein und zeigen, dass auch im Alter noch vieles möglich ist.“
Granfluencerin schätzt Gen Y
In den Beiträgen, die sie mit Helmut Karner, Mitarbeiter der Kommunikationsabteilung der Wiener Sozialdienste dreht, geht es um Reisen, den Schutz junger Frauen oder aber Altersdiskriminierung. „Die Themen ergeben sich, weil wir uns viel unterhalten“ beschreibt Jasek die Zusammenarbeit. Auf ihren Kanälen möchte sie Jung und Alt ansprechen. „Ich mag die heutige Jugend“, bricht die „Granfluencerin“ eine Lanze für die vielgescholtenen Generationen Y (zwischen 1981 und 1995 geboren) und Z (1995 bis 2010).
Jasek redet stets aus dem Stegreif, gibt ihre persönliche Meinung weiter und kommentiert immer positiv. „Mich hat noch nie jemand geschimpft. Aber wahrscheinlich ist das nur der Respekt vor dem Alter“, gibt sie sich bescheiden. In ihrem früheren Beruf in der Administration eines großen Elektronik- und Gesundheitstechnologie-Herstellers erlebte sie noch die Einführung von Computern. Eine Leidenschaft, die blieb und heute in Videos ausgelebt wird.
„Nicht dumm wohin kommen“
Langeweile kennt Jasek auch in der Pension nicht. „Mich interessiert so vieles.“ Sie liebt Sprachen und beherrscht Englisch, Französisch, Italienisch und sogar Türkisch. Derzeit lernt sie mit einer Lehrerin auch noch Latein. „In meinem Freundeskreis konnten das alle, nur ich nicht. Das bedrückte mich immer. Jetzt mit 100 habe ich endlich Zeit zum Lateinlernen. Aber ich bin noch eine blutige Anfängerin“, stapelt Jasek tief. „Aber besser spät als nie.“ Als Umwegrentabilität trainiert sie damit auch ihre ohnehin topfitten grauen Zellen.
Die 100-jährige Erni Jasek postet auf Facebook, Instagram und Tiktok zu den unterschiedlichsten Themen von Frauenpower bis Angst im Spital.
©Wiener SozialdiensteDie Pensionistin kam früher viel herum. Das Erlernen einer neuen Sprache war für sie stets die Vorbereitung auf Reisen, denn nur damit gelinge der Kontakt mit Menschen und Ländern. „Ich habe mir auch immer viel Erlesen, damit ich nicht dumm wohin komme.“
Doku-, CNN- & Biografie-Fan
Infolge einer Gehbehinderung sind Reisen heute nicht mehr möglich, denn Jasek braucht bei jedem Schritt jemanden zum Anhalten. Aber mit der Unterstützung von Heimhilfe und mehrstündiger Alltagsbegleitung lebt sie bis heute alleine in ihrer Wiener Wohnung in Rudolfsheim-Fünfhaus. „Einmal in der Woche gehen wir gemeinsam einkaufen, denn ich koche immer selbst für mich und setze auf mediterrane Kost. Das ist besser als Fertigprodukte aus dem Supermarkt.“ Schließlich achte sie seit ihrem 30. Lebensjahr auf ihre Gesundheit.
Mit der Welt in Kontakt tritt die rüstige Seniorin heute durch das Schauen von ausgesuchten Dokumentationen und Nachrichten im Fernsehen, gerne auch fremdsprachig auf CNN & Co. Auch Arte, 3SAT und ORFIII schätzt die Vielseherin. „Ich vergleiche immer, wo wie etwas berichtet wird und ob sich die Meinungen zur Einordnung eines Ereignisses decken.“ Auch Lesen ist eine Leidenschaft. Jasek ist KURIER-Abonnentin, bevorzugt zeitgeschichtliche Literatur und die Biografien berühmter Menschen. „Menschen sind mir wichtig, daher bin ich auch an ihrem Schicksal interessiert.“
Jeden Tag Heimtraining
Mit Unterstützung der Heimhelferin absolviert Jasek einmal die Woche eine Remobilisations-Einheit in einem Wiener Krankenhaus. „Hier arbeite ich mit Therapeuten gezielt an meinen körperlichen Schwachpunkten Hände, Schultern und Beine.“
Zusätzlich absolviert die Nimmermüde täglich ein einstündiges Turntraining daheim. „Kein großer Aufwand. Ich habe die Zeit.“ Wenn sie dennoch einmal einen Tag auslasse, spüre sie am nächsten die Bewegungseinschränkung. „Man muss im Leben immer dran und konsequent bleiben, um nicht abzubauen.“ Nach der Pensionierung habe sie gleich einige Kilogramm zugenommen. „Jetzt ist alles wieder weg. Ich fühle mich wohl in meiner Haut.“
Jugend als Jungbrunnen
Leider waren ihre Lieben und ihr Partner nicht mit Langlebigkeit gesegnet. „Meine Familie ist ausgestorben.“ Auf Partnersuche ist die 100-Jährige aber nicht. „In meinem Alter finde ich doch keinen mehr. Außerdem bin ich mittlerweile zu egoistisch, um mich noch auf jemanden einzulassen“, lacht Jasek.
Ihr Jungbrunnen sind jüngere Freunde im Alter zwischen 25 und 85. „Das wirkt sich positiv aus.“ Sie spüre den Altersunterschied nicht. Außerdem besitzen viele ein Auto und fahren mit ihr zu Terminen. „Mein Rat an alle Senioren lautet, seid gescheit und sucht euch rechtzeitig junge Freunde.“ In ihren Videos wie privat lebe sie nach dem Motto, man ist so alt wie man sich fühlt. Die Hundertjährige schätzt sich selbst auf flotte 60 ein.
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