Die Entdeckung der Einsamkeit

Die Entdeckung der Einsamkeit
So viel Natur und so wenige Menschen. Wallabies, Wale und zahme Delfine. Schluchten, Wüste und Wasserfälle, Oasen und Palmen. Westaustralien muss man auf langen Wegen erobern. Eine Mühe, die sich lohnt.

Zwei Frauen allein am leeren Taxistandplatz vor einem Lokal am Stadtrand von Perth. Nicht allzu spät, aber die Gehsteige sind bereits hochgeklappt. Da nähert sich ein Mann. Lächelnd spricht er uns an. „No, thanks“, herrsche ich ihn an. „Warum bist denn so unfreundlich?“, fragt die Freundin. „Ich will nix trinken mit dem“, sage ich. Tja. Dabei hat er doch nur gefragt, ob wir auch auf ein Taxi warten. „Are you waiting for a cab?“ klingt eben fast so wie „Can I invite you for a cup?“ In Australien zumindest. Wo das Schulenglisch aus der Leopoldstadt an seine Grenzen stößt.


Auch sonst sollte man Menschen in Australien freundlich begegnen, wenn man welche trifft. Das ist nämlich außerhalb der größeren Städte gar nicht so oft der Fall. Vor allem im riesigen Westen des fünften Kontinents. Der ist zwar etwa sieben Mal so groß wie Deutschland. Es leben hier aber nur 2,3 Millionen Menschen, ein wenig mehr als in Wien. Und zwei Drittel von ihnen eben rund um Perth. Die Entdeckung der Einsamkeit.

Platz ist hier genug. Für Reisende bedeutet das, in anderen Entfernungsdimensionen zu denken – und Tausende Kilometer auf endlos scheinenden Straßen oder Pisten zurückzulegen, um von A nach B zu kommen. Zwei Dinge empfehlen sich daher ganz besonders: Erstens bei der Übernahme des Mietautos oder Caravans genau darauf zu achten, ob das Vehikel auch in gutem Zustand ist. Zweitens daran zu denken, wie wahrscheinlich es trotzdem sein kann, dass man in der Weite Westaustraliens auf die Hilfe fremder Menschen angewiesen sein wird – und deshalb bei Begegnungen stets freundlich zu sein, das sind die Australier nämlich auch.

Die Mühe des Weges lohnt sich in jedem Fall. So ist eines der am schwierigsten erreichbaren Ziele gleichzeitig eines der schönsten. Der Purnululu-Nationalpark mit Tausenden Kuppeln, Pagoden und Pyramiden aus Sandstein. Sie muten an wie eine riesige Ruinenstadt am Ende der Welt. Die rötlichen Schluchten öffnen Zugänge zu einer bizarren Welt aus Stein, in der dennoch Leben herrscht: An die Felswände klammern sich spezielle Fächerpalmen, die es nur dort gibt. Der Nationalpark, dessen Name in der Sprache der Aborigines „Sandstein“ bedeutet, liegt in der Region Kimberley im Norden Westaustraliens und ist ausschließlich über eine nur mit einem Allradfahrzeug bezwingbare, mehr als 100 Kilometer lange Piste in der Trockenzeit (Mai bis Oktober) erreichbar. Oder mit dem Flugzeug von Kununurra aus. Der besondere Reiz dieses einzigartigen Naturwunders: Es liegt in der Region Kimberley, die auch Oasen mit Palmentälern, feuchte Mangrovenwälder, Thermalquellen und Wasserfälle zu bieten hat. Dazu das Argyle-Bergwerk, die weltgrößte Diamantenmine.

Das absolute Kontrastprogramm dazu ist der äußerste Westen Westaustraliens: Die Shark Bay bei Monkey Mia und der Francois Peron Nationalpark auf der Peron Halbinsel. Endloser Strand mit weißem Sand fein wie Staubzucker und ein Paradies der Tiere mit Seekühen, Schildkröten, Riesenmuscheln, Haien – und Delfinen. Die Tümmler tun, als ob sie Flipper wären: Sie kommen bis an den Strand und fressen den Besuchern aus der Hand. Ganz heil ist die heile Welt aber nicht einmal mehr auf diesem entlegenen Teil der Erde. Katzen, Ratten und andere ursprünglich nicht in Australien heimische Tierarten drohen das Gleichgewicht der Natur durcheinanderzubringen. Deshalb läuft seit rund 20 Jahren das in seiner Radikalität seltsam anmutende „Lost Eden Projekt“: Die Peron Halbinsel wird mit einem Zaun von unerwünschten – tierischen – Besuchern abgeschottet.

Das Great Barriere Reef auf der Ostseite Australiens ist jedem ein Begriff. Das Ningaloo Reef im Westen ist eine verborgene Schönheit, die weit weniger bekannt ist. Trotz seiner Länge von 300 Kilometern, der Seepferdchen, Mantarochen, Walhaie und Buckelwale, die das Riff bevölkern. Die große Touristenkarawane ist hier noch nicht angekommen, dafür Alternativurlauber und Globetrotter mit ihren Caravans, die mehr die Natur und weniger den Luxus zu schätzen wissen.

Und überhaupt verschieben sich bei der Eroberung des fünften Kontinents die Relationen. Wer nach der Tour durch Australiens wilden Westen wieder in Perth ankommt, dem scheint die abgelegenste Großstadt der Welt wie eine quirlige Metropole. Und niemand käme mehr auf die Idee, dem freundlich lächelnden Mann auf dem nächtlichen Taxistandplatz zu misstrauen.

HINKOMMEN
Flüge nach Perth ab ca. 1.200 Euro. Beispielsweise mit Qatar Airways über Doha (1 Stopp, Reisezeit ab 19 Stunden) oder mit Singapore Airlines über Frankfurt und Singapur (2 Stopps, ab 21 Stunden). 1 € =1,5 AUD (Australischer Dollar)

WEITERKOMMEN
Am besten per Mietwagen oder Wohnmobil. Wer plant, sich im nahezu unendlichen Netz der ungeteerten Straßen und Pisten zu bewegen, sollte ein Allradfahrzeug mieten. Australien ist das ideale Revier für Campingfreunde. Achtung, Linksverkehr, aber Rechtsvorrang!
www.britz.com.au
www.apollocamper.com

ÜBERNACHTEN
Auf das Vorhandensein von Hotels sollte man sich nur in größeren Städten verlassen. Ansonsten am preiswertesten und unkompliziertesten im Camper oder Wohnmobil. Einen Camper für zehn Tage und zwei Personen gibt es schon ab 220 Euro.


NATURWUNDER

Nationalparks:
Die Nationalparks sind das Highlight Westaustraliens. Adressen, Infos und Gratisguides auf
www.westernaustralia.com
www.dec.wa.gov.com

Tiere:
Touren zu den Tieren in
Shark Bay: www.monkeymiawildsights.com.au

Reef:
Das Ningaloo Reef lässt sich ebenfalls erkunden:
www.ningaloowhalesharkndive.com.au

ESSEN & TRINKEN
Das Meer liefert die Nahrung: Fische, Krustentiere, Muscheln. Die Zeiten von Fish&Chips sind gottseidank vorbei. Empfehlenswert in Perth: Das elegante „red cabbage“, 49/15 Labouchere Red South Perth. Oder Lunch mit Blick über die Weingärten im Vasse Felix in Margaret River, einer der besten Weingegenden Australiens am südwestlichen Zipfel.
www.redcabbagefoodandwine.com.au
www.vassefelix.com.au

RICHTIGER ZEITPUNKT
Den heißen, trockenen Westen Australiens bereist man am besten im Winter, zwischen Mai und September. Da sind die Temperaturen gemäßigt und liegen vielerorts immer noch über 20 Grad.

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