Überdrüber
Es gibt eine Perspektive, aus der Tropea ganz besonders schön ist: Man besucht den Stadtstrand, legt sich im türkisblauen Meer auf den Rücken, lässt sich treiben, blinzelt durch die Gläser der Sonnenbrille und erkennt sofort, was das Besondere an der „Perle des tyrrhenischen Meeres“ ist. Die mittelalterliche Stadt thront auf einem 40 Meter hohen Granitfelsen, dessen Terrassen steil ins Meer abfallen, umgeben nur von sichelförmigen, feinen Sandstränden. Aus der Wasserperspektive fällt der Blick auf die vor gut 800 Jahren errichteten Häuser, die wie aus dem Fels gehauen scheinen, sich eng aneinanderschmiegen und den Bewohnern Tropeas einst Schutz gegen die kriegerischen Sarazenen bieten sollten.
Ist man einmal in Tropea angekommen, nimmt die Altstadt den Besucher freundlich auf. Am Corso Vittorio Emanuele reiht sich Ristorante an Café und Bar an Boutique. Der Reiz des beliebtesten Touristenstädtchens von ganz Kalabrien: Im Gegensatz zu den aufgeräumten Orten im Norden Italiens ist hier nichts ganz perfekt, ein bisschen Unordnung herrscht immer. Und doch passt alles irgendwie zusammen.
Nach außen ist Tropea gut abgeschirmt, doch kaum betritt man zwischen den dicht an dicht stehenden Häusern eine der kleinen Terrassen über dem Meer, bieten sich atemberaubende Ausblicke. Bei gutem Wetter bis auf die Äolischen Inseln – Stromboli, wo aus den Öffnungen der beiden aktiven Vulkankrater glühende Lava fließt und sich dampfend ins Meer ergießt. Seit 2.300 Jahren ist der Vulkan tätig, den Seefahrern der Antike diente er als natürliches Leuchtfeuer. Mit dem Schiff vom Hafen von Tropea aus ist Stromboli in etwa eineinhalb Stunden erreichbar. Am Abend, wenn es langsam kühler wird und die schwarze Lava, die den Strand bedeckt, die Hitze des Tages wieder ausströmt, sieht man immer wieder vom Boot aus die glühende Lava, die der feuerspeiende Berg ausspuckt.
Atemberaubende Ausblicke gibt es aber auch schon auf dem „Nachbarfelsen“ von Tropea. Dort steht in einem verwunschenen Mittelmeergarten, umwuchert von Wolfsmilch und Kapernstauden, die Wallfahrtskirche Santa Maria Dell’ Isola. Einst war der Felsen vom Meer umschlossen, heute lässt er sich über eine steile Treppe vom Strand aus erklimmen. Das meistfotografierte Motiv der Region und beliebter Schauplatz für Hochzeiten ist allerdings in Gefahr: Die romantische blaue Grotte unterhalb der Kirche wächst und wächst und droht dem Gebäude das Fundament zu entziehen. Zehn Kilometer weiter im Südwesten erhebt sich Capo Vaticano mit seinem Leuchtturm, bei klarem Wetter reicht Blick von hier bis nach Sizilien. Umgeben ist das Kap von Buchten mit immer noch einsamen Stränden. Weniger spektakulär, aber auch nicht von den Touristenmassen überrollt: das malerische Fischerstädtchen Scilla, das von Felsen des Castello Ruffo überragt wird, und der Ort Pizzo, dessen Gelatiere sich rühmen, das Trüffeleis Tartufo erfunden zu haben.
„Pizzo“ ist aber auch das Wort, das viel mit der hässlichen Seite der Region zu tun hat. Es bezeichnet das Schutzgeld, das die ’Ndrangheta, die kalabresische Variante der Mafia, einhebt. Der geschätzte „Jahresumsatz“ mit kriminellen Aktivitäten aller Art soll 44 Milliarden Euro betragen, damit ist die ’Ndrangheta Europas mächtigste Mafiaorganisation. Ein Krake, dessen Arme bis nach Amerika, Russland und Australien reichen. In Kalabrien verbreiten die Mitglieder der blutsverwandten Clans immer noch Angst und Schrecken. Wenn etwa ein Bürgermeister den mehr oder weniger diskret geäußerten Wünschen nicht Folge leistet, kann es schon passieren, dass er einen abgeschnittenen Schafskopf vor seiner Tür vorfindet, dass sein Auto plötzlich abbrennt oder er Gewehrkugeln geschickt bekommt. Doch seit einiger Zeit wächst der Widerstand. Allein in der Hauptstadt Reggio Calabria bekennen sich 41 Geschäftsleute öffentlich dazu, kein Schutzgeld zu bezahlen, und auf der Internetseite www.reggioliberareggio.org bekunden 815 „kritische Konsumenten“ mit ihrem Namen, den Mut dieser Geschäftsleute zu unterstützen. Lieber Pizza als Pizzo.
GENUSSTIPPS
Kalabrien ist scharf. Und süß. Alles steht ihm Zeichen des Peperoncino. Der getrocknete Pfefferoni würzt die ’Nduja, die typische, weiche, sehr pikante salamiartige Wurst, die der Pasta oder der Pizza die feine Schärfe verleiht. Exportschlager der Region sind die besonders milden, roten Zwiebeln, die „Cipolle rosse“. Sie werden nicht nur verkocht, sondern zu Marmeladen und Pasten verarbeitet. Und dann sind die Eismacher von Pizzo stolz darauf, das berühmte Gelato Tartufo erfunden zu haben. In Kalabrien gedeiht außerdem die Bergamotte, eine seltene Zitrusfrucht. Das kostbare Öl in ihrer Schale ist die Basis fast aller feinen Duftwässer.
HOTELTIPPS
Villa Paola
In einem ehemaligen Kloster aus dem 16. Jahrhundert, elegante Zimmer, mit großem mediterranem Garten, Pool, Innenhof. Ca. 1,5 km bis Tropea. www.villapaolatropea.it
Piccolo Grandhotel
Hoch über Pizzo liegt der ehemalige Altstadt-Palazzo. Zwölf wunderschön renovierte Zimmer in Weiß und Türkis. Coole Bar, modernes Design, Frühstücksterrasse mit Meerblick. www.piccolograndhotel.com
Capovaticano Resort Thalasso & Spa
Dolce Vita plus: essen, trinken und kuren. Erholsames Resort mitten in unberührter Natur mit glasklarem Meer. Ca. 10 km bis Tropea. www.capovaticanoresort.it
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