Dank an FS

Letzte Woche ist Frank Schirrmacher gestorben. Dieser Tod hat mich an etwas erinnert.

Letzte Woche hat es mich kalt erwischt. Am Donnerstagnachmittag, als ich, ohnehin spät, eine hablustige Fußballkolumne für dieses gepflegte Familienfeuilleton abschicken wollte, kam die Nachricht, dass Frank Schirrmacher gestorben war. Ich war für den Rest des Abends etwas desorientiert. Zu meiner Desorientierung hat nicht unwesentlich beigetragen, dass ich keine Ahnung hatte, woher sie rührte. Ich kannte den FAZ-Herausgeber nur von einem Interview und einigen SMS, und dass mit ihm eine wirkliche Größe der deutschsprachigen Medienwelt die Bühne verlässt, schien mir als Auslöser dieser seltsamen Mentalattacke unplausibel. Dass ich, wie mir ein paar verwegene Ritter des Twitterordens sogleich vorhielten, zwei Tage vor seinem Tod etwas Boshaftes über ihn geschrieben hatte, war es auch nicht: Erstens geht mein durchaus vorhandener Größenwahn nicht so weit, dass ich mir zutrauen würde, einen wie Schirrmacher durch einen bübischen Tweet in den Infarkt zu treiben. Zweitens hat mich dieser handelsübliche Versuch von ein paar Digitalspießern, durch den impliziten Vorwurf der Pietätlosigkeit selbst an moralischer Statur zu gewinnen, nicht einmal wirklich geärgert, geschweige denn getroffen. Ähnlich erwischt hatte es mich in letzter Zeit nur, als mein Freund Krzysztof Michalski gestorben war. Und während ich das schreibe, glaube ich zu verstehen, was es ist: Da sind, zu früh, zwei Menschen gegangen, für die es im Kern darum ging, dass wir Menschen nicht unter unseren Möglichkeiten leben. Meine Desorientierung rührte nicht daher, dass ich jemandem, der plötzlich nicht mehr da ist, etwas schuldig geblieben war. Sie rührt daher, dass dieser Jemand mich daran erinnert hatte, dass ich mir etwas schuldig bin. Dafür werde ich Frank Schirrmacher noch eine Weile dankbar sein.

michael.fleischhacker@kurier.at

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