Kamptal: Alles im Fluss
Einer dieser drückend heißen Sommertage, an dem sich die Hitze über Wien legt. Die meisten Bäder der Stadt haben bereits die blaue „Ausverkauft“-Fahne gehisst. In der Wohnung steht die Luft. Alle Wege, sich an solch einem Tag Erfrischung zu verschaffen, sind verbaut? Nein, nicht alle. Einer davon dauert nur knapp eine Stunde und führt ins Kamptal. Der Zufluchtsort an diesem Ausnahmewochenende ist rot-weiß gestreift und liegt direkt am Wasser. Rutsche, Wellenbad, Erlebnisbecken gibt’s hier nicht – das Flussbad von Plank am Kamp hat vieles nicht, was andere Bäder attraktiv macht.
Ein Erlebnis ist das vor gut 100 Jahren errichtete Bad trotzdem – oder gerade deshalb. An den Tischen auf der Terrasse haben sich Familien mit ihren Proviantdosen niedergelassen. Ein älteres Paar hat einen riesigen Zeitungsstapel mitgebracht und widmet sich ausführlich der „Zeit“-Lektüre, ab und zu klettern sie über die leicht angerostete Leiter ins kühle, frische Wasser des Flusses. Es ist seidenweich, auf der Oberfläche treiben Blätter, am anderen Ufer schaukelt ein vertäutes Ruderboot. Das Kamptal ist die milde Seite des wilden Waldviertels. Obwohl der 153 Kilometer lange, mäandernde Fluss, dessen Name „krumm“ bedeutet und der bei Krems in die Donau mündet, auch anders kann: Beim „Jahrhunderthochwasser“ im August 2002 unterspülte er Straßen, riss Brücken weg, beschädigte Tausende Häuser und nahm den Menschen ihr Hab und Gut.Doch davon ist jetzt nichts mehr zu spüren. Schon gar nicht von oben, von der Kamptal-Warte auf dem 351 Meter hohen Hausberg der Region, dem Heiligenstein, von wo man an klaren Tagen bis zum Schneeberg und zum Ötscher sehen kann. Wer das Kamptal kennenlernen will, der sollte sich ohnehin nach oben begeben. Auf die Ruine Gars beispielsweise, den Stützpunkt der Babenberger vor beinahe 1.000 Jahren, eine der ältesten Burgen Österreichs, die seit mittlerweile 24 Jahren im Sommer Schauplatz von Opernaufführungen ist. Heuer: „Der Freischütz“.
Oder auf Schloss Rosenburg, zu einer Greifvogelvorführung der Falkner in ihren historischen Gewändern, zu einem Konzert oder einfach in den wunderschönen Rosengarten.
Doch auch zu ebener Erde ist das Kamptal spannend. In Langenlois, wo auf dem Kornplatz, dem ehemaligen Getreidemarkt, das komplette Ensemble der historischen Bürgerhäuser erhalten ist. Gleich ums Eck, im „Loisium“, der modernen Weinerlebniswelt, als Kontrastprogramm. Oder nur ein paar Autominuten weiter, in Schiltern, wo in den Schaugärten der „Arche Noah“ alte Kulturpflanzen gehegt und gepflegt werden. Die Annehmlichkeiten von schöner Landschaft mit der Nähe zu Wien wissen und wussten auch zahlreiche Künstler zu schätzen. Falco hatte sich in Gars eine Villa zugelegt. „Glock’n“-Sängerin Marianne Mendt lebt am Kamp, die großartige Schauspielerin Erni Mangold ebenso. Und ihre Kollegin Anne Bennent hat sich mit ihrem Lebenspartner, dem Akkordeonvirtuosen Otto Lechner, und ihren Kindern ebenfalls in Gars angesiedelt. „Es ist der einladende Fluss, um den sich alles dreht. Hier haben wir alles, was wir brauchen.“ Für den Stadtflüchtling auf Zeit, der wieder zurück muss, ist das Bad im Fluss nur eine von vielen Freuden. Am Abend bei einem Heurigen unter einem Obstbaum zu sitzen, mit den nackten Füßen das kühle Gras zu spüren, vor sich auf dem Teller „Saure Eier“ mit Essig Öl und Zwiebel, oder ein „G’selchtes Hendl“ – auch das ist ein Stück vom Glück. Nur knapp eine Stunde von Wien entfernt.
EINTAUCHEN
Badefreuden wie damals am Kamp: im idyllischen Flussbad Plank oder auf der „Badewiesn“ Stiefern. Modern mit allem Drum und Dran im Erlebnisbad Gars.
ÜBERNACHTEN
Stylisch im Loisium mit Spa, elegant in der Jahrhundertwende-Villa oder bodenständig im Weingut.
www.loisium.comwww.waldpension-gars.atwww.weingut-hagmann.at
ANSCHAUEN
Alles rund um den Wein sieht man in der Weinerlebniswelt Loisium (o.). Große Oper auf der Ruine Gars, Greifvogel-Vorführungen auf der Rosenburg, oder eine Fahrt mit der Dampfeisenbahn auf der 125 Jahre alten Kamptal-Bahnstrecke mit ihren historischen Brücken.
www.loisium-weinwelt.atwww.operburggars.atwww.rosenburg.atwww.railtours.aterlebnisbahn.html
GENIESSEN
Alles dreht sich um den Wein. Beim Bründlmayer zum Beispiel, einem der besten Heurigen des Landes, bei den zahlreichen Buschenschenken und den Kellergassenfesten in der Region. Bis 13. Juli beim Kellergassenfest in Lengenfeld, oder vom 18.-20. Juli in Etsdorf.
AUSPROBIEREN
Den Schinken von Fleischhauer Schober und seiner Waldviertler Bio-Wurst Manufaktur in Gars-Thunau. Der Babenberger-Speck reift im Keller der Ruine Gars und man kann ihn auch im Internet bestellen. Um alte Obstsorten, Samen und Slowfood geht es in der „Arche Noah“ Schiltern.
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