Wind, Wellen, Wunder

Wind, Wellen, Wunder
Europas schönste und spannendste Segelreviere in einer sehr persönlichen Wertung. Wer diese Wahl hat, hat nicht die Qual, sondern kann je nach Kälteempfinden, nach Liebe zur Einsamkeit, nach sportlichem und nautischem Ehrgeiz entscheiden.

Von der Insel der Kalypso bis an die türkische Rivera, von den sagenhaften Isles of Scilly vor Cornwall bis zur traumhaften Algarve im Süden Portugals, vom Nordkap bis zur Ostsee-Sandbank Hannibal, vom gespenstischen Vulkan Stromboli in die Straße von Bonifacio, von den wildromantischen Revieren Mallorcas bis in die Meereswüste der Kornaten in Dalmatien.


Charter-Yachten in allen Preis- und Komfortklassen gibt es in all diesen Revieren. Viele der versteckten Naturwunder Europas sind praktisch nur vom Meer aus erreichbar. Und eines ist sicher: Über Land muss man sich oft durch Großstädte und Industriegelände, durch Gewerbegebiete und Plattenbausiedlungen schlängeln, um an den ersehnten Urlaubsort zu gelangen. Entdeckt man Europa jedoch vom Meer aus, so zeigt es sich meist gleich von Anfang an von seiner schönsten Seite.

Die Hitparade der schönsten Segel-Reviere Europas mit Odysseus zu beginnen, ist nicht rasend originell. Doch nach mythologischer Auswertung wurde Lipsi als Insel Ogygia identifiziert. Auf dieser hielt die Nymphe Kalypso den Helden Odysseus in süßer Gefangenschaft. Einsame Ankerplätze, keine Disco-Boote, keine Touristen-Fallen im märchenhaft geschützten Hafen, nur eine brauchbare Taverne im einzigen Dorf mit 800 Einwohnern, Blumen, wohin man schaut. Was die weißen Kapellen mit ihren blauen Dächern betrifft, habe ich bei vierzig aufgehört zu zählen. Schäfchen könnte man auch zählen auf den sanften Hängen. Und Ziegen. Bei Maultieren und Eseln fällt einem das Zählen leichter, denn die stehen wie ausgestopft im Schatten der Olivenbäume.


Wer an Wunder glaubt: Auf Lipsi gibt es wohl mehrere zu erleben, aber eines ganz sicher. Zu Stroh vertrocknete Lilien an einer Ikone in der größten Kirche der Insel bekamen im April 1943 Knospen. Das Naturschauspiel ist seither Jahr für Jahr dort zu beobachten.
Nicht durch dieses Wunder, sondern durch seine wunderbare Lage spielt der wenig bekannte Außenseiter Lipsi in der Liga der schönsten Reviere mit: Die 16 Quadratkilometer kleine Insel der südlichen Sporaden mit unzähligen unbewohnten Trabanten liegt im windbegünstigten Dreieck zwischen dem berühmten Patmos, sowie den Inseln Agatonisi und Leros.

2. Kornaten bis Hvar, Kroatien

Die Kornaten bilden ein faszinierendes Wechselspiel aus Wüste und Meer. 150 verkarstete, kaum bewachsene Felsinseln mit guten, aber teuren Wirten in geschützten Buchten. Alle Skipper haben Geheimtipps für den Kornaten-Nationalpark parat, doch in Wahrheit ist jeder Winkel des Insellabyrinths eine Sehenswürdigkeit.


Zwischen dem Süßwassersee Mir, der direkt über der Steilküste der Insel Dugi Otok liegt, bis zur Stadt Hvar liegen neunzig Seemeilen (170 km). Wer von den Kornaten zu den auch kulinarisch paradiesischen Pakleni- Inseln segelt, die vor dem historischen Hafen Hvar liegen, erlebt alle Facetten eines Reviers, das 120 Jahre lang zu Österreich-Ungarn gehörte.

3. Nordkap, Norwegen

Wer die Enttäuschung wegsteckt, dass das Nordkap nicht der nördlichste Punkt des europäischen Festlandes ist, weil es auf einer Insel liegt, wer gern zu Mitternacht ohne Lampe Seekarten liest, wer begreift, dass der Sommer über den Lofoten eben anders ist, wer trotzdem mit den Norwegern baden geht und nebenbei ihre spezielle Gastfreundschaft genießt, der ist hier richtig. Wetterfest und verantwortungsvoll muss man sein zwischen gigantischen Felswänden, Gletschern und bunten Dörfern. Ein Segelerlebnis fast ohne Wellengang in den weit verzweigten Fjorden.

4. Ölüdeniz, Türkei

Ölüdeniz bedeutet „totes Meer“. Nicht sehr treffend. Abgesehen davon, dass die Bucht ruhig liegt. Oder besser: einst lag. Denn das Wasser in allen Aquamarin-Tönen und der weiße Sandstrand sind dem Massentourismus nicht verborgen geblieben. Auch ein paar Architekten durften sich hier verwirklichen. Man muss Ölüdeniz trotzdem sehen. In den Buchten rund um das Südwest-Kap der Türkei, das streng genommen zu Asien zählt, findet man neben Schutz vor der oft ruppigen See auch die ersehnte Einsamkeit.

Stromboli ist buchstäblich Hotspot: ein ständig tätiger Vulkan. Wer nicht über Nacht in einer der Buchten vor Anker liegt, versäumt das gruselig-schöne Schauspiel. Die Flucht wäre notfalls simpel, denn der Wind ist meist gut. Stromboli bildet mit Lipari, Salina, Vulcano, Panarea, Filicudi und Alicudi die wunderbare Gruppe der Äolischen Inseln. Daher ist es ratsam, dem Windgott Aeolus den ersten Schluck jeder Flasche zu spendieren.

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