Schöne, böse Bräuche

Schöne, böse Bräuche
Die Tresterer, der Klaubauf, der Niglo und das Anklöpfeln. Die Weihnachtszeit ist die Zeit der Traditionen. Wild und fröhlich. Beschaulich und ausgelassen. Das Brauchtum ist die Liturgie des Volkes.

Wenn über den Punschständen der Großstädte Zimtduft wabert und die Christkindlmärkte mit Weihnachtsliedern dauerbeschallt werden, kann es auch auf dem Land laut werden. Es heißt zwar, Weihnachten ist die stillste Zeit im Jahr, doch das stimmt nicht immer. Vor allem dann, wenn es um Brauchtum geht. Brauchtum, das seit vielen Generationen gepflegt und weitergegeben wird. Und in dem es zugeht, wie im richtigen Leben. Da kämpft das Gute gegen das Böse, da geht es um Geben und Nehmen. Um Orientierung und Werte in einer Welt, die unübersichtliche geworden ist. „Es muss feste Bräuche geben“, ließ Antoine de Saint-Exupéry den Fuchs zum Kleinen Prinzen sagen. Bräuche sind die Liturgie des Volkes – auch wenn sie mitunter gar nicht so christlich daherkommen.
Rund um den 6. Dezember, den Festtag des Heiligen Nikolaus, erreicht das Treiben einen ersten Höhepunkt. Lichte und dunkle Gestalten ziehen durchs Land. Nikolaus, der Gute, und sein ruppiger Begleiter, der Krampus. Jeder Ort pflegt das Brauchtum auf seine Weise. Sanft oder wild.

Krampus und Niglo: Die Rituale des Brauchtums geben vielen Menschen die Sicherheit, die sie im Alltag vermissen. Das Beruhigende daran: Das Gute siegt

Eher ruhig geht es beim Windischgarstener Niglo-Umzug zu. Am Vorabend des 6. Dezember zieht eine bunte Gesellschaft durch den Ort in Oberösterreich. Rund 30 Personen sind es mit fixer Rollenverteilung: Der Nachtwächter, der Nigloherr in städtischer Kleidung, die Niglofrau, eine junge Frau mit weißem Kleid und Krone, die Nigeln, Krampusse, verkleidet mit Pelz und Larven und mit Schellen und Birkenruten ausgestattet, Engerln und Teuferln. Vor dem Heimathaus tragen sie Gedichte vor und beschenken die aufmerksam lauschenden Kinder.
Im Salzburgischen geht es lauter und ungehobelter zu. die Wilde Jagd macht das Untersberggebiet unsicher. Geheimnisvoll und ein bisschen unheimlich.
Ohne Ankündigung – plötzlich sind sie da, sobald die Dunkelheit hereingebrochen ist. An jedem zweiten Donnerstag im Advent kommen sie daher: der Tod als Rufer, die Hexe, das Hahnengickerl, die Habergoaß mit dem langen Hals, das hutzelige Moosweibl, der Riese Abfalter, der Rabe. Sie pochen ans Fenster und rufen den Hausbewohnern ihren Spruch zu: „Glück hinein, Unglück heraus, es geht das Wilde Gjoagd ums Haus.“

Im Tiroler Unterland geht es gleich an drei Donnerstagen vor Weihnachten in den „Klöpflnächten“ hoch her. Als Hirten verkleidete Sänger, die Anklöpfler, ziehen mit Musikanten von Haus zu Haus. Wenn sie hereingebeten werden, singen sie Lieder, die die frohe Botschaft von Jesu Geburt verkünden. Als Lohn erhalten sie ein Getränk, eine kleine Jause oder auch Geld, das einem karitativen Zweck zugute kommt.Warm anziehen – und das nicht nur, was die Kleidung angeht, sollte man sich in Matrei in Osttirol. Der Klaubauf geht um.

Von 4. bis 6. Dezember toben in Schaffelle gehüllte Gestalten durch die Gassen im „Marktle“, wie die Einheimischen ihren Ort nennen. Mit breiten Ledergurten haben sie riesige Schellen auf den Rücken geschnallt, auf dem Kopf tragen sie furchterregende Larven mit Tierhörnern. Zartbesaitete sollten das Treiben lieber von sicheren Balkonen oder Fenstern aus verfolgen. Die Zuschauer am Straßenrand können den „Klaibeifen“ schon einmal in die Quere kommen und den einen oder anderen blauen Fleck davontragen. Vor allem beim großen Abschluss am Abend des 6. Dezember auf dem Hauptplatz steigert sich das wilde Toben immer mehr und entlädt sich mitunter in gar nicht zimperlichem Gerangel und in Raufereien.

Je näher das Weihnachtsfest, desto friedlicher die Bräuche. Beim Frautragen im Salzburger Pongau. Die Frauträgerinnen sind allesamt in dunkle Röcke gehüllt, tragen schwarze Kopftücher und rotbraune Schultertücher.

Die „Frau“, das ist ein 250 Jahre altes Marienbild, mit dem sie an den Adventwochenenden die Familien des Ortes besuchen und das Glück, Segen und Schutz für das Haus bringen soll. Am Heiligen Abend wird „die Frau“ für die Christmette vor den Altar gestellt.
Beschaulich geht es beim Christbaumtauchen in Zell am See zu. Am Abend des Weihnachtstags holen Taucher der Wasserrettung einen geschmückten Christbaum aus den eisigen Fluten des Zeller Sees und bringen ihn begleitet von Musik im Schein von Fackeln ans Ufer.

Sobald das Weihnachtsfest vorbei ist, haben Krampus und Klaubauf ausgedient, zu Jahresbeginn regieren Perchten, Tresterer und Glöckler. Die weißgekleideten „Passen“ rund um den Wolfgangsee und in der Stadt Salzburg mit ihren leuchtenden Kappen. Oder die Schnabelperchten mit den riesigen Vogelköpfen in Rauris. Ihre Ausstattung: Ein Besen zum Reinigen, eine Schere zum Bauchaufschneiden. Sie kehren den Unrat aus den Stuben und stopfen ihn, so die Legende, den Schmutzfinken in den Bauch. In der Butte auf dem Rücken können sie Bösewichte forttragen.

Die Tresterer, die um den Dreikönigstag in Unken, Zell am See, Stuhlfelden oder Bruck im Pinzgau auftreten, führen ihren stampfenden, monotonen Tanz auf. Übriggeblieben aus einer Zeit, in der das Korn noch mit den Füßen gedroschen wurde.

Und noch bevor beim Aperschnalzen endgültig der Winter vertrieben wird, ziehen die Sternsinger von Haus zu Haus. C+M+B malen sie an die Türe.

Und das heißt nicht wie die Weisen aus dem Morgenland „Caspar, Melchior und Balthasar“, sondern es bedeutet den Haussegen: Christus mansionem benedicat.
Die Österreicher lieben ihr Brauchtum. Vielleicht, weil es ihnen die Wärme und Sicherheit gibt, die ihnen im Alltag fehlt.

Die UNESCO schützt auch immaterielles Kulturerbe. Dazu zählen gesellschaftliche Praktiken, Rituale und Feste, die von einer Generation an die nächste weitergegeben werden, die Identität und Kontinuität stiften, und an denen möglichst viele Gruppen und Gemeinschaften beteiligt sind, die dieses Erbe pflegen und weitergeben. In Österreich wurden unter anderem der Windischgarstener Niglo-Umzug, das Anklöpfeln, die Sternsinger im Villgratental und Stille Nacht, das Lied zur Weihnacht, aufgenommen.


immaterielleskulturerbe.unesco.at

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