Rennfahrtraining: Speed-Dating mit Profis

Rennfahrtraining: Speed-Dating mit Profis
Die freizeit im Geschwindigkeitsrausch. Beim Rennfahrer-Kurs mit dem früheren Formel-1-Star Mark Webber. Für uns am Start: Eine Redakteurin, die die letzten Jahre nur Beifahrerin war.

In einem Formel Renault 2.0 sitzt der Pilot nicht wie in einem normalen Auto. Er liegt. Die Beine ausgestreckt in der stanitzelförmigen Front, der Kopf in Sturmhaube und Helm. Jeder Herzschlag treibt die Temperatur im Rennanzug höher. Von oben sticht die Sonne, von unten glüht der Asphalt. Höllenhitze im Höllenauto.

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Sandro Zangrando/Tagheuer

Das soll das Highlight werden: die Fahrt mit dem Formel Renault 2.0.

Beifahrerdasein ade

Eine Fahrt mit dem Renault ist der Höhepunkt des Renntrainings „Go with your Pro“, zu dem der Luxus-Uhrenhersteller TAG Heuer die am Formel-1-Ring in Spielberg eingeladen hat. Zwei Tage lang sollen die Teilnehmer auf Rennprofi trainiert werden. Und ich bin dabei. Eine, die nach zig Jahren bequemen Beifahrerdaseins erst seit kurzem wieder selbst das Steuer in die Hand nimmt. Eine Wiedereinsteigerin am Lenkrad unter Motorfans und -journalisten, auf der Suche nach dem Adrenalinkick. Ist das noch Mut oder schon Größenwahn?

Fit für den persönlichen Rundenrekord

Ex-Formel-1-Star Mark Webber und Patrick Friesacher, ebenfalls ehemaliger Formel-1-Pilot, sollen unsere Gruppe, zwei Frauen, zwölf Männer, fit für den persönlichen Rundenrekord in Spielberg machen. Ein Speed-Dating mit drei Power-Sprintern: dem KTM X-Bow, dem Nissan 370Z und dem Formel Renault 2.0. Unterschiedliche Autos mit unterschiedlichem Temperament. Vor allem letzterer flößt selbst den Rennerfahrenen unter uns Respekt ein.

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Sandro Zangrando/Tagheuer

Geht's wirklich nur ins Fahrtraining? Anschnallen im KTM X-Bow

Sturmhaube und Helm

Wir beginnen im Driving Center, dem Übungsplatz am Gelände des Red Bull-Rings. Ein Parcours mit Hütchen, unterschiedlicher Bodenbeschaffenheit und Streckenführung. Zuvor werden wir ausgestattet – mit Sturmhaube und Helm. Feuerfeste Rennanzüge, Hand- und Turnschuhe wird es erst am Final-Tag in der Boxengasse geben, wo auch für jeden ein Formel Renault bereit steht. Noch weiß ich nicht, ob ich mich ganz darauf einlassen werde.

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Sandro Zangrando/Tagheuer

Das Lenkrad wird erst montiert, wenn der Pilot sitzt

Die Hände flattern

Aber zunächst zu Speed-Dating-Kandidat Nummer eins, dem KTM X-Bow: 790 Kilo, 330 PS. Von 0 auf 100 in 3,9 Sekunden. „Lernt das Auto kennen, findet heraus, wie es auf euch reagiert. Runde für Runde werdet ihr euch steigern und sicherer“, gibt uns Patrick Friesacher mit auf die erste Fahrt. Das Lenkrad wird erst montiert, wenn der Pilot sitzt, das Einsteigen wäre sonst unmöglich. Wir fahren in Zweier-Teams. „Willst du, soll ich?“, fragt mein Rennkollege. Ich gebe mir einen Ruck, übernehme das Steuer. Die Hände flattern beim Aufsetzen der Sturmhaube, ich brauche Unterstützung beim Anschnallen, beim Lenkrad-Montieren, beim Starten. Eine Brigade an Helfern ist während der Trainings an unserer Seite. Es wird festgezurrt, zurechtgerückt, auf Knöpfe gedrückt.

Bremsen und lenken gleichzeitig? Keine gute Idee

„Nummer drei kann mehr Gas geben“, sagt Patrick über Funk. Nummer drei bin ich. Grade war’s so gemütlich. Aber es geht hier nicht ums Spazierenfahren. „Steigert euch in eurem eigenen Tempo. Hier habt ihr die Möglichkeit.“ Die anderen Fahrer lassen ihre Reifen quietschen, stellen ihr Auto quer, geben Gas. O.k., ich drück das Pedal bis zum Anschlag, dann vor der Kurve abbremsen, in den zweiten Gang, Kupplung langsam kommen lassen. Laaaaangsam. Das war zu schnell. Bremsen und Lenken gleichzeitig ist keine gute Idee. Das Heck bricht aus, der X-Bow dreht sich um die eigene Achse. Erst viele Runden später kapier ich das Zusammenspiel von Kupplung, Bremse, Lenken, Gasgeben und werde tatsächlich schneller.

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Sandro Zangrando/Tagheuer

Kurvenprofi Mark Webber trainiert uns - hoffentlich zur Bestform

Hit it, hit it, hit it!

Weiche Knie und Glücksgefühle liegen an Tagen wie diesem eng beieinander. Das findet auch Margret. Sie hat ihrem Mann das Abenteuer zum Geburtstag geschenkt. Ist als Beifahrerin mit an Bord. Fährt mit, wo es geht. Nächstes Mal, sagt sie mir, will sie selbst fahren. Nur dem Renault 2.0 traut sie nicht über den Weg. Zu Recht?
„Hit the Pedal! Hit it, hit it, hit it!“, ruft Kurvenprofi Mark Webber ins Walkie Talkie. Gerade eben hat er in der Pause ein paar Zuschauern im Driving Center Autogramme gegeben. Immer in seiner bewährt lockeren, smarten Art. Er weiß, dass die Fans für den Motorsport wichtig sind. Jetzt hilft er uns, den Punkt fürs Driften auf der rutschigen Kreisbahn zu finden. Immer noch im KTM X-Bow. Nicht zu schnell in den Kreis einfahren, einlenken, dem Gaspedal einen gut dosierten Stoß geben. „Hit it now!“ Blitzartig Gegenlenken. Gefühlvoll Gas geben, um die Kreismitte zu verlassen, Gas wegnehmen fürs Gegenteil. Wer driften kann, beherrscht sein Auto.

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Annemarie Josef

Margret hat ihrem Mann das Abenteuer zum Geburtstag geschenkt. Nächstes Mal will sie auch selbst ans Steuer - das Probesitzen fühlt sich schon gut an

Straße der Profis

Mit Porsche-Langstrecken-Weltmeister Mark Webber geht es noch am ersten Tag auf die Spielberg-Rennstrecke, die Straße der Profis. Es wird ernst! Das Gefühl für die so genannte Ideallinie ist das Wichtigste. Sie führt durch die Kurve, ohne Schwung zu verlieren, immer am Limit, den Boliden stets unter Kontrolle. Denn, so heißt es, nicht die Gerade entscheidet über Sieg oder Niederlage, sondern die Kurve. Also dem Ex-Formel-1-Star hinterher. Wir sitzen in den bewährten Zweierteams im 330 PS-starken Nissan 370Z. Der zweite Kandidat unseres Speed-Datings. Der Nissan verfügt im Gegensatz zum X-Bow und zum Formel Renault über elektronische Fahrhilfe und Automatik.

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Sandro Zangrando/Tagheuer

Mark Webber ist während der ganzen zwei Tage für seine Rennfahrschüler da.

Follow Mark

Wir folgen Mark. Blick voraus eine scharfe Rechtskurve. Stand auf dem Tacho gerade 200? Gas weg und bremsen, bremsen, bremsen. Das ist kein Kinderspiel. „Trust the car“. Vertrau dem Auto, brems nicht zu früh, aber rechtzeitig, press dich an den äußeren Kurvenrand, und: „Look at the Corner“. Die Anweisungen, die Rennprofi Mark Webber über Funk gibt, sind kurz und klar. Ich höre seine Stimme, aber der Inhalt kommt nicht immer bei mir an.

Good Job

„Gib Gas, gib Gas, hier kannst du draufdrücken!“, sagt dann auch der Beifahrer. Oder: „Bremsen!!!“ Runde um Runde geht es besser. Und plötzlich komm ich rein in den Flow. Vor mir die langgezogene Linkskurve. Jetzt weiß ich, wie man sie nimmt. „Enjoy it“, ruft Mark Webber. Genießen am Limit. „Das war eine schöne Linie“, sagt der Beifahrer. Ich muss sein Gesicht nicht sehen, ich weiß, wir haben beide dieses Glücksgrinsen im Gesicht. „Good job“, sagt Mark über Funk.

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Sandro Zangrando/Tagheuer

Letzte Anweisungen vor dem Start auf den Ring

Wrooommm ...

Am zweiten Tag Red Bull Ring füllt sich das Gelände hinter Boxengebäude und Fahrerlager von Stunde zu Stunde mit immer mehr Menschen und Autos. Alte Trucks, Rennschlitten und mehr. Die Vorhut einer Veranstaltung. Bei Start und Ziel gibt es jetzt einige Zuschauer mehr – und natürlich Mark-Webber-Fans. Ein Autogramm, ein Selfie? No problem. Wer will, wird Zeuge unseres Finales mit dem dritten Speed-Dating-Kandidaten, dem Formel Renault 2.0. Helfer gehen von Wagen zu Wagen, ziehen unsere Gurte fester, drücken uns noch tiefer in die Sitzschale. Mark Webber winkt mir zu. Er weiß, wie mir zumute ist, hört nicht auf zu winken. Jetzt übertreibt er gar. Ach so, ich soll das Visier runterklappen. Das beschlägt sofort. Einatmen, ausatmen. 615 Kilo, 205 PS. Von 0 auf 100 in 3,5 Sekunden. Wir starten die Motoren. Wrooommm – das ist Größenwahn!

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Sandro Zangrando/Tagheuer

In den letzten Momenten geht einem alles Mögliche durch den Kopf. Vielleicht doch lieber aussteigen ....?

Ich. Will. Hier. Raus.

Die Rakete setzt sich in Bewegung. Jetzt die Gänge raufziehen – ohne zu kuppeln. Dem Profi hinterher. Ich bin die letzte in der Reihe. Bei der ersten Kurve klappt das Runterschalten, aber der Abstand zu meiner Gruppe wird groß. Obwohl ich den Renault für mein Gefühl rasend schnell auf Tempo habe. Irgendwas höre ich über Funk. Galt das mir? Weit und breit bald nur der Asphalt und ich. Die anderen sind weg. Einen helfenden Beifahrer gibt es auch nicht. Der Motor heult auf. Das war wohl der falsche Gang. Und Hilfe, da ist die nächste Kurve. „Brake – look at the Corner – lean in it – enjoy“ red ich mir zu. Mark wo bist du? Der Motor heult noch lauter, aber ich krieg die Kurve. Und. Ich. Will. Hier. Raus. Bald kommt die Ausfahrt zur Boxengasse – die ich leider verpasse. Und so kommen noch ein paar Höllenrunden dazu. Ich kreise am Limit. Nehme noch mehr Tempo raus – Rennschneckentaktik.

Zurück in der Boxengasse

Dann bringt mich der Renault 2.0 zurück in die Box. Jemand nimmt mir den Helm vom Kopf, befreit mich von den Gurten, stützt mich beim Herausschälen aus dem wilden Auto. Margret gratuliert ihrem Mann, aber auch mir. „Toll, dass du den Mut hattest. Das würd ich mich nicht trauen.“ Wenn ich so drüber nachdenke, ich auch nicht. Aber ich würde es wieder tun. Wrooommm!

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Annemarie Josef

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