Das Alte, das Neue
Wir sind also jetzt im "Dazwischen" und das ist… – ein spezielles Gefühl. Eines, mit dem nicht alle etwas anfangen können und das trotzdem reizvoll ist. Das Alte ist noch nicht abgeschlossen, das Neue noch nicht da – das klingt ein bisschen nach Hesse, Rilke und Schwermut. Vielleicht wird diese Phase des Jahres deshalb von manchen Menschen als fad und düster empfunden – und nutzlos. Anders betrachtet wird uns aber Zeit geschenkt, das birgt Möglichkeiten. Das Tun darf endlich pausieren, ohne dass einer sagt: Tu was!
Stattdessen wird ausgeatmet und Energie für die Zukunft gesammelt. Hätte diese Zeit eine Form, sie wäre wohl eine Null – alles möglich, alles offen, viel Raum, Loslassen und Aufbruch zugleich. Das Ganze acht Tage lang oder gar 12.
Wie es zur "Zeit zwischen den Jahren"“ kam? Bei den Ägyptern wurde das Jahr auf 360 Tage begrenzt, die restlichen fünf Tage lagen "außerhalb" des Jahres. Die Menschen nannten sie "Heriu-renpet". Die "12" wiederum kommt vom Jahreslauf, wie er vor Einführung des Gregorianischen Kalenders verstanden wurde. Das Jahr wurde vom Lauf der Sonne und des Mondes bestimmt – die zwölf fehlenden Tage und Nächte fielen "aus der Zeit", das neue Jahr begann erst am 6. Jänner.
Schwarze Nächte
Schließlich die Mystik. Immer schon hatte die dunkelste Phase des Jahres etwas Besonderes – es ist die Zeit der Rauhnächte, der "schwarzen" Nächte, der Höllenwesen und ahnenden, murmelnden Großmütter. Das Geisterreich stand offen. Perchta, die Göttin des Übergangs vom Alten zum Neuen, aber auch der Spinnerinnen, verbot, dass zwischen den Jahren gesponnen wird, geputzt oder gewaschen. Die Räder standen – als Metapher für das Jahresrad – still. Stattdessen sollte man im Einklang mit der Natur innehalten, bevor sich das Rad erneut zu drehen beginnt, heißt es bei Elfie Courtenay im Buch "Rauhnächte".
Diese luden schon immer dazu ein, über Erlebtes Rechenschaft abzulegen. Alles scheint dabei einzufrieren – eine fast schon unheimliche Ruhe, die manche Menschen für sich nützen, indem sie reflektieren. Andere wiederum "chillen" einfach nur, genießen die Pause. Knotzen herum, spielen Spiele, lesen die neuen Bücher und surfen zwischen "Tatsächlich Liebe" und "Dinner for One" hin und her. Dazu gibt’s Vanillekipferl. Und Vanillekipferl.
Zwischenräume
Es lohnt sich dennoch, auch seelisch Halt zu machen und still zu werden. Ein passendes Bild dazu kommt von Fleur Sekura Wöss, die Zen-Seminare veranstaltet. Sie spricht von der "Poesie des Zwischenraums", wie sie in besonderen Momenten in der Musik, vorkommt. Der Gesang endet, die Symphonie ist aus – das Publikum ist so ergriffen, dass es für Minuten einfach nur nachspürt. Dann erst der Jubel. Was der Pianist Vladimir Horowitz so umschrieb: "Es ist die Stille, die zählt, nicht der Applaus." Wöss spricht von der Energie der Pause – und erzählt weiters vom Musiker Leonidas Kavakos, der in seinen Konzerten mit Stille experimentierte. Er meinte, dass Stille für ihn die höchste Art der Kommunikation sei: "Stille ist jenes Mysterium, aus dem alles geboren wird." Mozart sagte: "Die tiefste Musik steht zwischen den Noten." Der Zwischenraum hat aber nicht nur in der Musik Bedeutung – sondern überall im Leben.
"Wir brauchen eine Revolution der Leere", sagt Wöss und regt Menschen an, mehr "nichts" zu tun. Weil das, was nicht ist, genauso wichtig sein kann, manchmal sogar wichtiger. Guter Gedanke – und so natürlich. Aus Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin regiert um den Winterbeginn das "große Yin". Die Natur zieht sich zurück, sammelt Kräfte, um im Frühjahr zu erwachen.
Die Zeit zwischen den Jahren steht für dieses Kraftholen. Indem der Mensch sich und seine Gedanken ausklingen lässt, schafft er Platz für das, was kommt.
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