Stil trifft Geschichte
Über dem Bartresen, der anmutet, wie der Kiel eines Schiffes, verläuft eine rote Stahlschiene, darauf ein gelbes Warnschild: „Das Verweilen unter den Lasten ist verboten.“ Früher einmal transportierte hier ein Kran riesige Trichter mit Sand. Der wurde in Formen gekippt, in denen Kirchenglocken gegossen wurden. Bis vor einigen Jahren.
Heute werden hier zwar keine Glocken mehr gegossen, die Spuren der Vergangenheit sind in dem geräumigen Industriebau in Salzburg-Kasern aber immer noch präsent. Nicht nur, weil sein Name weiterhin „Gusswerk “ lautet. „Wir wollten in dem Gebäude Lofts im eigentlichen Sinn des Wortes schaffen“, sagt Marco Sillaber, einer der drei Eigentümer des Gusswerks. Ein Speicher oder Industriebau also, der eine neue Nutzung erfährt.
Im Fall des Gusswerks sind diese Lofts an Mode-, Sportartikelgroßhändler und Lifestyle-Unternehmen vermietet. Und an die Hotel- & Designwerkstatt, die HDW. Das ist ein Zusammenschluss von 70 Unternehmen – Handwerk, Industrie, Gewerbe und Handel – die ihre Produkte in einem Schauhotel präsentieren. In Schauzimmern, die derzeit unter dem Titel „andersRoom“ nach Plänen der Architekten Ursula Fuss und Matthias Hoffend als multifunktionale Hotelzimmer für die Bedürfnisse von Alt und Jung gleichermaßen umgebaut werden. Dazu gibt es eine Schauküche und eine Bar. Als Ideenlieferant für Fachpublikum aus Hotellerie und Gastronomie und für Private, die sich für stylisches Design begeistern können. Dazu hat am 1. Mai neben dem jetzt schon geöffneten Restaurant „GUWE“ das fashionable Arosa aus Kitzbühel das Restaurant „Heimatliebe“ mit Spitzenkoch Andreas Senn als Sommerlocation aufgesperrt.
Doch dazwischen ist überall die Vergangenheit spürbar. Metalltreppen, die die Ebenen in dem mehr als 100 Jahre alten Backsteinbau miteinander verbunden haben, werden immer noch genutzt.
Modern trifft auf Alt: Stylisches Design in den alten Fabrikshallen.
Etliche Wände blieben unverputzt und in den großen ehemaligen Fabrikshallen blieb die Dachkonstruktion sichtbar. Waren es zunächst Glocken, die hier hergestellt wurden, hatten die Zeitläufte Einfluss auf die Produktion: Ab 1939 verließen Granaten und Haubitzen für die Wehrmacht die Fabrikshallen. Danach wurde es endlich wieder friedlich. 1961 wurde eine Rekordglocke gegossen. Sie wiegt fast 27 Tonnen und läutet im Salzburger Dom. Das zweitgrößte Stück, die Friedensglocke „Concordia 2000“ ist immerhin noch 18 Tonnen schwer und 3,11 Meter hoch. Das gute Stück steht auf 2.275 Meter hoch gelegenen Gipfel des Kronplatz in Südtirol und ist einer der zehn größten freischwingenden Glocken der Welt.
Die Nachfrage nach Glocken ist mittlerweile gesunken. Die Fabrik, seit 300 Jahren im Besitz der Familie Oberascher, ging vor fünf Jahren in Konkurs. Die Hotel & Designwerkstatt entstand im Jahr darauf. Seither verändert sich die alte Fabrik ständig. Aus den Schornsteinen steigt kein Rauch mehr auf. Es wird dazugebaut, umgebaut, ein Prozess, der stetig weitergeht. Manches allerdings bleibt. Wie zum Beispiel das Schild über der Bar.
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