Lang Zeit

Lang Zeit
Von Wien aus eroberte Helmut Lang die Modewelt. Von Paris und New York aus prägte er sie dann 20 Jahre lang. Und bis heute.

Man kann von Wien aus die Modewelt erobern. Helmut Lang hat es bewiesen. Noch besser: Nach der Eroberung beherrschte er sie auch noch. Prägte sie mit seinen genialen Ideen und Innovationen. Wunderbar dokumentiert in einem Standardsatz unter Medienleuten vor seinen Modeschauen während der Pariser Modewoche: „Lasst uns zu Helmut gehen, damit wir wissen, wie es mit der Mode weitergeht.“

Der Wiener beginnt Mode zu machen, weil er und Freunde nicht das zum Anziehen finden, was sie gerne hätten. 1977 eröffnet er ein „made-to-measure“- Studio, macht bald ganze Kollektionen, engagiert für eine Modeschau in der Secession Jerry Hall als Model und erweckt mit seiner Arbeit internationale Aufmerksamkeit. Aufregend wird es im März 1986. Anlässlich der Ausstellung „Wien 1880 – 1983“ im Centre Georges Pompidou in Paris zeigt er dort zur Zeit der Modewoche seine Herbstkollektion. Und wird gestürmt. Medien und Einkäufer feiern seine Ideen als sensationell und neu. Auch die Frühjahrskollektion im Oktober wird in den höchsten Tönen gelobt, Helmut Lang von der Herald Tribune als „rising star“, als „aufstrebender Star“ bezeichnet.

Schon nehmen ihn auch die Kollegen und die gesamte Textilbranche wahr, soll für die nächsten 20 Jahre heißen: Helmut Langs Ideen werden weltweit auf Teufel-komm-raus kopiert. Der Wiener diktiert, was Mode ist und was nicht. Wer sich nicht schwarz, weiß, nude oder auch einmal frech pink, gelb oder grün, mit interessanten Materialien und coolen Schnitten kleidet, wie Lang es vorgibt, ist vielleicht nett, aber eben nicht modisch angezogen.

Seinen sensationellen, bis zum heutigen Tag für einen Österreicher einmaligen Weg, beschrieb Lang mit viel Understatement einst so: „Jeder, der Mode macht, möchte nach Paris, das ist wie eine Reifeprüfung. Ich habe in Wien Shows gemacht, die internationalen Standard hatten und habe konsequent meine Linie verfolgt. Das hat man im Ausland zur Kenntnis genommen und auch in Paris gewusst.“ Dass er dort vom ersten Auftreten an so akzeptiert und gefeiert wurde, analysierte er cool: „Wien ist sicher einer der härtesten Plätze für ein Überlebenstraining. Wenn man das hinter sich hat, kann einem fast nichts mehr passieren.“

Mit ganz wenigen Ausnahmen (der KURIER berichtet schon über die Wiener Aktivitäten; 1992 nennt ihn die Wochenpresse in einer Coverstory „Megastar der Mode“) nimmt Österreich lange Zeit nicht zur Kenntnis, was für einen Schatz es da beherbergt. Vermutet sogar, dass er in Paris wohnt. Trotzdem verlässt Lang Wien erst 1998, als es ihn nach New York zieht. Bis dahin werkt er mit dem Team in seinem Penthaus-Studio in der Eßlinggasse. Anlässlich der Modeschauen geht es dann für zwei Wochen nach Paris. Im Privatauto mit Chauffeur. Lang fliegt ungern. Und Muse Marianne Kohn fährt natürlich mit.

Kopiert werden nicht nur seine Mode-Ideen. Als Helmut Lang für seine Shows auf den erhöhten Laufsteg verzichtet, verschwindet dieser aus der Modewelt. Sämtliche Supermodels, von Kate Moss bis Christy Turlington, marschieren bei Lang so unprätentiös und selbstverständlich auf gleicher Ebene am Publikum vorbei, als gingen sie einkaufen. Als Erster zeigt er seine Show im Internet. Als Erster zeigt er Damen- und Herrenmode zugleich. Als erstes Modehaus lässt er Taxis in New York mit seinem Namen werbend durch die Gegend fahren. Als einer der Ersten experimentiert er mit Stoffen. Bearbeitet Seide, dass sie wie Leder aussieht, verwendet gelackten Tweed, Goldstrick mit Metallfäden im Garn, Hitzedruckleinen, gekochte Wolle, Fischleder, metallisches Leder, Pferdehaar. Keiner kann Materialien so mischen wie er. Keiner kann Schnitte so genial raffiniert, schlicht und sexy formen wie er. Lang macht den aufmüpfigen Jürgen Teller zu seinem Fotografen, kooperiert mit bildenden Künstlern wie Jenny Holzer und Louise Bourgeois. Scheut die Öffentlichkeit und gibt ganz selten Interviews.

1991 reiht ihn das französische journal du textile in der Tabelle der wichtigsten Modeschöpfer an 2. Stelle – an 1. muss natürlich ein Franzosen sein, Jean-Paul Gaultier. Franz Manola hatte es schon 1989 in der deutschen Vogue gewusst: „Die neunziger Jahre gehören Helmut Lang.“

2005, am Höhepunkt seiner Karriere tritt er als Modeschöpfer ab und lebt seine Kreativität jetzt als freischaffender Künstler aus. Auf seiner traditionsreichen Farm am Meer in Long Island bei New York, wo er im Einklang mit der Natur und seiner Kunst lebt und in einem wunderbaren Atelier arbeitet. Die Modewelt vermisst ihn bis zum heutigen Tag.

Helmut Lang wird 1956 in Wien geboren. 1986 zeigt er seine erste Show in Paris und gründet sein Mode-Unternehmen. Bald kommen Schuhe, Taschen, Unterwäsche, Jeans, Brillen, und Parfüms zur Mode. Von 1993 bis -95 unterrichtet er an der Hochschule für Angewandte Kunst. Gestaltet u. a. in der Kunsthalle Wien und in Florenz Ausstellungen mit Jenny Holzer und Louise Bourgeois. 1997 erhält er den Preis der Stadt Wien für Bildende Kunst.

1998 übersiedelt er sein Modeunternehmen nach New York und wird als erster nicht-amerikanischer Künstler in den Council of Fashion Designers of America (CFDA) aufgenommen. Der ihn bereits 1996 zum Best International Designer of the Year ernannt hatte, 2000 dann zum Best Menswear Designer of the Year. Zahlreiche Auszeichnungen folgen.

1999 verkauft er 51% seines Unternehmens an die Prada-Gruppe, im Oktober 2004 den Rest. 2005 scheidet Helmut Lang aus dem Unternehmen aus. Es folgen Ausstellungen als freischaffender Künstler. 2009 erhält Lang das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst.

Kommentare