Dolce Vita

Eine Perle, die sich in den Golf Tigullio schmiegt: Die Bucht von Portofino
Das frühere Fischerdorf Portofino – pittoresk, mondän, morbid. Eine Annäherung an das schillerndste Hafenbecken der Welt.

Italien. Ligurische Küste. Portofino. Vor genau 70 Jahren, am Dienstag, dem 24. April 1945, schreitet in einen dicken Mantel eingehüllt eine alte Dame den Weg hinauf zur Festung. Mutig. Waghalsig. Zielstrebig. Zum Sitz der Wehrmachts-Kommandantur. Das letzte Kapitel des Zweiten Weltkriegs ist angebrochen, die Gräueltaten der Nazis bald vorbei. Kommandant Ernst Reimers ist beauftragt, vor dem Rückzug der Truppen das ligurische Fischerdorf zu verminen und in die Luft zu sprengen. Die resolute Dame, Baronin Jeannie von Mumm, kann dem Oberstleutnant den Wahnsinn des Plans vor Augen führen – ein Wunder geschieht: Die deutschen Soldaten verlassen Portofino, die angeordnete Sprengung findet nicht statt. Das Zittern der Bevölkerung hat ein Ende gefunden. Seit damals genießt die deutsche Adelige in Portofino einen legendären Ruf und wird wie eine Heilige verehrt. Bereits 1911 hatte ihr Mann, Sekt-Baron Philipp Freiherr von Mumm, hier das Castello San Giorgio, ein ehemaliges Lazarett, erworben und zu einer prachtvollen Villa umbauen lassen. Schon 1889 schwärmte Guy de Maupassant von der versteckten, malerischen Bucht, einer Mondsichel ähnlich. Nie zuvor habe er Eindrücke erlebt, die sich mit jenen vergleichen lassen, die ich hier empfunden habe.

Inzwischen ist Portofino mit nur etwas mehr als 500 Einwohnern längst kein verstecktes Fischerdorf mehr. Doch die kleine Bucht an der italienischen Riviera hat sich, obwohl sie seit Jahrzehnten mit dem Image der Jetset-Perle kämpfen muss, das Flair eines pittoresken, mediterranen Ortes erhalten. Bereits 1935 wurde die Halbinsel in einen Naturpark umgewidmet. Seit damals hat man in Portofino keinen einzigen Baukran mehr gesehen. Und die Glitzer- & Glamour-Gesellschaft konnte dem kleinen Küstendorf, 30 Kilometer von Genua entfernt, nie seinen ganz speziellen Reiz nehmen.

Wer am frühen Morgen, wenn die Habitués noch ruhen, von oben durch die enge vico delle anime, die Seelengasse, hinunter auf die autofreie piazzetta kommt, wird, wenn er bereit dazu ist, von einer Art serenità – Ruhe, Gelassenheit, Ausgeglichenheit – empfangen. Mit ciao bello oder buon giorno, carissima grüßen einander die heimischen Frühaufsteher liebevoll. Das Eindampfen der Espresso-Maschinen, die Ape-Dreiradler, die den Restaurants Obst und Gemüse liefern, der Fischer Bardi aus dem nahen Santa Margherita Ligure, der mit Luigi Miroli vor seinem Restaurant Puny den Preis für in der letzten Nacht gefangene acciughe, branzini, dentici und gamberi aushandelt.

Das Treiben auf der schräg zum Meer abfallenden Piazza Martiri dell´Olivetta beginnt. Der Platz, auf drei Seiten von ehemaligen schmalbrüstigen Fischerhäusern – heute den teuersten Immobilien Italiens, Europas, der Welt – umrahmt, wird von Minute zu Minute lauter und geschäftiger. Das Ambiente gewinnt an Lebendigkeit. Draußen am Meer zieht schon eine blonde Bellezza auf Wasserski plakativ ihre Runden. Auf dem polierten Mahagoni-Furnier des Riva-Junior-Boot-Klassikers spiegelt sich das türkisfarbene Meer.

Wie durch einen Filter scheint die Sonne schräg durch die dichten Pinien-Baumkronen, die kirschroten, olivgrünen, sonnenblumengelben Holz-Ausflugsboote werden für den ersten giro mit den Tages-Touristen bereitgemacht. In den Luxus-Höhlen von Bulgari, Gucci, Hermès & Co – dort, wo früher die Fischer Netze, Ruten und Schnüre aufbewahrten – können die Verkäuferinnen noch ihre french manicure beenden, um dann entspannt in den Magazinen zu blättern. Auf den Yachten wird von Butlern in mit Fantasie-Schiffswappen gezierten Blazern Early Morning Tea serviert. Oder auch das erste Bier. Roman Abramovich muss allerdings mit seinem Mega-Spielzeug Eclipse immer am offenen Meer ankern. 163,5 Meter Protz – mit 36 Kabinen für die engsten Freunde, zwei Hubschrauber-Landeplätzen, einer Garage für ein U-Boot sowie vier Motorbooten und 20 Jet-Skis – haben hier im etwas engen Yacht-Hafen keinen Platz. Beim besten Willen.

Luigi Miroli, der Besitzer des legendärsten Lokals von Portofino, inzwischen gibt er zu, zumindest 83 Jahre alt zu sein, hat schon viel erlebt. Und erzählt auch gerne davon. Sein Restaurant Puny brauche weiterhin kein Fax oder Mail, Telefon reiche. Jederzeit könne man unter (0039)-0185269037 versuchen, einen Platz zu reservieren. Allerdings viele Wochen im Vorhinein. Das Lokal des fahrigen Luigi Miroli mit nur 15 Tischen draußen (die 30 Sitzplätze drinnen sind für Chauffeure und Security vorgesehen) ist seit Kriegsende immer ausgebucht. Damals, als Womanizer Rex Harrison sich mit Lilli Palmer in Portofino niederließ. Sir Reginald Carey Rex Harrison, der seine Arroganz wie einen Maßanzug trug, mit eleganter Ironie salopp unterfüttert, war der letzte, dem bewilligt wurde, in einer ehemaligen Kriegskasematte eine Villa zu errichten. In der er illustre Gäste von Truman Capote bis zur scheuen Greta Garbo willkommen hieß. Nachmittags ging’s mit einem alten Fischerboot hinaus, um einfach nur in der Nebenbucht von San Fruttuoso im Schatten zu liegen. Neben der ehemaligen Benediktinerabtei nahm man dann bei Giorgio’s die ersten Erfrischungen. Und danach – direkt ins Puny. Auf eine riesige Schüssel pappardelle al pesto corto. Alle waren sie irgendwann einmal hier. Ava Gardner, Audrey Hepburn, Liz Taylor und Richard Burton, König Eduard VIII. und die hagere Stil-Ikone Wallis Simpson – die Duchess of Windsor. Ihr Glamour stellte den Pomp der britischen Monarchie in den Schatten. Immer wieder erzählt Puny-Capo Miroli, dass er mit einem ihrer geliebten Hunde eine Runde über die Piazzetta ziehen musste – a fare pipì. Elf Möpse begleiteten das Leben der Duchess, hier in Portofino schrieb sie an ihrem (nie erschienenen) Buch „Die Psyche der Hunde“. Wallis Simpsons Spruch Eine Frau kann niemals zu reich oder zu dünn sein hing noch bis vor wenigen Jahren auf der Puny-Damentoilette.

Luigi Miroli will nicht aufhören, von den prominenten Stammgästen zu erzählen. Auch vom Hang zum Größenwahn der Portofino-High-Society. Von den Herren, die mit ihren Yachten konkurrierten: Aga Khan, Agnelli, Onassis und Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, der stolze Besitzer der Germania VI – der ersten ganzgeschweißten Aluminiumyacht der Geschichte. Ideal für das mondänste Hafenbecken der Welt. Luigi erzählt von der Woolworth-Erbin Barbara Hutton, die mit Entourage und 120 Gepäckstücken im luxuriösen Splendido-Hotel einzog, von Berlusconi, der versuchte, die von ihm gemietete Villa Olivetta zu kaufen, dem jedoch Domenico Dolce und Stefano Gabbana zuvorkamen – sie erwarben die Villa um 500 Millionen Euro. Allerdings lange bevor die Modeschöpfer in die Fänge der Finanz gerieten … Si, sicuramente, auch jetzt kämen noch Celebrities, Madonna oder Bill Gates, Gwyneth Paltrow, Denzel Washington, Armani, die Pradas und die Pirellis, meint das fahrige Nerverl Luigi und rennt hinein, um als Beweis stolz das Gästebuch zu präsentieren. Bei Puny isst man wunderbar, aber sicherlich nicht preisgünstig. Denn Portofino ist unverschämt teuer. Eine Sonnenliege kostet im ehemaligen Fischerdorf 5.000 Euro pro Saison, der Preis für einen Espresso ist genauso gesalzen wie am Markusplatz in Venedig, die ständig überfüllte Parkgarage mit nur 180 Plätzen ebenso kostspielig wie die meisten in Wien 1.

Portofino ist pittoresk, mondän, morbid. Es ist früher Abend geworden. Der in die Jahre gekommene cantatore biegt mit seiner geschulterten Gitarre um die Ecke der vico delle anime. In der Jolly Bar gönnt er sich einen caffè coretto con sambuca, um in Stimmung zu kommen. Bald wird er von Lokal zu Lokal ziehen, überall den Fred-Buscaglione-Klassiker Love in Portofino singen – und viele Touristen werden sich denken, so kitschig schön war es schon lange nicht. Dolce vita für ein paar Stunden muss doch möglich sein ...

Puny

Auf der Piazetta, im Herzen von Portofino. Wie beschrieben, seit Jahrzehnten Treffpunkt der Haute-Volée. Hervorragende Pasta, frische Fische. Und überraschend günstige Weine.

Kein Fax, kein Mail – nur Telefon: (0039) 0185269037

Taverna del marinaio

Erstklassige Küche, freundliches Personal, herrlicher Blick auf das Geschehen im Hafen. Calamari & Garnelen am Spieß!

www.tavernadelmarinaio.com

Chuflay

Hotel-Restaurant des „Belmond Splendido Mare“. Elegant, exquisit, teuer.

www.belmond.com

Belmond Splendido

Eines der schönsten (und teuersten) Hotels der Welt zwischen üppigen Palmen und Pinien. Die Zimmerpreise (mit dringend empfohlenem Meerblick) beginnen während der Hochsaison bei 1.520 Euro, die La-Dolce- Vita-Suite gibt es erst ab 5.500 Euro. Aber den atemberaubenden Blick auf die Bucht von Portofino wird man lange nicht vergessen.

www.belmond.com/hotel-splendido-portofino

Eden

Gepflegtes Drei-Stern-Hotel. Nur etwa 100 Meter vom Geschehen im Hafen entfernt.

www.hoteledenportofino.com

Domina Home Piccolo

Erstklassiges Vier-Stern-Hotel mit Preisen, die man sich alle paar Jahre leisten kann. Sehr freundliches Personal, aber Italien-übliches, bescheidenes Frühstück.

www.dominahomepiccolo.com

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