Digitales Gold

Der Schaden soll bereits gutgemacht sein
Wird virtuelles Geld unser Leben verändern? Michael HOROWITZ über den Weg in die Welt ohne Bargeld.

Wenn es nach Ben Horowitz (nein, wir sind nicht verwandt) geht, wird es bald kein Geld mehr geben. Mit frühen, gewagten Investitionen in das soziale Netzwerk Facebook und andere heutige Silicon-Valley-Unternehmen wurde der 49-jährige Horowitz zu einem der Stars unter den Kapitalgebern der digitalen Industrie. Er ist überzeugt, dass wir in Zukunft in einer Welt ohne Bargeld leben werden: Durch eine virtuelle Währung – Bitcoins, digitale Münzen, – soll die Finanzwelt in ein paar Jahren vor einem radikalen Umbruch stehen. Ein Leben ohne IBAN und BIC, ohne Bargeld – bedrucktes Papier, das mit dem Versprechen verbunden ist, dass man damit etwas kaufen kann.

Anders als analoges Geld werden Bit-coins nicht vom Staat gedruckt, sondern mit einem komplizierten Algorithmus von Computern errechnet. Ein Internet-Freak mit dem Decknamen Satoshi Nakamoto hat am 31. Oktober 2008, dem Höhepunkt der Finanzkrise, das Konzept einer neuen virtuellen Währung in die Welt gesetzt – mit der Schöpfung der ersten 50 Bitcoins. Eine Privatwährung – unabhängig von Staaten oder Zentralbanken. Ein einmaliges Experiment, ein kompliziertes Programm, mit dessen Hilfe Bitcoins am Computer geschaffen werden können. Bitcoins existieren nur virtuell, werden in Computern oder Smartphones gespeichert und über das Internet weltweit versandt – günstig, anonym und angeblich auch absolut sicher. Seit Jahren rätselt die Finanzwelt, wer dieses System ausgeklügelt hat, wer sich hinter dem Pseudonym Nakamoto verbirgt.

Der Kurs der Währung bildet sich allein aufgrund von Angebot und Nachfrage, durch höhere Nachfrage als Zahlungsmittel steigt der Wert an den Bitcoin-Börsen. Keine Regierung kann eingreifen, wenn der Wert verfällt. Die neue Währung stößt bisher noch auf breite Skepsis, sie wirke deflationär und würge am Ende die Wirtschaft ab, weil ihre Menge begrenzt sei zitiert Der Spiegel die Bitcoins-Kritiker in seiner vergangenen Ausgabe auf sieben Seiten. Das Magazin meint aber auch: Der Weg in die Welt ohne Bargeld scheint unaufhaltsam. Allerdings sei es unwahrscheinlich, dass dabei die herkömmlichen Währungen verschwinden werden. Die Staaten werden kaum zulassen, dass die Zentralbanken die Macht über das Geld verlieren.
An der New Yorker Stock Exchange gibt es längst einen Bitcoin-Index, der die Preise von verschiedenen Bitcoin-Börsen nachverfolgt, an denen man die digitale Währung der Zukunft in Dollar, Euro und andere Analogwährungen tauschen kann. Die Investmentbank Goldman Sachs, die erste, die in ein Bitcoin-Start-up investiert hat, spricht jedenfalls von einem Megatrend, der das Finanzwesen im Internetzeitalter verwandeln könnte.

Allerdings ist die obskure Währung bis jetzt eher durch Skandale und extreme Kursschwankungen aufgefallen. Wenn man Bitcoins mit dem Internet vergleicht, seien sie auf dem Level von 1994: Damals wäre es hart gewesen, vorherzusehen, wer die großen Spieler des Internets werden, meint Digital Gold-Autor und New York Times-Journalist Nathaniel Popper, Bitcoin ist noch sehr unreif, noch immer eine Sache, in die man nur Geld stecken sollte, das man bereit ist, zu verlieren.

Dennoch glauben Optimisten an das digitale Gold. Das Netzwerk wickelt täglich bereits mehr als 200.000 Überweisungen ab. Beim Elektroautobauer Tesla oder im Internet-Kaufhaus Overstock.com kann man mit Bitcoins bezahlen, im Time-Verlag Abos abschließen. Weltweit kann man in Bars und Restaurants schon mit der digitalen Währung seine Rechnung begleichen – und das Wiener Start-up Coinimal bietet seit einigen Wochen eine einzigartige Dienstleistung an: Im Austausch gegen Bitcoins erhält man Amazone.de-Gutscheincodes, mit denen man in der üppigen Internet-Warenwelt alles kaufen kann.

Digitales Gold
Die Cyberkriminellen änderten die Wallet-Adresse des Unternehmens zu einer eigenen (Symbolbild).

Die St. Martin’s Kirche im Norden Londons akzeptiert Bitcoins bereits seit zwei Jahren: Neben der Kollekten-Box hängt ein Barcode, den Besucher mit dem Handy scannen und so anonym Bitcoins von ihrem virtuellen Konto an die Kirche spenden können. Pfarrer Chris Brice meint, seine Kirche wolle damit zeigen, dass wir Leute sind, die wissen, was um uns herum passiert.

michael.horowitz@kurier.at

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