„It's facetime, folks” lautet die Parole bei Menschen, die selbst bei Tisch in Umklammerung ihrer Klug-Phones leben.

Es ist wie in einer Realsatire. Man sitzt abends mit an sich lieb gewonnenen Menschen zwecks geselliger Nahrungsaufnahme bei Tisch und mindestens ein Drittel von denen klammert sich an ihre Klug-Phones wie Kate Winslet in „Titanic“ an die Schiffsplanke.

Surr-Geräusche von eingehenden Kurzbotschaften durchziehen die Luft. Es werden Multitasking-Salti geschlagen: Die Menschen starren einen mit entrücktem Blick an und mühen sich dabei redlich ab, ihrem Gegenüber voll konzentrierte Gesprächsbereitschaft vorzutäuschen, während ihre Finger wie wild gewordene Laborratten über die Tastatur schnellen. Es ist müßig, die Kommunikationsblasen auf ihre Dringlichkeit zu überprüfen. Denn eines ist sicher: Keiner der An-wesenden spielt in der Bewältigung der Syrien-Krise eine tragende Rolle; keiner muss einen Wahlkampf-ausgebrannten Spitzenpolitiker für sein nächstes TV-Duell thematisch aufturboisieren und keiner hat eine Lebensabschnittspartnerin, der stündlich die Niederkunft mit einem neuen Fortpflanz dräut.

Meiner Tochter habe ich inzwischen verboten, ihren Kommunikationsknochen an den Futtertrog zu schleppen. Wir essen seither nur noch in akuten Notfällen miteinander. Bei meinen Freunden muss ich es etwas eleganter angehen. Ich stelle meinen Lieblingshut auf den Tisch und ersuche, die Essgemeinde mit der liebevollen Drohung „It’s facetime, folks!“ ihre Digital-Nabelschnüre in demselben zu versenken. Die mit solchen schwarzpädagogischen Maßnahmen verbundenen Schweißausbrüche, Sesselwippereien und irrlichternden Blicke nehme ich jetzt einmal auf meine Kappe.

Dann trinke ich auf Magie der Unerreichbarkeit, werde aber von T unterbrochen, der nölt:

„Was is’ aber, wenn wirklich was is’?“ Auf meine Gegenfrage „Was soll sein?“ hat er alles andere als eine überzeugende Antwort.

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Polly Adler spendet in „Adieu Fortpflanz“ Trost und Ratlosigkeit von der Erziehungsfront und erzählt, warum man sein Kind zwar immer liebt, aber manchmal dennoch nicht leiden kann.

240 Seiten, 22,95 Euro bei www.thalia.at

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