Verhältnis-Aufstellung
Wenn die Maitresse und die Hauptfrau einander kennenlernen, ist das nicht immer besonders gemütlich. Vor allem nicht für den Mann, der keine von beiden so richtig enttäuschen wollte. Das Schöne an einem Verhältnis ist ja prinzipiell, dass es sich dabei um einen Dreier handelt, von dem eine der Involvierten nichts weiß. „Warum hat sie alles einfach so mutwillig zerstört“, ist J einfach noch immer „total befremdet“ vom Alleingang seiner Zweitfrau, die sich bei ihrer ahnungslosen Konkurrentin, einer Psychotherapeutin, einfach einen Termin geben ließ und dort in der Sitzung losplatzte, dass ihre posttraumatische Verbitterungsstörung ja eigentlich ein Gesicht und einen Vornamen hat: Josef. „Ach, wie drollig“, zwitscherte die Gattin dann, „so heißt mein Mann auch...“ Und dann gab es angeblich kein an sich Halten mehr seitens Fräulein Warteschleife. Sie legte jedes Detail der Beziehung auf den Praxistisch, inklusive dem Fiebertraum von einer Bottega Veneta-Tasche, die sie J, der an sich eher zu den Geldneurotikern zählte, unter Androhung eines Ultimatums aus der Kreditkarte gerissen hat. Wären wir in einem französischen Salonstück, würden die Rivalinnen jetzt kreischend einander das eine oder andere Haarbüschel ausreißen, die Filetstückchen ihres Fluchrepertoires auspacken und jede versuchen, sich das Monopol an diesem Mann felsenfest zu sichern. Aber in diesem Fall beschlossen die beiden Weiber vor Ort statt einer Familien- eine Verhältnisaufstellung, bei der J erklären sollte, was denn die eine habe, woran es bei der anderen fehle. Was bei J eine prätraumatische Stressangst-Disorder zur Folge hatte, die er mit der Eröffnung einer neuen erotische Baustelle in Form seiner Tai-chi-Trainerin in den Griff zu kriegen sucht. Irgendwer muss den armen, vom Leben so ungerecht behandelten Mann ja schließlich trösten.
Kommentare