Mutti ist schuld!
"Du musst wissen: er hatte eine wahnsinnig schwierige Kindheit“, raunte mir meine Freundin Z zu, als ich sie um die biografischen Eckdaten eines Mannes fragte, der mir, sagen wir salopp, nicht ganz wurscht war. Kindheit? Der Mann war Mitte 50! „Wie schwierig circa – Vater Taglöhner, Mutter Gelegenheitsprostituierte, Fließwasser ein Problem?“ – „Keine Charles-Dickens-Kindheit, Schatzi. Aber eine emotional sehr kalte Mutter...“ Immer Ärger mit diesen Müttern! Von denen es vor allem zwei Extreme zu geben scheint. Da existiert ja auch noch die Sorte, die um ihre Söhne wie ein adorierender Derwisch um das goldene Kalb rotiert. Womit auch wieder die Weichen für eine prächtige narzisstische Persönlichkeitsstörung gestellt wären. Denn natürlich glauben diese verwöhnten Racker dann auch später, dass sie das Ah und Oh des Weltenlaufs verkörpern und Frauen vor allem dazu dienen, ihnen ihre Großartigkeit zu versichern. Irgendwann hatte ich einen weltberühmten Psychiater gefragt, was für eine Art von Frauen für solche Kingsize-Egos am besten geeignet wäre. „Meine Liebe, was für eine Frage“, hatte er gekichert, „Masochistinnen natürlich. Nur die können mit solchen Exemplaren glücklich werden.“ Auch kein echter Trost. Oder, eben das andere Extrem: Die Jungs wurden, wie der Mir-nicht-wurscht-Mann, eben schon im Windelalter auf Herzenswärme-Diät gesetzt. Dann haben wir das Modell Er-kann-keine-Liebe-geben-weil-er-selbst-nie-welche-empfangen-hat. So oder so mühsam. Doch Männer ohne Mütter sind ja bekanntlich leider Mangelware. Ich finde, irgendwann sollte man seiner Kindheit generell dann doch einen Abschiedskuss auf die Stirn drücken und, egal wie vertrackt sie auch immer gewesen sein mag, sich selbst für sein akutes Unglück verantwortlich machen. Doch da wäre dann eine ganze Branche ratzfatz arbeitslos.
polly.adler@kurier.at
Kommentare