Buchenscheite, Buchsbaum
Der Kohlenbaron war da. Zwölf große Säcke Buchenscheiter für den Kamin, bestellt und bekommen. Als der Kohlenbaron das letzte Mal bei uns war, war November. Mein Vater hat noch gelebt. Vor Weihnachten wurde er richtig krank, musste ins Spital. Er wartete das neue Jahr ab, dann starb er. Liebste, Brut und ich waren in diesen Tagen oft bei ihm im Spital, mit meiner Mutter, meinem Bruder, meinen Schwestern. Jedes Mal, wenn wir gingen, verabschiedeten wir uns bis morgen und gleichzeitig für immer. Irgendwann galt es dann.Jetzt muss ich Buchenscheite schlichten. Gut. Schlichten ist eine Arbeit im Rhythmus des Atems, das heißt, man kann über Sachen nachdenken, die man noch nicht versteht, wie bei einer Meditation. Ich lege Scheiter und sehe Bilder. Vom Begräbnis, das einige Tage her ist und das ich noch nicht verstehe. Die Buchsbäume am großen Friedhof. Die vielen verschiedenen Menschen. Seine Frau. Seine Kinder und Enkel. Die Freunde. Die Schützen aus Tirol. Die Kulturmenschen und Politiker. Die Franziskanerpatres. Die Musiker, die kamen, um mit mir für ihn Bei mir bist du schejn zu spielen. Das war sein Lieblingslied. Unter den Nazis durfte er es nicht hören. Als er Jahrzehnte später herausfand, dass ich es spielen konnte, bekam mein Musikantentum für ihn einen neuen Sinn.
Über meinem Holzstoß wirbeln jetzt lauter durchsichtige Geister durch die Luft. Wie in einem Buch von Stephen King. Sein neuestes, Doctor Sleep, habe ich zwischen Tod und Begräbnis meines Vaters gelesen. Nein, das war nicht pietätlos, und ja, das Buch ist hervorragend. Jeder einzelne Geist über dem Holzstoß (und über dem großen Friedhof und über Wien) ist mein Vater. Er war für tausend Leute tausend Mal er, immer ein bisschen anders. Drum ist er tausend Geister. Einer von denen gehört mir. Der Fritz Molden, der mir gehörte, der mein Papa war. Ich habe ihn erst vor ein paar Jahren von den anderen zu unterscheiden gelernt. In dem Augenblick, als ich losheulen könnte, fällt mir ein schlecht geschlichtetes Scheit auf den Fußrist und ich brülle in meiner Wut ein österreichisches Four-Letter-Word mit drei Buchstaben. Der Fritz Molden, der mein Papa war, hat es in solchen Fällen auch gern benutzt.
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