Besuch beim letzten Maharadscha

Der Herr und seine Diener: Maharadscha Gaj Singh II. vor seinem Umaid Bhawan Palast
Sie nennen ihn „Bapji“, Vater. Gaj Singh II. ist Herr über Paläste und unzählige Kunstschätze in Rajasthan. Als die indische Regierung die Macht der Maharadschas beschnitt, hat der aus der Not eine Tugend gemacht und wurde so zum Bewahrer des Kulturerbes seines Landes.

Es könnte sein, dass Gäste, die sich im Zodiac Swimmingpool im Untergeschoß des Umaid Bhawan Palace Hotel aalen, den kleinen Mann mit dem grau melierten Schnauzbart und den melancholischen Mandelaugen, der dort ein paar Längen schwimmt, glatt übersehen. Dabei ist der letzte Maharadscha Gaj Singh II. der Hausherr dieses Luxuspalasts in Jodhpur. „Großkönig“ lautet die wörtliche Übersetzung des Sanskrit-Wortes Maharadscha. Ein Wort, das die Fantasie beflügelt: Unermesslicher Reichtum, exotische Schätze, eine geheimnisvolle fremde Welt. Doch wer es bis in des Palast von Gaj Singh gebracht hat, braucht gar nicht so viel Fantasie. Die ganze Pracht einer Dynastie liegt ihm zu Füßen. Und Gaj Singh teilt sie mit seinen Gästen. Der Palast ist Hotel – Madonna war schon hier und Liz Hurley hat hier geheiratet – Museum und Wohnhaus für den Maharadscha und seine Familie.

Das war nicht immer so. Den Umaid Bhawan Palast hat Gaj Singhs Großvater bauen lassen, zwischen 1929 und 1944. Es war ein Luxusprojekt mit sozialem Hintergrund: 347 Räume auf einem Grundriss von 100 mal 200 Meter mit einer 32 Meter hohen Kuppel. Der englische Henry Lanchester Architekt formte einen Stilmix von Pfeilern in Hindu-Schmuckformen mit europäischen Elementen und klaren Formen, die zu einer Art Indien-Art-déco verbunden wurden. Denn auch für den Bauherren, Maharadscha Umaid Singh, galten westliche Lebensart und Luxusgüter aus Europa als besonders erstrebenswert. Wie für die anderen Superreichen. Das konnten sie sich leisten und sie taten es auch. Es ging aber nicht nur um Protz und Prunk. Immerhin war es auch die Zeit nach dem Börsenkrach, über Europa war die Wirtschaftskrise hereingebrochen und Indien hatte etliche schlechte Ernten hinter sich. Das bedeutete Hungersnot. Der Bau des Megapalastes brachte Tausenden Menschen Arbeit.

Gaj Singh II., der Enkel des Bauherren, ist heute 65 Jahre alt – und seit 61 Jahren an der Macht. Als er vier war, kam sein Vater bei einem Flugzeugunglück ums Leben, der kleine Gaj wurde der 38. Herrscher des Clans, der seit 800 Jahren in Rajasthan, dem „Land der Könige“ regierte. Doch auch das Leben eines jungen Maharadschas ist kein Honiglecken. „Es war so düster“, sagt er heute über seine Kindheit – welch ein Gegensatz zu seinem jetzigen Leben. Er wuchs in dem nahezu leeren Palast auf, gemeinsam mit Mutter, Großmutter und seinen beiden älteren Schwestern. Mit acht wurde er in die noble britische Cothill House-Schule geschickt – und litt entsetzlich unter Heimweh. In flehentlichen Briefen versuchte er seine Mutter davon zu überzeugen, dass sie ihn wieder heimholen müsse. Er werde sogar gezwungen, Rindfleisch zu essen, meldete er nach Hause, ein Tabu für Hindus. Doch nichts half. Er blieb und kehrte erst nach seinem Studium und einer ausführlichen Europa-Reise heim.

Der Empfang im jahr 1970 war einzigartig. Neun Stunden dauerte es, bis er von der Eisenbahnstation in den Palast gelangte. Er musste sich durch Menschenmassen kämpfen, die jubelten und riefen: „Der Maharadscha ist wieder zuhause!“ Nur wenige Monate später war alles anders. Die Regierung änderte die Verfassung und beschnitt die Rechte der Maharadschas radikal. Und sie zahlte auch nicht mehr für die Erhaltung der herrschaftlichen Paläste. Für Gaj Singh war das offizielle Ende aller Maharadscha-Herrlichkeit allerdings nicht das Ende, sondern das Signal für einen Neubeginn.

Er machte aus der Not eine Tugend, gründete den Mehrangarh Trust und wurde nach und nach zu einem der wichtigsten Retter des Kulturerbes seines Landes. Mit Hilfe des Trusts begann er, die imposante Festungsanlage Mehrangarh zu sanieren. Rudyard Kipling, der Autor des Dschungelbuchs, hat das Fort so beschrieben: „Das Werk von Engeln, Feen und Riesen“. Auf einem 123 Meter hohen Hügel überragt es die Stadt Jodhpur. 1973 wurde es für die Allgemeinheit zugänglich gemacht, mittlerweile kommen pro Jahr eine Million Besucher, etwa so viele wie ins Guggenheim Museum in New York oder das Rijksmuseum in Amsterdam. Dann nahm er sich Ahhichatragarh vor, das „Fort der Königskobra“, eine Gruppe von Palästen in Nagaur, geschützt von einer Festungsmauer, etwa 90 Kilometer von Jodhpur entfernt. Lang dem Verfall preisgegeben, sprudeln dort heute wieder Springbrunnen und die Menschen nennen Gaj Singh „Bapji“, Vater.

Der Maharadscha liebt Jazz, Sufi-Musik und die Kunst überhaupt. Wer einmal sein Erbe antreten wird, ist noch offen, seit sein Sohn Shivraj vor einigen Jahren beim Polospiel schwer verunglückte. Er überlebte knapp, wird aber wohl nie wieder ganz gesund werden. Möglicherweise macht der Maharadscha, der schon mit so vielen Traditionen gebrochen hat, seine Tochter Shivranjani, eine Anthropologin, zu seiner Nachfolgerin. Bis dahin hat er aber noch Zeit. Und die Gäste seines Palasthotels haben weiterhin öfter die Gelegenheit, mit dem Gaj Singh einen Drink in der „Trophy Bar“ des Palasthotels zu nehmen oder im Pool mit ihm zu schwimmen.

Der Weg Jodhpur ist mit dem Flugzeug in etwa 13 Stunden über Delhi zu erreichen. Flüge gibt es ab 700 Euro.

Das Ziel Das Umaid Bhawan Palace Hotel bietet Zimmer ab 260 Euro, die Palast-Suite kostet ab 320 Euro. Dafür bekommt man historisches Ambiente, viel Geschichte und Fünf-Sterne-Plus-Luxus.

www.lhw.com/hotel/Umaid-Bhawan-Palace-Jodhpur-India

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