Bertrand Piccard kann mehr als "nur" in die Luft gehen

Pilot und Pionier: Betrand Piccard
Bertrand Piccard umrundete ohne einen Tropfen Sprit die Welt. Aber der Flugpionier kann mehr: Als Psychiater gibt der Spross einer Abenteurer-Dynastie Tipps für ein besseres Leben.

"Ich denke, also bin ich“, so der französische Philosoph René Descartes anno 1641.

„Wir werden, was wir denken!“, kontert 375 Jahre später der Schweizer Bertrand Piccard.

Keine leichtfertige Behauptung. Sondern eine mit Hand und Fuß. Besonders weil jemand, für den Handeln und Denken kein Widerspruch sind, sie aufstellt: Bertrand Piccard. Er ist Abenteurer, Pilot und Psychiater. Er umrundet die Welt und macht sich Gedanken über sie. Sogar mehr als gewöhnlich. Vielleicht, weil Bertrand Piccard familiär ganz schön vorbelastet ist. Großvater Auguste (1884–1962), ein Pionier der Ballonfahrt, „war der erste Mensch, der die Erdkrümmung mit eigenen Augen sah“, schreibt der Enkel in seinem Buch „Die richtige Flughöhe“. Und sein Vater Jacques tauchte als Erster knapp 11.000 Meter zum tiefsten Punkt der Ozeane.

Entdecker in der Horizontalen
„Entdecker zu werden, war das einzige Leben, das ich mir vorstellen konnte“, meint daher Bertrand Piccard. Aber statt „nur“ rauf oder runter zu steuern, lenkte Bertrand Piccard seinen Forscherdrang in eine andere Richtung – in die Horizontale. Der jetzt 57-Jährige galt bereits als Teenager als echter Experte in Sachen Gleitflieger und Ballonfahren. Zum Europameister im Drachenkunstflug wurde er schon vor mehr als 30 Jahren gekürt. Nach der Matura aber ging er eigene Wege. Er wurde nicht wie Großvater und Vater Physiker und Techniker, sondern ließ sich zum Arzt ausbilden. Schwerpunkt: chinesische und energetische Medizin sowie Hypnose.

Sowohl den inneren als auch den äußeren Raum zu erforschen“, hatte niemand Geringerer als Raketenpionier Wernher von Braun den elfjährigen Bub aufgefordert, als er am Cape Canaveral neben seinem Vater Jacques staunender Zeuge einer historischen Großtat wurde: des Starts der Apollo 11, jener Rakete, die erstmals Menschen zum Mond schleuderte. Das konnte nicht folgenlos bleiben. Spektakuläre Pionierleistungen sollten Bertrands Wegbegleiter sein. Vor siebzehn Jahren schaffte er mit Kopilot Brian Jones die erste Weltumrundung mit einem Ballon. Und erst vor Kurzem ging Bertrand Piccard ein weiteres Mal in die Geschichte der Luftfahrt ein: Mit André Borschberg gelang ihm nach mehreren Anläufen das Bravourstück, die Welt ohne einem einzigen Tropfen Sprit in einem Flugzeug umrundet zu haben.

Bertrand Piccard kann mehr als "nur" in die Luft gehen
Solar Impulse 2 bei einem Testflug in Abu Dhabi
Die über ein Jahr dauernde Mission des Sonnenfliegers „Solar Impulse 2“ ging vor ein paar Wochen glücklich dort zu Ende, wo sie ihren Anfang genommen hat – in Abu Dhabi. Aber in Wahrheit beginnt sie nun erst richtig. Denn die ganz persönliche Mission des studierten Psychiaters Piccard folgt diesem Leitsatz: „Wie wir Ballast abwerfen und ein besseres Leben führen können.“


Dabei wechselt der dreifache Vater blitzschnell zwischen Pilot und Psychiater hin und her: „Um uns im Wind des Lebens freier bewegen zu können, müssen wir uns aus den Situationen befreien, die uns gefangen halten. Wie ein Ballonpilot, der seine Flughöhe verändert, um einen besseren Kurs zu finden“, schreibt er.

Philosoph der Lüfte

Bertrand Piccard kann mehr als "nur" in die Luft gehen
Solarimpule.com
Bei allem Wagemut bleibt der Philosoph der Lüfte und des Lebens ein Realist. „Werden wir eines Tages mit Solarflugzeugen Passagiere transportieren können?“, fragt er in seinem Buch „Die richtige Flughöhe“. Um sich die Antwort gleich selbst zu geben: „Ich muss verrückt sein, wenn ich mit Ja antworte, und ein Idiot, wenn ich mit Nein antworte.“ Die Technik sei eben noch nicht so weit, aber: „Als die Gebrüder Wright im Jahr 1903 ihren ersten Einsitzer im Tiefflug fliegen ließen, gab es die entsprechenden Technologien auch noch nicht. Dennoch transportierten Flugzeuge einige Jahrzehnte später Hunderte von Passagieren über Ozeane und Kontinente.“
Nach 558 Flugstunden und 42.438 Kilometern bewies das Solarflugzeug „Solar Impulse 2“ immerhin, dass die Zukunft des Fliegens öko und nachhaltig sein kann. Und Bertrand Piccard, der sich in der Luft unter anderem mit dem Song „Fly Away“ von Lenny Kravitz wach gehalten hat, pocht darauf: „Forschen muss dem Umweltschutz dienen.“

1 + 1 = 3

„Die Freiheit“, so Bertrand Piccard in seinem Buch „Die richtige Flughöhe“, „die wirkliche Freiheit liegt nicht darin, alles tun zu können, sondern alles denken zu können. In alle Richtungen zu denken und auf allen Höhen gleichzeitig, grenzenlos.“

Bertrand Piccard kann mehr als "nur" in die Luft gehen
Piper Verlag
Der Pilot und Psychiater versteht es, Weisheiten aus der Geistesgeschichte mit den Fertigkeiten der Fliegerei zu verbinden. Wie gehen wir damit um, wenn uns der Wind des Lebens kräftig durchschüttelt und in eine bestimmte Richtung treibt? Wie können wir mit der Unsicherheit des Lebens umgehen und wann ist es wichtig, die Kontrolle abzugeben? In lockerem Plauderstil widmet sich Piccard den großen Fragen des Lebens und bietet auch Antworten an. Man lässt sich etwa von ihm auch gerne einreden, dass 1 + 1 = 3 ergibt. Er selbst bezeichnet das als eine „universelle Formel, die man zum eigenen Nutzen und zum Nutzen seines Umfelds anwenden kann.“

Glauben Sie nicht? Als Piccard 1994 das meteorologische Team für sein Breitling- Orbiter-Ballonprojekt aufstellte, hatte er zwei Experten im Sinn, die er zu einem Gespräch einlud: Luc mit Flugstrategie A, Pierre mit Strategie B. Am Anfang waren es zwei eingebildete Gockel, die zeigen wollten, was sie draufhaben. Dann aber merkten sie, dass sie beide sehr gut sind, aber eben völlig unterschiedlich. Luc damals: „Also haben wir unsere Ansätze miteinander verbunden, und anscheinend wird das super funktionieren.“

Hat es. Das Projekt verlief erfolgreich.

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