Ballsaison

Eigentlich könnte es richtig lustig sein

Wieder einmal ist die sogenannte Ballsaison ausgebrochen. Wieder einmal verraten uns die Mode-Redaktionen lebenswichtige Dinge, etwa, dass man als Herr nie nie niemals Armbanduhr zum Frack tragen darf, sonst enttarnt man sich als stilloser Prolet und wird fortan gesellschaftlich gemieden wie sonst nur Menschen, die ihre Hunde prügeln, wird auf der Straße mit Butterbrotpapier beworfen und verliert Gesicht, Wahlrecht und Pensionsansprüche. Man kann, glaubt man den Lifestyle-Journalisten, im Leben überhaupt nichts Schlimmeres anstellen, als Armbanduhr zum Frack zu tragen. Insofern bin ich sehr dankbar, dass mir nichts passieren kann, weil ich weder Armbanduhr noch Frack mein Eigen nenne und Bälle großräumig umfahre.

Ich finde ja, man sollte – abgesehen vielleicht von Banküberfällen und anderen mit hohen Haftstrafen bedrohten Aktivitäten – alles zumindest einmal ausprobieren, bevor man es ablehnt. Bei mir waren das z. B. Tanzen, Eislaufen und Popcorn essen. Meinen letzten Ball besuchte ich im Jahr 1988 (das letzte Mal Eislaufen war am Neujahrstag 1995, das letzte Mal Popcorn essen irgendwann 1973). Es war ein Schulball, die Schule feierte Bestandsjubiläum, als Mitternachtseinlage wurde eine gigantische Torte in den Saal getragen, auf der in Marzipan geschrieben stand: „10 Jahre Gymnasium Bachgasse“. Als die Torte durch die Menge getragen wurde, griff mein Freund B., heute ein sogenannter TV-Star, spontan zu und fraß die Marzipan-Null. Als die Torte bei der Direktorin angekommen war, stand auf ihr nur noch „1 Jahre Gymnasium Bachgasse“, was für einen ziemlichen Skandal sorgte.

Das war mein letzter Ball, und jetzt, während ich das erzähle, denke ich mir: schade eigentlich, Bälle können doch ziemlich lustig sein. Zumindest unter Zuhilfenahme von Marzipan.

Guido Tartarottis neues Kabarettprogramm „Urlaubsfotos (keine Diashow)“: 12. und 13. Februar, Theater am Alsergrund.

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