Wilhelminenberg: Das Trauma ist geblieben

Viele Männer leiden ebenfalls unter den Erinnerungen an ihre Heimzeit. Auch Angehörige sind von den Vorfällen zutiefst betroffen.

Der Wilhelminenberg war für mich ein schönes Heim", erinnert sich Peter R. an seine Zeit im Schloss oberhalb von Wien-Ottakring. Von den tragischen Vorfällen, wie sie Kinder in den 1970-er Jahren erlebt haben, habe er dort nichts bemerkt. Der KURIER sprach mit ihm vor Auffliegen des Heimskandals.

R. war allerdings bereits Anfang der 1960-er Jahre im Kinderheim Schloss Wilhelminenberg untergebracht. Für sechs Monate. "Damals war es ja nur ein Durchgangsheim. Da sind wir viel spazieren gegangen und im Winter rodeln. In der Zeit hab ich nix Böses gehört von Misshandlungen oder so."

Dann fällt ihm ein: "Wir haben dort von einer Erzieherin gehört, die lesbisch gewesen sein soll. Die soll sich einen richtigen Sport daraus gemacht haben, kleine Mädchen mit den Fingern zu entjungfern. Dann hat sie es als Turnunfall hingestellt." Während es ihm am Wilhelminenberg relativ gut ging, erlebte er den Horror in anderen Unterkünften. In einem Heim der Stadt Wien sei er von "besoffenen Erziehern blutig geschlagen" worden. In einem Heim im niederösterreichischen Eggenburg sei Peter R. als Jugendlicher "jahrelang sexuell missbraucht" worden. "Wenn ich ein schwaches Kerlchen gewesen wäre, wäre ich längst schon gesprungen."

Entschädigt

Stadt Wien und Kirche haben ihn mittlerweile mit einer fünfstelligen Summe entschädigt. "Für vier Monate geprügelt werden und für zwei Jahre als Sex-Sklave", gibt er sarkastisch zu Protokoll.

R. hat seine Erlebnisse penibel in einem Internet-Tagebuch aufgelistet. Einzig den sexuellen Missbrauch hat er mittlerweile herausgelöscht - das sei ihm nach Zahlung der Entschädigung seitens der Klasnic-Kommission nahegelegt worden. Peter R., der mit dem KURIER sehr offen, fast schon launig über seine Erlebnisse gesprochen hat, wird plötzlich leise. Fast versagt ihm die Stimme, als er sagt: "Wissen Sie, jetzt ist das alles wieder da. Ich musste vor so vielen Leuten darüber sprechen. Wenn Sie schlecht träumen, wachen Sie auf, trinken etwas, legen sich ins Bett und träumen etwas anderes. Ich träume immer von diesen Dingen in den Heimen. Immer. Und diese Träume sind höllisch."

Leidende Angehörige

Auch Angehörige ehemaliger Heimkinder müssen einen schweren Rucksack tragen. Herr S. aus Wien meldete sich in der KURIER-Redaktion. Das erste Telefonat musste er abbrechen. Er wollte über das Schicksal seiner Frau, die im Heim am Wilhelminenberg untergebracht war, sprechen. Bei dem Satz "Das Schlimme ist, dass man mit den Kindern nicht drüber reden kann", kann er sich seiner Tränen nicht mehr erwehren.

"Geht scho' wieder", sagt er beim nächsten Anruf, Stunden später. Seine Frau sei in psychologischer Behandlung. Der Grund: Ihre Erlebnisse in den Kinderheimen, in denen die Wienerin beinahe ihre gesamte Kindheit und Jugend verbrachte. Brutale Schläge und Misshandlungen seien an der Tagesordnung gestanden. "Sicher auch sexueller Missbrauch", ist S. überzeugt. "Aber schon damals wurde meiner Frau nicht geglaubt."

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