Wiens Spitalsärzte befürchten Chaos

Ärztekammer-Kritik: Spitäler sind auf die Umstellung mit Jahresbeginn nicht vorbereitet.

Mit gemischten Gefühlen blickt Hermann Leitner, Vizepräsident der Wiener Ärztekammer, dem Jahreswechsel entgegen. Wie berichtet, gilt ab 1. Jänner das neue Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz. Spitalsärzte dürfen ab dann statt 72 nur mehr maximal 48 Stunden pro Woche arbeiten. Damit setzt Österreich nach jahrelanger Verzögerung eine entsprechende EU-Richtlinie um.

"Das ist grundsätzlich positiv", betont Leitner. "Allerdings fehlt gerade in den Wiener Spitälern jegliches Konzept, wie die Neuregelung in die Praxis umgesetzt werden soll." Der springende Punkt dabei: Im Rahmen einer Übergangsfrist bis 2018 können sich Ärzte freiwillig dafür entscheiden, doch noch bis zu 60 Stunden zu arbeiten.

Stephan Ubl, in der Kammer für Turnusärzte zuständig, rechnet damit, dass sich nur die wenigsten für die 60-Stunden-Option entscheiden werden. Bei gleichbleibendem Personalstand könnte das allerdings in manchen Abteilungen zu Engpässen in der Patientenversorgung führen: "Eine mögliche Folge wäre, dass etwa planbare Operationen verschoben werden müssen", warnt Ubl.

Druck auf Jungärzte

Mit strukturellen Anpassungen (etwa in der OP-Organisation) ließe sich das verbessern, ist Leitner überzeugt, "Doch bisher ist noch nichts in diese Richtung geschehen." Er fürchtet, dass vor allem auf Jungärzte Druck ausgeübt werden könnte, damit sie sich doch noch für die 60-Stunden-Variante entscheiden.

Mit der Reduktion der Arbeitszeit müsse aber gleichzeitig das Grundgehalt angehoben werden, betont Leitner. Derzeit liegt es bei Turnusärzten in Wien zwischen 1300 und 1600 Euro netto. "Deshalb sind gerade Jungärzte gleichsam gezwungen, möglichst viele Nachtdienste zu machen", sagt Leitner.

Wer aber nur mehr 48 Stunden arbeiten kann, falle um 15 bis 20 Prozent seines Gehalts um. "Unser Ziel ist es daher, dass das Nettogehalt so weit erhöht wird, dass es einer 60-Stunden-Woche entspricht."

Im Wiener Krankenanstaltenverbund, der für die Gemeindespitäler zuständig ist, versucht man die Sorgen der Ärztevertreter zu zerstreuen. "Das Problem ist, dass das Gesetz erst vor Kurzem beschlossen wurde, aber seine Umsetzung bereits beginnt", betont eine Sprecherin. Versorgungsengpässe werde es jedenfalls mit Jahresbeginn in den Wiener Gemeindespitälern keine geben, versichert sie.

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