Wiener Straßenbild im Wandel: Abschied von der Kastanie

Wiener Straßenbild im Wandel: Abschied von der Kastanie
Entlang Wiens Straßen werden Kastanien und Ahornbäume zukünftig eine Rarität darstellen.

Das Wiener Stadtbild wird sich im Laufe der nächsten Jahrzehnte verändern: Der stellvertretende Chef des Stadtgartenamtes (MA42), Joachim Chen, sagt: "Von der Kastanie als typischem Straßenbaum haben wir uns verabschiedet." Die Art habe sich als nicht ausreichend "stressresistent" erwiesen.

Die Wiener wollen sich damit noch nicht anfreunden. Bei einer Straßenbefragung des KURIER bedauerten viele die zukünftige Veränderung im Stadtbild. Darunter auch Schülerin Valerie Prinz. Sie räumt aber ein: "Wenn die Bäume die Straßenverhältnisse nicht überleben, dann soll es wohl nicht sein."

Wiener Straßenbild im Wandel: Abschied von der Kastanie
In Zukunft werden in Wien keine neuen Kastanienbäume eingesetzt, da sie dem Stadtstress nicht gewachsen sind. Ein Lokalaugenschein in der Hasnerstraße. Wien, 09.09.2014

Ein ähnliches Schicksal erleidet zurzeit auch der Spitzahorn in Wiens Straßen. Dieser habe früher "durchaus seine Berechtigung gehabt", sagt Chen. Doch es gibt besser geeignete Baumsorten. Auch der Ahorn muss weichen.

Lärm, Staub und die beengten Wachstumsverhältnisse entlang stark befahrener Straßen würden den beiden Sorten zu sehr zusetzen. Diesen Stress halten Kastanie und Ahorn nicht aus. Dieser äußert sich durch verfrühten Verlust der Blätter. "Ein optisch unschöner Anblick", sagt der Mann vom Stadtgartenamt.

Wiener Straßenbild im Wandel: Abschied von der Kastanie
In Zukunft werden in Wien keine neuen Kastanienbäume eingesetzt, da sie dem Stadtstress nicht gewachsen sind. Ein Lokalaugenschein in der Hasnerstraße. Wien, 09.09.2014

Miniermotte

Die in den 90er-Jahren in Österreich eingeschleppte Miniermotte hat ihr Übriges zum Kastanien-Schwund beigetragen. Stadtgartendirektor Rainer Weisgram: "Es macht keinen Sinn, einen Baum zu setzen, der dann nur leidet."

Ein bis zwei Prozent der rund 100.000 Wiener Alleebäume erreichen jährlich ihre physiologische Altersgrenze. Als Ersatz pflanzt man entlang der Wiener Straßen verstärkt stressresistente Sorten wie Platanen, Ulmen und Celtis. "Wir optimieren auf der Suche nach dem idealen Alleebaum ständig unser Sortiment", erklärt Chen.

Alleine auf Alleen wie zum Beispiel der Prater-Hauptallee, wo man das Ensemble erhalten will, wird die Kastanie auch weiterhin gesetzt und entsprechend gegen Umwelteinflüsse und Schädlinge gewappnet. Hierfür spricht laut Chen der "traditionelle Wert", den der Baum für die Wiener besitzt.

Parkbäume bewahren

Kastanien-Liebhaber können auch in anderer Hinsicht aufatmen. An rund 22.000 weiß blühenden Kastanienbäumen in Wiener Parks kann sich der Erholung suchende Städter derzeit erfreuen. Und so soll es auch den Plänen des Stadtgartenamts zufolge in Zukunft bleiben. Weisgram versichert: "Wir werden in den Parks natürlich versuchen, die Kastanie so lange wie möglich zu erhalten."

Entweder behandelt man die weiß blühenden, von der Miniermotte stark befallenen Kastanienbäume mit biologischem Pflanzenschutzmittel. Oder – wo der Ensembleschutz nicht im Vordergrund steht – ersetzt man nach dem Absterben die weiße durch die rot blühende, resistentere Kastanienart.

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