Wiener Rotlicht-Capo wieder auf freiem Fuß

Wiener Rotlicht-Capo wieder auf freiem Fuß
Der mutmaßliche Gürtel-Boss Richard St, gegen den eine „Mafia-Anklage" läuft, ist frei – die Justiz hat zu lange zur Prozesserföffnung gebraucht.

Zwei Jahre ist der mutmaßliche Wiener Gürtel-Boss Richard St. In U-Haft gesessen – vergangenen Jänner hatte die Staatsanwaltschaft Wien gegen ihn eine "Mafia-Anklage" eingebracht. Jetzt ist er wieder auf freiem Fuß: Wie sein Verteidiger Christian Werner mitteilte, hat das Wiener Oberlandesgericht die Enthaftung des 41-Jährigen angeordnet. Seine zweijährige U-Haft wäre abgelaufen, ohne dass die Hauptverhandlung gegen Richard St. und insgesamt fünf Mitangeklagte begonnen hätte.

Hintergrund der Enthaftung ist Parapgraph 178 der Strafprozessordnung: Bei einem Verdächtigen, gegen den wegen eines Verbrechens ermittelt wird, das mit einer fünf Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, darf die U-Haft bis zum Beginn der Hauptverhandlung zwei Jahre nicht übersteigen. Und genau diese Frist ist bei Richard St. und dem Mitangeklagten Peter A. - sämtliche andere Verdächtige sind bereits vor geraumer Zeit gegen gelindere Mittel entlassen worden - abgelaufen, ohne dass einen konkreten Termin für ihren bevorstehenden Prozess gibt. Weder das OLG noch das Wiener Straflandesgericht wollten diesen in der Justiz einzigartigen Schritt vorerst offiziell bestätigen, da der entsprechende Beschluss formal noch nicht zugestellt worden ist. Nach gesicherten Informationen hat auch Peter A. bereits das Landesgerichtliche Gefangenenhaus verlassen.

"Mafia-Anklage"

Richard St. werden unter anderem die Bildung einer kriminellen Organisation, Schutzgelderpressungen, das Schmieden eines Mordkomplotts und Anstiftungen zu absichtlichen schweren Körperverletzungen vorgeworfen. Er war im April 2010 bei seiner Ankunft aus der Dominikanischen Republik am Münchner Flughafen verhaftet worden, danach hat man ihn nach Wien überstellt. Das Bundeskriminalamt und die Staatsanwaltschaft Wien ermittelten fieberhaft gegen den mutmaßlichen Rotlicht-Capo - sie taten sich mit dem Sammeln von belastendem Beweismaterial allerdings schwer, weil es der Bande um Richard St. gelungen sei, "die durch die strafbaren Handlungen geschädigten Personen einzuschüchtern", wie Staatsanwältin Susanne Kerbl-Cortella in der Anklageschrift schreibt.

Diese Anklage wurde von den Verteidigern beeinsprucht – und damit musste sich das Wiener Oberlandesgericht auseinandersetzen, das auf Basis des gesamten Akteninhalts den Einspruch der Anwälte eingehend prüfte. Eine Entscheidung des OLG lag zumindest zu Wochenbeginn noch nicht vor. Richter Stefan Erdei, der den Prozess gegen den mutmaßlichen Gürtel-Boss leiten wird, konnte damit die Verhandlung nicht zeitgerecht ausschreiben.

"Nokia-Club"

In der Anklageschrift wird festegstellt, dass Richard St. spätestens seit 1988 die Kontrolle über die Wiener Rotlicht-Lokale gehabt habe. Vor allem seine beiden Mitangeklagten Peter A. und Dusko R. alias "Rocky" hätten dabei als seine Handlanger Angst und Schrecken verbreitet.

Abgesehen davon versuchte Richard St. laut Anklage auch über gute Kontakte zu Journalisten und Politikern an Einfluss zu gewinnen, wobei die Staatsanwältin in diesem Zusammenhang eine ehemalige Grünen-Politikerin erwähnt, die in einem Etablissement der Rotlicht-Größe eine Buchpräsentation durchgeführt haben soll.

Dem Tenor der Anklage gemäß soll Richard St. im Lauf der Jahre mit seinem auf Schutzgelderpressung angelegten "Nokia-Club" geschäftliche Konkurrenten in Wien und Oberösterreich geradezu terrorisiert haben. Wer brav gezahlt habe, habe sich bei Bedarf der Hilfe des Rotlicht-Bosses sicher sein dürfen. So soll er dafür gesorgt haben, dass ein Mann, der Gelder veruntreut hatte, in seinem Auftrag in einem Pkw entführt und während einer 25 Kilometer langen Fahrt grün und blau geschlagen wurde.

Buttersäure-Anschläge

In der Anklage werden zudem zwei Buttersäure-Anschläge auf Lokale missliebiger Konkurrenten erwähnt. Eine im Rotlicht tätige Geschäftsfrau aus dem Bezirk Ried im Innkreis, die Richard St. offenbar ins Gehege gekommen war, wurde laut Anklage im Juli 2004 nachts von einem mit einem schwarzen Vollvisierhelm getarnten Mann überfallen, der so lange mit einem Baseballschläger auf sie einschlug, bis sie sich tot stellte. Die bei diesem Angriff schwer verletzte Frau leidet seither an einer posttraumatischen Belastungsstörung, weshalb dieses Delikt als absichtliche schwere Körperverletzung mit Dauerfolgen angeklagt ist.

Zudem war den Ausführungen der Anklagebehörde gemäß eine "Vergeltungsaktion" gegen eine ehemalige Lebensgefährtin eines Mitangeklagten geplant, die man angeblich Anfang 2010 mit Chloroform betäuben, auf die Donauinsel bringen, entkleiden und ins Wasser werfen wollte. Obwohl die Frau wochenlang ausgekundschaftet wurde, gelangte die Tat nicht zur Ausführung.

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