Wiener Polizei: "Jungen Flüchtlingen fehlt oft Respekt vor Obrigkeit"

Polizeipräsident Gerhard Pürstl
Die Wiener Polizeispitze sieht die Revierkämpfe zwischen jungen Flüchtlingen als große Herausforderung.

Obwohl sich die Kriminalität laut der Wiener Polizei in vielen Bereichen rückläufig entwickelt, fühlen sich zunehmend mehr Wiener unsicher. Einer der Gründe ist die Migrationswelle und hier besonders die im Stadtbild sichtbaren jungen Flüchtlinge, die in Gruppen auftreten. Besonders die in der Öffentlichkeit ausgetragenen Revierkämpfe haben zuletzt für Diskussionen gesorgt. Der KURIER sprach darüber mit Wiens Polizeipräsident Gerhard Pürstl und seinem Vize, General Karl Mahrer. Für die Polizeispitze ist dieses Problem aber längst keine reine Sicherheitsfrage mehr.

KURIER: Gewalttaten in der Öffentlichkeit haben in den vergangenen Monaten zu einer Diskussion über das subjektive Sicherheitsgefühl geführt. Ist das für die Polizeispitze eine messbare Größe?

Gerhard Pürstl: Obwohl die Kriminalitätszahlen seit Jahren objektiv im Sinken sind, fühlen sich die Bürger teilweise subjektiv unsicher. Und sie haben auch verstärkt das Gefühl, sie könnten Opfer einer Gewalttat werden.

Also nehmen Sie diese Empfindungen ernst?

Pürstl: Das subjektive Sicherheitsgefühl ist ein Bereich, an dem wir ganz gezielt arbeiten müssen. Denn uns ist besonders wichtig, dass die Leute das Gefühl haben, sich in ihrem Umfeld sicher zu fühlen.

Gibt es dazu vonseiten der Exekutive Erhebungen?

Karl Mahrer: Das Innenministerium hat hier seit mehreren Jahren Umfragen. Dabei kommt man zu dem Schluss, dass besonders im städtischen Bereich das Sicherheitsgefühl von dem hohen Level 2015 auf 2016 gesunken ist.

Wiener Polizei: "Jungen Flüchtlingen fehlt oft Respekt vor Obrigkeit"
Interview mit Karl Mahrer, Landespolizeivizepräsident der Landespolizeidirektion Wien am 29.12.2016 in Wien.

Dafür werden Problemgruppen mitverantwortlich gemacht. Sie haben Vertreter von Tschetschenen, Afghanen und anderer Gruppierungen ins Präsidium geladen?

Pürstl: Diese Gruppierungen haben zuletzt ihre Revierkämpfe auf der Straße ausgetragen.

Warum gerade Tschetschenen und Afghanen?

Pürstl: Beide haben gemeinsam, dass den Jugendlichen oft die soziale Bindung fehlt und das Bildungsniveau im Keller ist. Es fehlt ein Unrechtsbewusstsein, eine Werteordnung und es fehlt ein gewisser Respekt vor der Obrigkeit. Man ist in deren Herkunftsländern andere Standards gewohnt.

Das heißt, diese Jugendlichen sind nicht integriert.

Mahrer: Bei den Tschetschenen ist es nicht gelungen, sie in unsere Gesellschaft so einzubinden, dass es diese Erscheinungsformen nicht gibt. Wir müssen bei den neu dazugekommenen Afghanen besonders ansetzen, damit sich das nicht wie bei den Tschetschenen wiederholt.

Worum geht es bei den Konflikten?

Pürstl: In erster Linie sind das Revierkämpfe. Man will zeigen, die Straße gehört mir, die Geschäftspassage gehört mir, vereinzelt geht es aber auch um Drogendelikte.

Wiener Polizei: "Jungen Flüchtlingen fehlt oft Respekt vor Obrigkeit"
Interview mit Polizeipräsident Gerhard Pürstl am 29.12.2016 in seinem Büro.

Kommt man da mit einem Dialog wirklich weiter?

Mahrer: Es hängt davon ab, wie weit die Vertreter der Kommunen Einfluss auf ihre Landsleute nehmen können. Wir müssen aber natürlich auch mit polizeilichen Maßnahmen reagieren. Da geht es um spezialisierte Ermittlungsarbeit, verstärkten Streifendienst und wenn etwas vorkommt, möglichst rasch vor Ort zu sein.

Wie schnell ist die Polizei?

Pürstl: Wir sind heute bei Alarmierungen bereits in drei bis vier Minuten am Einsatzort.

Zurück zum subjektiven Sicherheitsgefühl der Wiener. Die werden selten in diese Revierkämpfe hineingezogen, aber nehmen diese stark wahr.

Mahrer: Wenn in der Lugner City, am Westbahnhof oder auf dem Praterstern eine größere Gruppe Jugendlicher aufeinandertrifft, erzeugt das ein ungutes Gefühl.

Die Polizei kann bei den jungen Flüchtlingen nur die Sicherheitsfrage lösen, aber wie löst man das Problem?

Pürstl: Man muss diese Jugendlichen in den Bildungsweg bekommen. Wenn 16- bis 18-Jährige keine Bildung abgeschlossen und auf dem Arbeitsmarkt keine Chancen haben, dann haben sie eine Perspektivlosigkeit, die die Sache nicht besser macht.

Was macht man mit Flüchtlingen, die keine Chance auf Asyl haben?

Mahrer: Die, die nicht dableiben können und straffällig wurden, müssen rasch außer Landes gebracht werden.

Wiener Polizei: "Jungen Flüchtlingen fehlt oft Respekt vor Obrigkeit"
Interview mit Karl Mahrer, Landespolizeivizepräsident der Landespolizeidirektion Wien am 29.12.2016 in Wien.

Aus der Politik ertönt häufig der Ruf, kriminelle Flüchtlinge abzuschieben. Wie läuft das?

Mahrer: Ganz entscheidend ist dabei die konsequente Umsetzung der bestehenden Gesetze.

Die reichen oft nicht aus, wenn es keine Papiere oder ein Rücknahmeübereinkommen gibt.

Mahrer: Wenn wir es nicht schaffen, Straffällige, die sich im Asylverfahren befinden, außer Landes zu bringen, dann haben wir ein Problem.

Wer hat hier Handlungsbedarf?

Pürstl: Hier braucht es einen europäischen Schulterschluss. Eine konsequente Rückführung in die Herkunftsländer muss durch Abkommen mit der EU ermöglicht werden.

Thema des Jahres für die Wiener Polizei war der Kampf gegen die Drogendealer entlang der U-Bahnen. Zuletzt hieß es, sie würden wieder in Erscheinung treten.

Pürstl: Von den Hotspots haben wir die Dealer wegbekommen, aber sie suchen sich neue Schlupflöcher, die wir konsequent stopfen.

Mahrer: Bei den Drogen-Schwerpunktaktionen wurden 635 Straßenhändler festgenommen. 431 davon landeten in Haft. Das neue Gesetz und die Razzien haben viel gebracht.

Stichwort Silvester. Wie beruhigt können die Wiener auf den Silvesterpfad gehen?

Pürstl: Berlin hat gezeigt, dass der IS-Terror nicht wegzudiskutieren ist. Aber es gibt im Augenblick kein akutes Bedrohungsszenario für Wien. Es braucht sich daher kein Besucher fürchten, wir sind stark präsent und wachsam.

Wiener Polizei: "Jungen Flüchtlingen fehlt oft Respekt vor Obrigkeit"
Interview mit Polizeipräsident Gerhard Pürstl am 29.12.2016 in seinem Büro.

Vor einem Jahr war gerade um den Jahreswechsel besonders das sogenannte Antanzen für Frauen ein großes Thema.

Pürstl: Da steckt zumeist der Griff in die Tasche, nach dem Geld, dahinter. Wir beobachten hier speziell in den vergangenen Monaten eine verstärkte Tätigkeit verschiedener Gruppierungen.

Wenn man als Frau am Silvesterpfad von einer Gruppe Männer umzingelt wird, macht man was?

Mahrer: Man sollte andere Personen auf sich aufmerksam machen. Wir haben aus diesem Grund auch Taschenalarme ausgeteilt.

Wie gut funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Rathaus?

Pürstl: Wir haben monatlich Sicherheitsgespräche, wo wir alle Erscheinungsformen behandeln. Das funktioniert sehr gut.

Auf unterer Ebene kommen die Grätzlpolizisten. Wann sind die flächendeckend in Wien aktiv?

Mahrer: Die bundesweite Aktion "Gemeinsam sicher", und darunter fallen die Grätzlpolizisten, wird das subjektive Sicherheitsgefühl stärken. Ab 1. März 2017 hat dann jeder Wiener Bezirk seine Grätzlpolizisten.

Wünscht sich die Polizeispitze in Wien einen Sicherheitsstadtrat als Gesprächspartner?

Pürstl und Mahrer: Hier ist nicht entscheidend, was sich die Polizeispitze wünscht, sondern was die Politik entscheidet.

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