Wiener MERS-Patientin außer Lebensgefahr

Im Kaiser-Franz-Josef-Spitals in Wien-Favoritenist man für die Versorgung von Ebola-Patienten gerüstet. Der Leiter der Station, Prim. Univ.-Doz. Dr. Christoph Wenisch erklärt:  "Das Krankenzimmer kann nur über eine Schleuse betreten werden. Im Krankenzimmer selbst herrscht Unterdruck, das heißt, sollten sich Ebola-Viren in der Luft befinden (was unwahrscheinlich ist), können sie auch beim Öffnen der Zimmertür das Krankenzimmer nicht verlassen. Die Luft aus dem Zimmer wird über einen eigenen Lüftungskreislauf abgesaugt und gefiltert, bevor sie in das Freie entweicht.
29-Jährige von Isolierstation auf normale Intensivstation verlegt.

Der 29-jährigen MERS-Patientin aus Saudi-Arabien, die Ende September in die Isolierstation der Infektionsabteilung des Kaiser-Franz-Josef-Spitals in Wien aufgenommen worden ist, geht es deutlich besser. "Sie befindet sich außer Lebensgefahr", sagte am Donnerstag am Montag ein Sprecher des Krankenanstaltenverbundes (KAV).

"Die Patientin wurde von dem Isolierzimmer auf die normale Intensivstation verlegt", hieß es weiter. Sie befinde sich nicht mehr im künstlichen Tiefschlaf. Jetzt soll eine etwa zweiwöchige Rekonvaleszenz-Phase folgen. Auch immunologisch hat die Frau auf die Infektion reagiert. "Sie hat Antikörper gegen das MERS-Virus entwickelt", sagte der KAV-Sprecher.

Die an dem seit 2012 vor allem im Nahen Osten aufgetauchten MERS-Virus ("Middle Eastern Respiratory Syndrome Coronavirus" - MERS-CoV) erkrankte Frau war mit antiviralen Medikamenten aus der Klasse der Protease-Hemmer und spezieller unterstützender Therapie behandelt worden. MERS-CoV-Erkrankungen können eine virale Entzündung der unteren Atemwege (Bronchiolitis) und in der Folge akutes Lungenversagen (ARDS) auslösen.

Um sich mit dem MERS-Coronavirus zu infizieren, ist ein enger Kontakt mit dem Erkrankten notwendig. „Bei einer zufälligen Begegnung auf der Straße besteht keine Gefahr“, sagt der Virologe und MERS-Spezialist Univ.-Prof. Norbert Nowotny von der VetmedUni Wien: „Im Gegensatz zu Ebola, wo man den Patienten berühren muss, kann das MERS (Middle East Respiratory Syndrome)-Virus zwar über sehr kurze Distanzen auch als Tröpfcheninfektion über Mund und Nase übertragen werden, dazu ist aber ein intensiver, länger anhaltender Kontakt notwendig, denn das Virus muss in ausreichender Menge in den Lungenbereich gelangen. Ein Influenza-Virus ist viel leichter und über weitere Distanzen übertragbar.“

Wiener MERS-Patientin außer Lebensgefahr
Klinische Virologie: Internationaler Workshop 2011

Wie in einem Teil der Dienstag-Ausgabe berichtet, ist bei einer Touristin aus Saudi-Arabien erstmals das MERS-Virus in Österreich nachgewiesen worden (siehe unten). Weltweit sind bis jetzt 800 Menschen erkrankt, alle Infektionen gingen von der Arabischen Halbinsel aus, 90 Prozent der Infizierten stammten aus Saudi-Arabien. „Seit drei Monaten gibt es relativ wenige Neuerkrankungen, die Epidemie auf der Arabischen Halbinsel ist im Abflachen.“ In der EU sind bis jetzt zwölf „importiere“ Fälle aufgetreten. Symptome sind u. a. Fieber, grippeähnliche Symptome, Lungenentzündung und Atemnot. Mehr als jeder dritte Patient stirbt. „Das MERS-Virus ist etwas weniger gefährlich als Ebola.“

ÜbertragungDie Forschungsgruppe von Nowotny wies heuer in einer viel beachteten Studie nach, dass Viren von Dromedaren und Menschen aus derselben Region fast identisch sind: „Das ist ein Hinweis auf eine Übertragung zwischen Tier und Mensch.“ Gleichzeitig konnten die Vetmed-Forscher nachweisen, dass große Virenmengen über die Dromedarnasen ausgeschieden werden. Nowotny: „Insgesamt gehen aber nicht mehr als etwa fünf Prozent der Infektionen beim Menschen auf Tiere zurück, der Rest sind Mensch-zu-Mensch-Übertragungen.“

Jene saudiarabische Patientin, die seit Sonntag laut Angaben des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV) mit einer MERS-Coronaviruserkrankung in der Infektionsabteilung des Kaiser Franz Josef-Spitals liegt, wird einem Aids-Kombinationspräparat behandelt. „Dafür gibt es positive, wissenschaftlich belegte Behandlungsergebnisse“, sagte der Vorstand der Abteilung, Christoph Wenisch, Dienstagnachmittag.

Die Krankheit, so der Infektionsspezialist, beginnt zumeist mit schleichenden Symptomen. „Wie eine Verkühlung mit Symptomen der oberen Atemwege“, so Wenisch. Die Inkubationszeit dürfte drei, vier Tage bis eine Woche dauern. Nach einigen Tagen der Frühsymptome entwickelt sich eine Art Bronchiolitis. „Das ist typischerweise eine Entzündung der unteren Atemwege“, so der Infektiologe. Das kann bis zum akuten Atemversagen (Acute Respiratory Disstress Syndrome - ARDS) führen.

Gegen die Virusinfektion wurden in den vergangenen Jahren mehrere Medikamente auf ihre Wirksamkeit untersucht. Dazu gehören auch Protease-Hemmer, wie sie bei der Behandlung von Retrovirus-Infektionen - typischerweise bei HIV/Aids - eingesetzt werden. Die Patientin bekommt ein in der HIV/Aids-Therapie vielfach eingesetztes Kombinationspräparat.

Wirksame Strategie

Für die Wirksamkeit dieser Strategie sprechen wissenschaftliche Belege, die ehemals bei den SARS-Erkrankungen durch ein anderes Coronavirus ab 2003 gemacht wurden. Seit Auftauchen von MERS wurde der Protease-Hemmer auch bei diesen Erkrankungen eingesetzt.

„Hinzu kommt eine spezielle intensive künstliche Beatmung, die man ARDS-Beatmung nennt“, sagte Wenisch. Dabei geht es darum, die Intensität der Überdruckbeatmung optimal anzupassen, um noch zusätzliche Schäden durch die künstliche Beatmung selbst zu verhindern, auf der anderen Seite aber auch die ausreichende Sauerstoffversorgung sicherzustellen.
Wie lange eine MERS-Erkrankung dauert, lässt sich laut Wenisch schlecht abschätzen. Das hängt nämlich auch vom eventuellen Auftreten zusätzlicher Komplikationen ab.

1. Virus-Art: Das Coronavirus MERS (Middle East Respiratory Syndrom) wurde erstmals im März 2012 bei Patienten mit einer schweren Atemwegsinfektion identifiziert. Aktuell befindet sich eine betroffene Frau aus Saudi-Arabien in einer auf Infektionserkrankungen spezialisierten Krankenhausabteilung in Wien in Behandlung. MERS hat Ähnlichkeit mit dem SARS-Virus.

2. Übertragung: MERS wird nach Erkenntnissen saudi-arabischer Wissenschafter direkt von Kamelen auf den Menschen übertragen. In der Fachzeitschrift "New England Journal of Medicine" beschreiben die Forscher wie sie dies anhand eines Fallbeispiels nachweisen konnten: Ein Mann starb im November vergangenen Jahres an dem Virus und zwar kurz nachdem er seine mit MERS infizierten Kamele behandelt hatte. Die Wissenschafter fanden heraus, dass die Genome des Krankheitserregers des Mannes und des Virus, das zum Tod des Tieres führte, identisch waren. Bei einer Überprüfung von Dromedarbeständen im arabischen Raum und zum Teil auch angrenzenden afrikanischen Ländern wurde ebenfalls ein großer Anteil positiv auf MERS-CoV getestet. Bei engem Kontakt mit erkrankten Personen kann es auch zu einer Mensch-zu-Mensch Übertragung kommen.

3. Symptome und Krankheitsverlauf: Die Erkrankung beginnt meist 2-13 Tage nach der Ansteckung (Inkubationszeit) mit Fieber, Husten und Kurzatmigkeit. Bei einigen Erkrankungsfällen trat zusätzlich Durchfall und Erbrechen auf. Es kommen milde Verlaufsformen (Symptome wie bei einer Erkältung) und Infektionen ohne jegliche Symptome vor.

4. Folgen: MERS kann unter anderem zu schweren Atemwegsleiden, zu Lungenentzündung und Nierenversagen führen. Mehr als 40 Prozent der Patienten sterben, es gibt keinen vorbeugenden Impfstoff.

5. Risiko-Patienten: Untersuchungen zeigten, dass für Menschen mit Grunderkrankungen, wie z.B. Diabetes, beeinträchtigter Immunabwehr, chronischen Herz-, Lungen- oder Nierenerkrankungen ein höheres Infektionsrisiko besteht.

6. Fälle: Bisher sind bei dem Ausbruch des Virus weltweit etwa 800 Menschen erkrankt. In der EU sind bisher zwölf „importierte“ Fälle aufgetreten. Alle bisher an MERS-CoV erkrankten Personen haben sich im Nahen Osten auf der Arabischen Halbinsel angesteckt, oder hatten Kontakt mit Personen, die dort erkrankten. In Saudi-Arabien starben laut Angaben des Gesundheitsministeriums bisher 282 Menschen an MERS.

7. Gefahr in Österreich: Laut einers Aussendung des Gesundheitsministeriums besteht in Österreich derzeit kein erhöhtes Risiko für eine MERS-CoV Erkrankung in der Allgemeinbevölkerung. Ein Import aus einem betroffenen Gebiet kann jedoch nicht ausgeschlossen werden.

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