Wien: Rote Waffe gegen blauen Vormarsch

Wien: Rote Waffe gegen blauen Vormarsch
Christoph Peschek ist Wiens jüngster Mandatar. Sein Job bei der SPÖ: Er soll mit FPÖ-Chef H.C. Strache um die Jugend rittern.

Die Augenbrauen gezupft, die Haut von vielen Solariumbesuchen ein wenig zu braun für diese Jahreszeit: Christoph Peschek, mit 28 Jahren jüngster Gemeinderat der Bundeshauptstadt, steht im Praterdome, einer der größten Diskotheken Wiens, und führt Schmäh mit anderen braun gebrannten Solariumgängern.

Es ist Freitag, kurz nach Mitternacht: Partytime im Praterdome. Woche für Woche kommen Schüler, Hackler und Lehrlinge hierher, um zu feiern und sich mit „Wodka-Bull“, Bier und Wein „einzuspritzen“. „Da Peschek!“, sagen die Leute im Vorbeigehen, und „da Peschek“ drückt ihnen rote Feuerzeuge in die Hand. „Anders als H.C. Strache komm ich nicht nur im Wahlkampf her“, sagt der SPÖ-Lehrlingsbeauftragte.

Der Job des Donaustädter Gemeinderats: Er soll für die SPÖ um jene jungen Wähler rittern, die in den vergangenen Jahren nicht zu knapp zur FPÖ übergelaufen sind. Pescheks kurioser Vorteil: Er könnte selbst für einen FPÖ-Wähler, wie sie Medien gerne zeichnen, gehalten werden – jung, a bisserl prolo und unpolitisch.

Doch der Eindruck täuscht. „Er hat politisches Talent, ist rhetorisch begabt, und das Wichtigste: Er spricht die Sprache der Jungen und ist dabei authentisch“, sagt ein hoher SPÖ-Funktionär. „Einer wie er kann Karriere in der Partei machen.“

Anti-Pelinka

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Viel wurde in den letzten Wochen über junge rote Schnösel geschrieben – über die Niko Pelinkas und Laura Rudas’ der SPÖ, die aus dem Dunstkreis der Wiener Partei in die Bundespolitik gespült wurden. Angepasste Nadelstreif-Sozis, denen die eigene Karriere wichtiger zu sein scheint als endlose Diskussionen über Verteilungsgerechtigkeit, hieß es.

„Es ist ärgerlich, wenn jetzt alle Junge auf dieses Bild reduziert werden“, sagt Peschek, während im Hintergrund die Bässe wummern. „Wir sind nämlich auch noch da.“

Mit „wir“ meint der Donaustädter Leute wie sich selbst, Bernhard Häupl oder Niki Kowall. Die Genossen eint, dass sie ein linkeres Profil der Bundespartei einfordern. „Der dritte Weg, den die Sozialdemokratie in den 90ern europaweit und auch in Österreich einschlug, war Unsinn“, sagt Peschek, der im Gemeindebau aufwuchs und der die Schriften des Parteigründers Viktor Adler gelesen haben will. „Die SPÖ muss Heimat progressiver Linker sein.“

Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) überzeugte den Gewerkschafter, den Kritiker ob seines Auftretens auch „roten Strache“ nennen, vor etwas mehr als einem Jahr zur Kandidatur. Und Peschek lief sich fortan in Betrieben und Diskos die Füße wund. „Wir haben uns zu lange nicht um junge Arbeiter gekümmert. Da entstand ein Vakuum, das die FPÖ füllen konnte.“

Apparatschik

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„Er ist ein Klassenkämpfer erster Güte“, sagt FPÖ-Jugendsprecher Dominik Nepp. „Als Gewerkschafter mag er die Hackler vertreten. Das Problem ist: Er war selbst nie einer.“ Ähnlich Isabella Leeb von der ÖVP: „Peschek ist ehrgeizig, aber ein Apparatschik. Einen normalen Job hatte er nie.“ Peschek, der von der Schule direkt zur Gewerkschaft wechselte, zuckt mit den Schultern. „Auch ein Unternehmensberater muss nie Geschäftsführer einer Firma gewesen sein.“

Im Praterdome ist es bereits ein Uhr morgens. Peschek hat die roten Feuerzeuge längst verteilt und Spitzen gegen „Lehrlingsverräter Strache“ platziert. Der Polit-Lehrling kann nun nach getaner Arbeit nach Hause gehen.

Rot-blaues Kopf-an-Kopf-Rennen um junge Hackler

Der Auftrag, den Bürgermeister Häupl (SPÖ) Jungpolitiker Christoph Peschek ein Jahr vor der Wien-Wahl 2010 erteilte, war klar: „Mobilisierung bei jungen Hacklern und Lehrlingen!“ Peschek trat somit mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in den Ring. „Ein Jahr vor der Wahl sah die Lage hier nicht gut aus“, behauptet Peschek. „Wir hatten weniger als 30 Prozent Wähleranteil bei den jungen Arbeitern.“ Eine SORA-Umfrage unter 1000 Wienern zwischen 16 und 20 Jahren kurz nach der Wahl zeigte: Der rote Einsatz hatte sich gelohnt. Bei jungen Hacklern legte die SPÖ zu (49 Prozent) und schlug die FPÖ (45 Prozent). Nur vier Prozent wählten die Wiener ÖVP. Die Grünen kamen auf zwei Prozent.

Anders das Bild, wenn man auch Gymnasiasten und junge Studenten miteinbezieht: Insgesamt kam die SPÖ auf 46 Prozent, FPÖ (21) und Grüne (20) lagen fast gleichauf – und die ÖVP erreichte nur zwölf Prozent.

Zum Vergleich: Von den Pensionisten wählten knapp 51 Prozent rot, 28 Prozent blau, 13 Prozent schwarz und fünf Prozent grün.

Trend Laut einer SPÖ-internen Umfrage sieht die Bilanz nach einem Jahr Rot-Grün übrigens wie folgt aus: Würde jetzt gewählt, hielte die SPÖ bei 43 Prozent (–1). Die Grünen legen leicht zu (14, plus 1). Auch die FPÖ legt zu (27, plus 1,3). Abgeschlagen bleibt die ÖVP. Sie stürzt auf 8 Prozent ab (minus 5,9).

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