Wien: Puzzlespiel nach Flugzeugabstürzen

Wien: Puzzlespiel nach Flugzeugabstürzen
Flugzeugabstürze: Ein Expertenteam nimmt jeden Unfall genau unter die Lupe. In einer eigenen Halle werden Trümmer wieder zusammengesetzt

Der Polizeihubschrauber verlor plötzlich an Höhe, streifte den Kamin eines Hauses und zerschellte auf einem Wiesenstreifen neben der Laßnitz. Mitten im Stadtgebiet von Deutschlandsberg. Pilot Günther W., 39, wird an jenem Märztag im Jahr 2009 nur noch tot aus den Trümmern des Helikopters geborgen. Polizist Anton H., 49, erliegt Tage später seinen Verletzungen. Ein dritter Beamter überlebt den Absturz.

Szenenwechsel. In der geräumigen Halle der Flugunfall-Untersuchungsstelle am Gelände der Bundesanstalt für Verkehr in Strebersdorf in Wien-Floridsdorf steht heute noch das Wrack des damals abgestürzten Polizeihubschraubers vom Typ Ecureuil AS 350 B1. Gleich daneben sind die Überreste jenes Polizei-Eurocopters 135 aufgebaut, der im März in den Tiroler Achensee gestürzt ist. Vier Polizisten starben. Dahinter liegen Trümmerteile einer Cessna 310, Stücke eines zerstörten Ultraleichtflugzeuges und weitere Wracks.

"Hier untersuchen wir wenn nötig jedes einzelne Teil eines abgestürzten Flugzeugs", erklärt Günther Raicher, Leiter der zehnköpfigen Sicherheitsuntersuchungsstelle Zivilluftfahrt. Eine Arbeit, die einem riesigen Puzzlespiel gleicht - müssen doch mitunter kleinste Trümmerteile an ihren ursprünglichen Platz gesetzt werden. Den Experten geht es nicht darum, zu klären, wer an einem Unfall Schuld hat. Dafür bestellt das Gericht Sachverständige. Die genaue Ursachenerforschung dient dazu, Herstellern von Fluggeräten, Betreibern und Behörden Verbesserungsvorschläge für mehr Sicherheit zu liefern.

Rätsel

Wie im Fall eines abgestürzten Segelfliegers im Juni 2010 in Kärnten: Nach einem Kunstflug brach bei dem Segler vom Typ L13 Blanik in 500 Meter Höhe plötzlich eine Tragfläche ab. Für die zwei Insassen gab es keine Chance mehr. Raicher und sein Team stellten fest, dass sich durch Schäden an den Bohrlöchern des Beschlags, der Tragfläche und Rumpf verband, ein Riss gebildet hatte, der einen Dauerbruch auslöste. Weltweit wurden 4000 Flugzeuge diesen Typs gesperrt, bis die Teile modifiziert wurden.

"Es gibt in fast allen Fällen eine Erklärung", sagt Raicher, selbst Pilot und Ballonfahrer. Doch trotz monatelanger, ja jahrelanger Untersuchungen gibt es Unfälle, deren Auslöser Rätsel bleiben. Wie beim Absturz des Hubschraubers in Deutschlandsberg. Raicher: "Sicher ist, dass das Triebwerk ausgefallen ist." Warum die neue Turbine der einmotorigen "Ecureuil" aussetzte, ist offen. In wenigen Tagen gibt es ein Meeting mit dem Hersteller und "ich hoffe, dass wir da eine Klärung finden".

Einer der schlimmsten Einsätze in Raichers knapp 35-jährigem Berufsleben war der "LaudaAir-Absturz" vor 20 Jahren in Thailand. Auch heute noch ist für ihn der belastendste Teil der Arbeit das hinter den Unglücken stehende menschliche Leid: "Das ist schmerzlich."

Kurios

Menschliches Versagen - das ist bei der größeren Zahl aller Flugunfälle der Auslöser. Dass dabei auch Piloten, die unter Alkohol- oder gar Drogeneinfluss stehen, eine Rolle spielen, sei zumindest in den letzten Jahren eher eine Seltenheit.

Einer der wohl kuriosesten Fälle: In Oberösterreich drehte ein betrunkener Pilot seinen Flieger "aufs Kreuz", die Maschine stürzte ab. An der Unfallstelle fand sich weder der Pilot noch Passagier. Deren Leichen wurden schließlich in einem Feld gefunden - sie waren beim Wendemanöver kopfüber aus dem Flugzeug gefallen.

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