Wien: Prager Autor könnte bald aus Gefängnis frei kommen
Der Prager Journalist Stephan Templ hat gute Chancen, aus seiner einjährigen Gefängnisstrafe in der Justizanstalt Wien-Simmering vorzeitig entlassen zu werden. Der Historiker hatte bei der Restitution eines Palais in Rathausnähe (das ehemalige Sanatorium Fürth) für seine Mutter eine Entschädigung von 1,1 Millionen Euro erwirkt und dabei die Existenz seiner Tante verschwiegen.
Jetzt stellt sich heraus: Templ hatte die Schwester der Mutter schon davor mehrmals erwähnt. Dem Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus muss bekannt gewesen sein, dass es eine weitere anspruchsberechtigte Hinterbliebene gibt.
Die Gefängnisstrafe für den kritischen jüdischen Buchautor („Unser Wien: Arisierung auf österreichisch“) bescherte Österreich von der New York Times bis zum Spiegel international negative Schlagzeilen. Das Urteil wegen Betruges ließ offen, wer überhaupt geschädigt sein soll: Der Privatbeteiligten-Anschluss der auf den Zivilrechtsweg verwiesenen Tante wurde nicht anerkannt, die Republik Österreich erachtete sich nicht für geschädigt, aber Templ sitzt seit Oktober 2015 in Haft.
Ein Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens wurde abgeschmettert. Jetzt könnte das Oberlandesgericht Wien jedoch Templs Beschwerde Recht geben, wenn es dem Antrag der Oberstaatsanwaltschaft folgt. Diese regt die Überprüfung der neuen Beweismittel im Hinblick auf eine mögliche Wiederaufnahme an. Dadurch wäre auch eine Hemmung des Strafvollzuges wahrscheinlich.
Zeugenvernehmung
Die oberste Anklagebehörde beantragt nun die Einvernahme der Mitarbeiterin des Entschädigungsfonds als Zeugin. Dadurch könne die subjektive Tatseite des vorgeworfenen Betruges möglicherweise anders beurteilt werden.
Abgesehen davon wird (wie bei allen zum ersten Mal Verurteilten) geprüft, ob Templ in einem Monat nach Verbüßung der halben Strafe bedingt entlassen werden kann. Lehnt das Gericht ab, kann der Justizminister dem Bundespräsidenten eine Begnadigung aus „individuellen Gnadengründen“ vorschlagen, wie Sektionschef Christian Pilnacek dem KURIER erläutert.
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