Wien: Geschäft mit der Zweiklassenmedizin

Wien: Geschäft mit der Zweiklassenmedizin
Die Stadt Wien will mit Privatspitälern in den Ring steigen und mehr Kasse mit Klassepatienten machen. Es geht um Millionen.

Michael Gnant ist ein mächtiger Mann: Spitzenmediziner im Wiener AKH, einer der anerkanntesten Brustchirurgen des Landes und bei hiesigen Stadtpolitikern neuerdings sehr begehrt. Es sind Ärzte wie er, von denen sich die Gemeinde zig Millionen Euro fürs Wiener Stadtbudget verspricht. Was ist passiert?

Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) kündigte im KURIER an, den Anteil an Sonderklassepatienten in öffentlichen Spitälern erhöhen zu wollen. Die Stadt will künftig mehr Kasse mit Klassepatienten machen. "Das sind zig Millionen Euro, die ich nicht den Privatkliniken überlassen will", sagt Wehsely. Derzeit liegt der Anteil der Privatpatienten in den Gemeindespitälern bei nur fünf Prozent. Jährlich spülen die Sonderklasse­patienten 32 Millionen Euro in die Kassen des zur Stadt gehörenden Krankenanstaltenverbunds (KAV). Geld, das letztlich auch normal versicherten Patienten zugute kommt, weil dabei die Spitäler mitschneiden. Das Ziel der Stadt lautet nun: "Ein Privatpatientenanteil von elf Prozent wäre durchaus realistisch", sagt KAV-Boss Wilhelm Marhold. Damit könnte der öffentliche Spitalsträger mit jährlich 60 Millionen Euro rechnen.

Doch was muss passieren, damit Ärzte wie Gnant der "Goldenen Meile" – so wird das Privatklinikengrätzl rund um das AKH genannt – den Rücken kehren? "Wir könnten die Hotelkomponente weiter verbessern", sagt Marhold.

Gnant, der sein AKH-Salär auch mit Operationen im Goldenen Kreuz aufbessert, hält dagegen: "Der Vorstoß ist zu begrüßen. Doch wegen einer zweiten Nachspeise wechselt niemand ins Gemeindespital." Seine Botschaft lautet: Patienten wollen dort behandelt werden, wo die Leistung besser ist, und Ärzte wollen dort operieren, wo sie mehr verdienen.

Neuer Vorstoß

Wien: Geschäft mit der Zweiklassenmedizin

Das scheint man auch im KAV zu ahnen. Marhold lässt nun mit einem Vorstoß aufhorchen: Geht es nach ihm, sollen Ärzte, die Privatpatienten in öffent­lichen Spitälern operieren, deutlich mehr verdienen. Derzeit erhält ein Primar 60 Prozent des Honorars. Die restlichen 40 Prozent muss er mit der Belegschaft teilen. Marhold kann sich vorstellen, dass die Ärzte künftig 80 Prozent bekommen, damit am Ende des Tages mehr Privat-OPs in seinen Häusern durchgeführt werden. "Es wäre auch sinnvoll, den Infrastrukturbeitrag (den operierende Ärzte dem Spital entrichten müssen, Anm.) zu senken." Derzeit gehen zwölf Prozent der Honorare an das jeweilige Spital.

Während ersteren Vorschlag nur der Bund umsetzen kann, wäre eine Senkung des Infrastrukturbeitrags auch im Gemeinderat möglich. Im Büro der Stadträtin will man sich dazu noch nicht äußern. Die Ärztekammer würde die Senkung des Infrastrukturbeitrags begrüßen.

Eine Million Zusatzversicherungen

Rund eine Million Österreicher verfügen über private Zusatzversicherungen. Für oft mehrere hundert Euro im Monat können sie ihren behandelnden Arzt auswählen, sie genießen mehr Komfort im Spital ("Hotelkomponente") und haben den Vorteil, dass Kosten alternativer Behandlungsmethoden oft übernommen werden. Die Ärzte profitieren wiederum von üppigeren Honoraren, die sie – sofern sie in Privatspitälern operieren – auch nicht im selben Umfang mit den nachgeordneten Ärzten und mit dem Spitalsträger teilen müssen. Der Rechnungshof sprach bereits vor Jahren von Einkommen von knapp 30.000 Euro – pro Monat.

Was trotz Zusatzversicherung nicht möglich sein sollte: Klassepatienten dürfen auf OP-Listen nicht vorgereiht werden, dennoch wird dieser Vorwurf immer wieder laut. In Wien wird nun das Anmeldesystem Opera implementiert, das medizinisch unbegründete Vorreihungen erschwert. In dem System hinterlässt jeder Arzt einen digitalen Fingerabdruck. Vorreihungen bleiben nachvollziehbar.

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