Weltkulturerbe: UNESCO setzt Wien auf Rote Liste
"Bitte, setzen Sie Wien auf die Rote Liste!“ Die nicht amtsführende Stadträtin Ursula Stenzel bettelte geradezu darum, die Innere Stadt nicht mit einem blauen Auge davonkommen zu lassen, sondern die Gelbe Karte zu zücken. Die ehemalige Bezirksvorsteherin der Inneren Stadt war Donnerstagvormittag als Vertreterin der NGO „Blue Shield“ zur UNESCO-Konferenz nach Krakau, Polen, gekommen.
Klare Sache
Die Entscheidung ist „sehr, sehr klar, um nicht zu sagen einfach“, sagte der Vorsitzende der Konferenz. Durch die „massive städtebauliche Entwicklung der vergangenen Jahre“ verliere die historische Innenstadt Wiens ihren „außergewöhnlichen, universellen Wert“. Ausschlaggebend für die Entscheidung ist das geplante Hochhausprojekt am Heumarkt mit 66 Metern Höhe. Aber schon in der Vergangenheit habe Wien mahnende Worte der UNESCO ignoriert. Etwa beim Bau des Hochhauses in Wien-Mitte oder beim Hauptbahnhof. Zudem seien die „Stadtplanungsinstrumente zum Schutz des Welterbegebietes unzureichend“. Die Resolution betreffend „Schutz und Entwicklung des historischen Stadtzentrums“, die der Gemeinderat Anfang Mai beschlossen hat, könne „jederzeit wieder aufgehoben werden“, kritisierte der Vertreter aus dem Libanon.
Dagegen wirkte die Verteidigung des Welterbe-Beauftragen der Stadt etwas uninspiriert. „Wien sollte nicht auf die Rote Liste gesetzt werden“, erklärte Rudolf Zunke.
„Falsch-Information“
Im Büro der zuständigen Planungsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) bleibt man trotzdem gelassen. „Das Ergebnis war erwartbar“, sagt ein Sprecher. Es entstehe der Eindruck, die UNESCO wolle hier ein Exempel statuieren. Dass die Resolution zum Schutz der Altstadt als unzureichend angesehen wird, weil sie jederzeit wieder aufgehoben werden kann, könne nur auf ein „Unverständnis des demokratischen Rechtsstaats“ schließen lassen. „Jeder Beschluss kann durch entsprechende Mehrheiten in einem Quorum wieder aufgehoben werden“, heißt es aus Vassilakous Büro. Die UNESCO verfüge wohl über „Falsch-Informationen“.
Bis 1. Februar 2018 hat Wien Zeit, auf die Kritik zu reagieren. Geschieht das nicht, droht im schlimmsten Fall die Aberkennung des Welterbe-Status. Dass das Hochhaus am Heumarkt nun niedriger gebaut wird, ist aber unwahrscheinlich. „Es gibt einen gültigen Beschluss über die neue Flächenwidmung. Der wurde vom Gemeinderäte im Wissen der kritischen Sicht der UNESCO gefällt.“
Konvent diskutierte über Gefährdung von 154 Stätten
Bangen hieß es dieser Tage für insgesamt 154 Welterbestätten.Neben Wiens historischem Zentrum und den anderen 98 (noch) normal eingeschriebene Kultur- bzw. Naturstätten, bei denen die UNESCO eine Gefährdung geortet hat, gab es noch jene 55 Stätten, die sich bereits auf der Roten Liste befunden haben. Sie mussten um eine finale Aberkennung zittern. Dazu zählt etwa die historische Hafenstadt von Liverpool, die 2012 wegen Modernisierungsplänen der Viertels als gefährdet eingestuft wurde.
Sie bleibt auch weiterhin auf dieser Liste. Die UNESCO hat aber in Aussicht gestellt, Liverpool den Welterbestatus kommendes Jahr abzuerkennen, sollte sich nichts ändern. Lange diskutiert wurde auch bei den sechs Welterbestätten in Syrien, die sich aufgrund des anhaltenden Bürgerkriegs auf der Roten Liste befinden. Auch hier lautete die Entscheidung der UNESCO: Alle sechs Stätten bleiben auf der Roten Liste.
Aufatmen konnten indes die Verantwortlichen der Nationalparks Sämen (in Äthiopien) und Comoé (an der Elfenbeinküste) – sie wurden von der Roten Liste wieder gestrichen. Sämen war wegen einer neuen Straße, zu vieler Touristen und Comoé wegen Wilderei auf die Liste gekommen.
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