Weitere Opfer brechen ihr Schweigen

Weitere Opfer brechen ihr Schweigen
Immer mehr ehemalige Heimkinder melden sich beim KURIER, um ihre schrecklichen Erfahrungen an die Öffentlichkeit zu bringen.

Ich hätte gerne den Mut, das zu tun, was die beiden Frauen getan haben", sagt Frau Martina aus Wien. Sie will ihren Nachnamen nicht verraten. Aber sie war auch im Kinderheim "am W'Berg", wie das Schloss Wilhelminenberg im Heimjargon genannt wurde. "Das ist wahr, was die sagen."

Eva L. und Julia K. deckten im KURIER-Interview die schrecklichen Zustände auf, die in den 1970er-Jahren im Kinderheim Wilhelminenberg geherrscht haben sollen.

Frau K. (nicht Julia K., Anm.) ist im Jahr 1966 ins Kinderheim gekommen. Auch sie musste Erbrochenes essen, auch ihr wurde mit dem Schlüsselbund der Erzieherinnen ins Gesicht geschlagen. "Am Sonntag gab es oft fetten Schweinsbraten. Und mir hat so gegraust. Ich hab' dann gebrochen. Dann ist die D. (Name der Redaktion bekannt) gekommen. Ich hab' die Hände hinter den Rücken geben müssen und sie hat mir das Erbrochene eingeflößt. Bissen für Bissen. Bis alles weg war."

In die "Gitsch", so nannten die Kinder die Krankenabteilung des Heimes, wurden sie zur "Jungfrauen-Untersuchung" gebracht. Die jungen Mädchen mussten den Unterleib frei machen, wurden rasiert, ein Arzt hat sie untersucht - sehr gründlich, viel zu gründlich, sagt Frau K.

Sie habe sich damals an die Polizei und an das Jugendamt gewandt - getan habe niemand etwas. "Die haben gesagt, ich bin eine Lügnerin."

Verdrängt

"Prügel. Dass Kinder verschwinden. Dass man Erbrochenes essen musste. Das alles stimmt", sagt auch Frau S. aus Wien. "An Vergewaltigungen kann ich mich nicht erinnern, aber vielleicht habe ich das verdrängt."

Herr B. erklärt dem KURIER, dass er in den 1960er-Jahren im Bubenheim auf der Wiener Hohen Warte selbst Schlimmes erlebt hat. Und: "Wir haben damals schon gewusst, dass die Mädchen am Wilhelminenberg vergewaltigt werden."

Zum Thema Vergewaltigung im Kinderheim sagt Frau Martina: "Männer waren schon bei uns im Zimmer. Was die gemacht haben, kann ich nicht sagen. Ich bin dagelegen, steif wie ein Brett und hab' mich nicht gerührt." Näheres will die Frau nicht dazu sagen.

Frau E. schildert rund eine Stunde lang ihr Martyrium am Wilhelminenberg. "Einmal war das Prügeln so schlimm, dass ich mich umbringen wollte. Ich hab' mir mit der Bastelschere die Pulsadern aufgeschnitten."

Schwester Linda war vielen der damaligen Mädchen bekannt: Frau Martina: "Die war die Ärgste." Eine andere Frau: "Die war extrem."

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