Was wäre Wien ohne Welterbestatus?

Bauprojekt am Heumarkt-Areal könnte Wien Welterbestatus kosten
Touristiker fürchten sich nicht vor der Drohung der UNESCO, Wien auf die Rote Liste zu setzen.

Wien wurde verwarnt. Das geplante Hochhaus-Projekt am Heumarkt widerspricht in Höhe und Kubatur den UNESCO-Richtlinien. Bei der Konferenz im Juli wird sich entscheiden, ob Wien auf die Rote Liste gesetzt wird. Bürger- und Künstlerinitiativen warnen vor diesem Schritt. Doch was wären tatsächlich die touristischen Auswirkungen dieser Maßnahme?

Laut Martin Stanits von der Österreichischen Hoteliervereinigung gibt es zwar internationale Reisegruppen, für die der Welterbestatus bei der Reiseplanung ein Kriterium ist. Allerdings sei dieses Label nur ein Faktor, den man – sollte es zur Aberkennung kommen – durch andere Attraktionen kompensieren müsste und auch könnte.

Im Büro von Wien-Tourismus-Chef Norbert Kettner geht man indes davon aus, dass man "keine einzige Übernachtung weniger" haben werde. Sprecherin Andrea Zefferer ergänzt: "Vor allem asiatische Gäste schätzen zwar die historische Substanz von Wien. Dabei geht es aber weniger um das Label, als um die Bauwerke."

Auch Tourismus-Experte Thomas Reutterer von der WU ist der Meinung, dass das Wien-Image stärker sei als das zusätzliche Label Weltkulturerbe. Deshalb müsse sich die Stadt auch nicht davor fürchten, diesen Status zu verlieren.

Dass man mit historischem Erbe achtsam umzugehen habe, stehe dabei außer Frage, meinte Norbert Kettner unlängst in einer Aussendung. Er erinnerte zudem an die Aussage des früheren Direktors des UNESCO-Welterbe-Zentrums, Francesco Badnarin, der sagte: "Die Verleihung des Welterbe-Status an die Wiener Innenstadt 2001 hatte keine messbaren touristischen Folgewirkungen. Eine Aberkennung hätte aus touristischer Sicht ebenso keine."

Ein Blick nach Deutschland bestätigt diese Prognose. Dem Dresdner Elbtal wurde 2009 der Welterbestatus aberkannt. Grund war der Bau der umstrittenen, vierspurigen Waldschlösschenbrücke. Laut Bettina Bunge, Geschäftsführerin der Dresden Marketing GmbH, war die Aberkennung für Dresden zwar sehr bedauerlich, "glücklicherweise konnten wir keine direkten Auswirkungen auf den Tourismus erkennen. Vielmehr gab es zwischen 2009 und 2014 eine Steigerung der Gästeankünfte um knapp 40 Prozent."

"Werte erhalten"

Um den Tourismus ginge es dabei auch gar nicht, meint Gabriele Eschig, Generalsekretärin von UNESCO Austria. Viel mehr um den Erhalt von Werten für die gesamte Menschheit; um die Weitergabe von Kulturerbe an zukünftige Generationen.

Ursprünglich war die Rote Liste als Alarmsignal gedacht, um die Solidarität der anderen Nationen zu wecken. Etwa wenn es durch Bürgerkriege oder Naturkatastrophen zu Beschädigungen kommen sollte. Die Rote Liste sei ja kein Racheackt, die UNESCO wolle auch kein Kulturerbe verlieren. Dass Länder diese Herabsetzung einmal bewusst herbeiführen würden, dass hätte sich "niemand gedacht".

Das Erscheinen auf der Roten Liste muss auch nicht zwingend eine Aberkennung zur Folge haben. Einige Kulturstätten befinden sich seit Jahrzehnten auf der Liste. Und in Köln wurde diese Maßnahme sogar rückgängig gemacht. Wegen geplanter Hochhausbauten wurde der Kölner Dom 2004 in die Rote Liste aufgenommen. Da die Stadt daraufhin die Höhe der im Bau befindlichen Hochhäuser begrenzte und keine weiteren errichtete, die die Sicht verstellen würden, sah die UNESCO keine Gefährdung mehr – und die Kölner Domkirche Sankt Petrus wurde 2006 wieder von der Liste gestrichen.

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