Wiener durchkreuzen rot-grüne Pläne
Eigentlich hätten die beiden Grund, unzufrieden zu sein. Doch Bürgermeister Michael Häupl (SP) und seine grüne Stellvertreterin, Maria Vassilakou, demonstrierten Dienstagvormittag Gelassenheit und Heiterkeit. „Die Wiener haben entschieden“, sagte Häupl auf einer Pressekonferenz im Rathaus. „Wir danken für die hohe Beteiligung, die klarer Beleg dafür ist, dass es sich bei den Fragen eben nicht um Wischiwaschi-Fragen gehandelt hat.“
Die Wiener Volksbefragung ist also Geschichte. 337.834 Wiener bzw. 31,54 Prozent der 1,15 Millionen Wahlberechtigten haben darüber abgestimmt, wie es mit Privatisierungen, Parkpickerl, Bürgerkraftwerken und einer Olympia-Bewerbung weitergehen soll (Detailergebnisse siehe unten).
Die Analyse
Klar ist nach dieser knapp sieben Millionen teuren Volksbefragung aber auch: Die Wiener durchkreuzten mit ihrem Votum die rot-grünen Polit-Pläne. Anders als von Häupl erhofft, sprachen sich die Bürger mit 71,94 Prozent klar gegen eine Bewerbung Wiens für die olympischen Sommerspiele 2028 aus („Ich finde es persönlich schade“).
Und anders als von Vassilakou ersehnt, erteilten die Wiener dem grünen Plan, die Pickerl-Politik künftig zentral im Rathaus zu steuern, mit 62,52 Prozent eine deutliche Abfuhr. Auch in Zukunft wird Vassilakou ohne Zustimmung der mächtigen Bezirkskaiser keine Pickerl-Zonen einführen können.
Eine breite – und ob der Fragestellungen auch absehbare – Zustimmung gab es hingegen für den rot-grünen Kurs, öffentliche Dienstleistungen vor Privatisierung zu schützen und den Ausbau von Öko-Projekten zu forcieren.
Geriet die Befragung vor diesem Hintergrund zur rot-grünen Niederlage, wie die Opposition sogleich argumentierte? „Es geht nicht um Siegen oder Verlieren“, sagte Häupl. Es liege eine Entscheidung vor, die zur Kenntnis zu nehmen sei. „Da braucht man nicht herumreden, das ist umzusetzen.“ Vassilakou, die eine eigene Pressekonferenz abhielt, stieß ins selbe Horn: „Ich bin zufrieden mit diesem Ergebnis, es ist eindeutig eine Anleitung und ein Auftrag.“
Die Konsequenzen
Was bedeutet das Votum also konkret für die Wiener? Mit welchen politischen Weichenstellungen darf gerechnet werden? Aufhorchen ließ Häupl mit der Ankündigung, trotz geplatzter Olympia-Träume in Sportstätten investieren zu wollen. Konkret sollen nicht nur Umsetzungspläne für ein neues Schwimmsportzentrum gewälzt werden, Häupl wünscht sich auch ein neues Leichtathletikzentrum. „Ich habe Sportstadtrat Christian Oxonitsch beauftragt, entsprechende Pläne auszuarbeiten.“ Wann solche Zentren wo errichtet werden könnten? „Ich bin bloß der Bürgermeister und nicht der Zauberer.“ Für einen Zeitplan sei es noch zu früh.
Auch beim Pickerl könnte es trotz des aktuellen Votums noch heuer zu Änderungen kommen. Vassilakou betonte zwar, dass das Thema Ausweitung der Gebührenzone vorerst erledigt sei. „Denn ich rechne nicht damit, dass demnächst ein weiterer Bezirk die Einführung beantragt.“ Allerdings will die Ressortchefin noch bis Sommer einen Vorschlag für ein neues Pickerl-Tarifmodell vorlegen – fußend auf Empfehlungen der vor Monaten eingesetzten Expertengruppe.
Die Rathaus-Opposition, die nicht müde wurde, das Plebiszit in den vergangenen Wochen zu geißeln, sparte auch heute nicht mit Kritik (siehe Reaktionen unten). Die FPÖ sprach ob der aus ihrer Sicht geringen Wahlbeteiligung vom „Bauchfleck“. Und ÖVP-Boss Manfred Juraczka interpretierte das klare „Nein“ zur Olympia-Bewerbung dahingehend, dass diese Frage als „Ablenkungsmanöver“ missbraucht worden sei. Er freute sich, dass zahlreiche Wähler der Aufforderung der ÖVP gefolgt seien, die Frage zum Parkpickerl nicht bzw. ungültig zu beantworten.
Die Steuerzahler, vor allem jene in Westösterreich, dürfen beruhigt sein. Mit ihrem Geld wird Wiener Großmannsucht nicht befriedigt, werden keine ausländischen Olympia-Bonzen bestochen, kann Wiens Bürgermeister Michael Häupl kein Denkmal in Form eines Superstadions gesetzt werden.
Die Wiener haben mit deutlicher Mehrheit gegen eine Olympia-Kandidatur für die Sommerspiele 2028 gestimmt.
War es ein Volks-Entscheid gegen Hochstapelei, verdient er Applaus. Steckt generelle Sportaversion dahinter, muss ich als Sportjournalist das klare Nein ebenso bedauern wie der oberste Rathausmann, obwohl wir 2028 vermutlich ohnehin keinen Ausgang vom Altersheim bekommen würden.
Häupl kam auf die Olympia-Idee sicher auch deshalb, weil er weiß, dass sich hierzulande bald nur noch mit internationalen Topveranstaltungen eine Verbesserung der Infrastruktur rechtfertigen lässt. Vielerorts ist das Kulturbudget längst höher als jenes vom Sport, der auch selbst schuld trägt (Fan-Skandale, überhöhte Gagen, Doping) an seinem Negativ-Image.
Doch hier sollen nicht Kultur und Sport auseinanderdividiert, sondern nur davor gewarnt werden, dass fehlende Sportplätze und übergewichtige Jugendliche den Staat längerfristig ähnlich viel Geld kosten wie eine absurde Olympia-Bewerbung. Nach deren Ablehnung gehört erst recht mehr Bewegung rein ins Land.
Gerald Klug (Sportminister): "Es war natürlich eine Chance für den Sport. Die Entscheidung der Bevölkerung ist aber zur Kenntnis zu nehmen. Auch ohne Olympische Spiele in Wien gilt es, die Jugend für die Spiele der Zukunft fit zu machen. Dazu benötigt es moderne Sportstätten, eine professionelle Struktur und gut ausgebildete Trainerinnen und Trainer.“
Karl Stoss und Peter Mennel (Präsident und Generalsekretär des Österreichischen Olympischen Comitees/ÖOC): "Es liegt in erster Linie an der Politik, dieses Ergebnis im Detail zu bewerten. Wir akzeptieren das Ergebnis der Abstimmung. Gleichzeitig würden wir es begrüßen, wenn die Stadt Wien in Sportinfrastruktur investiert, um den heimischen Top-Athleten optimale Trainingsbedingungen ermöglichen zu können und damit auch die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass in Wien weiterhin regelmäßig große internationale Sport-Events zur Austragung gelangen – wenn auch nicht von der Dimension Olympischer Sommerspiele.“
Christian Meidlinger (Präsident Schwimm-Verband/OSV): "Für den Sport finde ich es schade, dass es nicht gelungen ist, das so zu transportieren, dass das eine tolle Angelegenheit für Wien ist. Für den Schwimmsport hoffe ich, dass die geplanten Sportzentren in Wien und in Innsbruck trotzdem zur Umsetzung kommen. Darauf hat das Abstimmungsergebnis aber keine Auswirkung, wir brauchen die Schwimmhallen und Trainingsstätten jetzt und nicht erst 2028."
Martin Hausleitner (Generalsekretär Handball-Bund/ÖHB): "Wir würden Lügen, wenn wir sagen, wir hätten es anders erwartet. Was uns positiv stimmt, ist, dass diese Befragung aufgezeigt hat, dass es im Bereich Infrastruktur der Sportstätten große Probleme gibt. Wir hoffen, dass das ein Startpunkt ist. Wir streben eine Bewerbung für eine EM an, aber das geht nur mit einer neuen Halle für 15.000 Zuschauer."
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