Das Schreckgespenst Privatisierung

Das Schreckgespenst Privatisierung
Als Schutzmacht kommunaler Betriebe will die SPÖ Stammwähler mobilisieren.

Verrostete Bim-Garnituren und Hydranten – all das droht den Wienern, sollte es zu einer Privatisierung von kommunalen Dienstleistungen kommen. Zumindest, wenn man den aktuellen Plakaten der SPÖ zur Wiener Volksbefragung Glauben schenkt.

Das Team um Michael Häupl konzentriert seine Kampagne ganz auf die dritte Frage, mit der die Bürger entscheiden sollen, ob die kommunalen Betriebe mit ihren „wichtigen Dienstleistungen“ vor einer Privatisierung „geschützt“ werden sollen. Für Politologen eine reichlich suggestive Frage, mit der sich aber die roten Kernwähler mobilisieren ließen.

Besonders zieht bei der Stammklientel das Schreckgespenst einer Privatisierung der Wasserversorgung, welche angeblich die EU plant (siehe unten). Gerne wird dabei das Beispiel Paris ins Feld geführt, das nach negativen Erfahrungen – unter anderem hohe Preisanstiege – die Wasserversorgung wieder rekommunalisiert.

Teurer wurde Wasser in Wien aber auch ohne Privatisierungen, betont ÖVP-Chef Manfred Juraczka mit Verweis auf die 33-prozentige Gebührenerhöhung 2012.

Das Schreckgespenst Privatisierung
Grundsätzlich bestehe aber ein Vier-Parteien-Konsens darüber, dass eine Privatisierung der Wasserversorgung kein Thema sei. Juraczka spricht sich hingegen für eine Durchforstung der städtischen Wien Holding mit ihren 85 Unternehmen aus. „Darunter die burgenländische Tierkörperverwertung. Die braucht kein Mensch zur Daseinsvorsorge.“

Potenziale

In Wien sei „Privatisierungspotenzial durchaus vorhanden“, sagt Jörg Borrmann vom Institut für Finanzwirtschaft an der Uni Wien. International nicht unübliche Ausschreibungen für Konzessionen für den Nahverkehr, die Müllabfuhr oder im Energiesektor könnten mehr Wettbewerb schaffen. Kommunen könnten mit Kostensenkungen rechnen, Kunden mit niedrigeren Preisen. Ein Risiko sei jedoch, dass Löhne kurz- und mittelfristig sinken würden.

Privatisierungen funktionieren aber nur dann, wenn man die Konzessionen öffentlich ausschreibt und gut designt“, betont Borrmann. Problematisch seien Vergaben nach dem Prinzip der Freunderlwirtschaft und auch solche, die sich ausschließlich am niedrigsten Preis orientieren.

Die aktuelle Volksbefragung lässt freilich eine derart differenzierte Beurteilung kaum zu. Für den Wiener Politologen Peter Filzmaier müsste die Fragestellung viel konkreter sein. Schließlich könne man ja in einzelnen Teilbereichen für und in anderen gegen eine Privatisierung sein.

Was insofern keine Rolle spielt, als das Abstimmungsergebnis von Frage 3 de facto ohnehin folgenlos bleibt: Sollten sich die Wiener wider Erwarten für Privatisierungen aussprechen, werde die SPÖ trotzdem keine vornehmen, hat Klubobmann Rudolf Schicker bereits angekündigt. „Aber wir werden den Schutz auch nicht weiter vorantreiben.“

Gewinnspiel

Wenn ab Mittwoch die Wiener Stadtregierung zur großen Volksbefragung bittet, dann haben die KURIER-Leser Grund zur Freude. Tippen Sie bis 20. März die Ergebnisse der einzelnen Fragen zu Parkpickerl, Olympia-Bewerbung, Privatisierung und erneuerbarer Energie und schätzen Sie die Wahlbeteiligung. Wer den Ergebnissen der Volksbefragung am nächsten kommt, gewinnt eines von fünf KURIER-Goodiebags.

Eines steht bei der EU-Konzessionsrichtlinie außer Streit: Keine Gemeinde wird gezwungen, die Wasserversorgung zu privatisieren.

Die Richtlinie sieht Regeln vor, wenn Kommunen Dienstleistungen für einen bestimmten Zeitraum an private Firmen auslagern. Ab einem Vertragswert von acht Millionen Euro soll es eine EU-weite Ausschreibung geben, plant die EU-Kommission. Das Ziel laut Binnenmarktkommissar Michel Barnier: mehr Transparenz, weniger Freunderlwirtschaft.

Kritiker befürchten hingegen, dass sich Gemeinden aus Geldnot zur Privatisierung gezwungen sehen. Und dass bei den Ausschreibungen Konzerne gewinnen, die sich mehr um ihre Profite als um „unser“ Wasser sorgen.

Nach den heftigen Protesten vor allem in Österreich und Deutschland hat Kommissar Barnier nun eine Ausnahme angekündigt, die nur für die Wasserversorgung gilt, nicht für andere Dienstleistungen: Stadtwerke sind nicht betroffen, wenn sie der öffentlichen Hand gehören und 80 Prozent ihres Wasser-Umsatzes mit Leistungen für die Gemeinde machen.

Für Wien heißt das: An der städtischen Wasserversorgung ändert sich nichts. Die Stadt kann irgendwann die Wasserversorgung privatisieren – sie muss aber nicht.

Ein Fragezeichen bleibt: Wien versorgt auch andere Gemeinden mit Wasser. Bisher geht das ohne Ausschreibung; kommt die EU-Richtlinie wie geplant, dürfte dies nicht mehr so einfach gehen.

Es ist jene Frage bei der Befragung, die wie keine zweite polarisiert: Soll sich Wien für die Austragung der Olympischen Sommerspiele 2028 bewerben? Laut Umfrage sind die Wiener in der Frage gespalten. 44 Prozent von 500 Befragten können sich für die Spiele begeistern – 36 Prozent nicht.

Was würde passieren, wenn sich die Befürworter in der Frage durchsetzen? Wie siegessicher könnte Wien ins Rennen um den Austragungsort gehen? Fix ist: Allein die Bewerbung würde einen zweistelligen Millionen-Eurobetrag kosten. Bei einem Zuschlag durch das Olympische Komitee (IOC) würden weitere Investitionen fällig. In London kosteten die Spiele im Vorjahr 11,48 Milliarden Euro. Größter Investitionsbrocken wäre die Finanzierung eines Olympiastadions, das eine Netto-Kapazität von 60.000 Personen haben muss. Zum Vergleich: Das Happel-Stadion bietet rund 50.000 Zuschauern Platz.

Wie würde die weitere Bewerbung aussehen? 2013 stimmt das IOC in Buenos Aires über die Austragung der Spiele 2020 ab. Istanbul, Madrid und Tokio stehen zur Wahl. Erst 2019 versendet das IOC Einladungen zur Abgabe einer Bewerbung für 2028. Danach entscheidet das IOC, wie viele und welche Bewerber zugelassen sind. Erst Ende 2021 findet die Wahl des endgültigen Ausrichters der Spiele 2028 statt.

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Dass ausgerechnet die ÖVP der Inneren Stadt nun ein Demokratie-Paket für die Bürger zu schnüren beginnt, ist angesichts der Parkpickerl-Umfragen, zuletzt etwa in Hietzing ( 57,9 Prozent der Wähler haben mitgemacht, 78,5 % das Pickerl abgelehnt) etwas verwunderlich. Allerdings nur auf den ersten Blick, denn auch die City hatte zuletzt mit Bürgerinitiativen ihre liebe Not.

VP-Obmann Marcus Figl,Großneffe des Kanzlers Leopold Figl, und seine Partei fordern in einer Resolution mehr Entscheidungsrechte für die Bezirke, ein ordentliches Budget, mit dem man Bezirkswünsche auch verwirklichen kann und mehr Bürgermitsprache: Er will Volksbegehren auf Bezirksebene und mehr Transparenz: Anträge und Abstimmungen könnten dann im Internet veröffentlicht werden, und letztlich soll auch eine Direktwahl der Bezirkschefs ermöglicht werden.

Dazu wäre freilich eine große Wahlrechtsreform nötig. Und diese schlummert bei Rot-Grün friedlich weiter.

Schließlich gibt es wichtigeres zu tun: Im Bund ringt man noch an einer Verfassungsbestimmung zu den verheerenden Länderfinanzen. Aber in Wien soll das Spekulationsverbot (15a-Vereinbarung) noch vor dem Sommer Gesetz werden, wie Finanzstadträtin Renate Brauner (SP) und Martin Margulies (G) am Montag erklärten.

Die Vereinbarung zielt auf eine risikoarme Finanzgebarung ab und schreibt Richtlinien für Risikomanagement vor. Derivate werden drastisch eingeschränkt und neue Fremdwährungskredite (38% der Schulden Wiens) sind dann verboten.

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