Vassilakou wirft Kurz "skrupellosen Opportunismus" vor

Maria Vassilakou
Maria Vassilakou kündigt nach den Heumarkt-Querelen eine Parteireform an.

Wiens Vizebürgermeisterin ist besorgt über die Entwicklungen in der ÖVP. Vom Radweg am Getreidemarkt habe sie mittlerweile auch Michael Häupl überzeugt.

KURIER: Die Wiener SPÖ ist tief gespalten, jetzt ist auch die Bundes-ÖVP in Turbulenzen. Sind Sie erleichtert, dass dadurch die grünen Querelen aus den Schlagzeilen verdrängt werden?

Maria Vassilakou: Wichtiger als die Hausaufgaben, die wir machen müssen, ist die Frage, wie es mit der Bundesregierung weitergeht. Ich bin sehr besorgt über die aktuelle Wendung: Nun scheint in der ÖVP endgültig die Stunde der Opportunisten geschlagen zu haben. Sowohl Sebastian Kurz als auch Wolfgang Sobotka stellen die persönliche Inszenierung über alles andere.

Bei Christian Kern sehen Sie diese Selbstinszenierung nicht?

Bei aller Kritik als Grüne weiß ich zu genau, wer die Scharfmacher gegen Flüchtlinge und sozial Schwächere sind. Und wer alle nötigen Reformen – von der Mindestsicherung, dem Mietrecht bis zur Schule – blockiert: die ÖVP. Mit der Übernahme durch Kurz wird das alles noch viel schlimmer. Ich befürchte, dass sein skrupelloser Opportunismus die gesamte Partei erfasst.

Woran sehen Sie diese Skrupellosigkeit?

Zuletzt hat Kurz im Zusammenhang mit Viktor Orbans Politik gesagt, man müsse aufhören, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Ich kann nur den Schluss daraus ziehen, dass er selbst sich bereits jenseits von Gut und Böse befindet.

Möglicherweise stehen Neuwahlen im Herbst an. Welche Auswirkungen hätte Schwarz-Blau für Wien?

Das wäre ein schwerer Schlag. Schon jetzt lässt die ÖVP keine Gelegenheit aus, das zu zerstören, was Wien ausmacht. Ein Beispiel: In eine Gesetzesnovelle hat sie versucht, Regelungen einzuschleusen, die die Zerschlagung der Wiener Linien bedeutet hätten: Indem man Wien zwingt, jede Bus- und Straßenbahnlinie einzeln auszuschreiben. Ich gehe davon aus, als Nächstes kommen dann Gesetze mit dem Ziel, die Gemeindewohnungen zu verkaufen oder das Wasser zu privatisieren.

Am 1. Juni wird im Gemeinderat über das Hochhausprojekt am Heumarkt abgestimmt. Werden Sie danach eine Flasche Sekt aufmachen?

Gute Frage. Ich werde auf jeden Fall erleichtert sein.

Egal, wie es ausgeht?

Es wurde fünf Jahre an dem Projekt gearbeitet und ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich es für ein gutes Projekt halte. Es wird gut sein, wenn es die Zustimmung gibt, wonach es derzeit auch aussieht.

Was passiert, wenn zu wenige Grüne dafür stimmen?

Dann entsteht zweifelsohne eine sehr schwierige Situation. Nicht nur für mich, sondern auch für die rot-grüne Zusammenarbeit.

Wäre dann Rot-Grün tot?

Ich habe aus der Vergangenheit gelernt, dass man besser erst sagt, was man tut, wenn die Situation eintritt.

Wie wollen Sie die Parteifreunde wieder ins Boot holen, die gegen das Projekt sind?

Durch die negative Urabstimmung sind wir nun in einer schwierigen Situation. Da liegt es an uns allen, die Lehren daraus zu ziehen.

Welche genau?

Wir müssen unsere Kommunikations- und Entscheidungsfindungsstrukturen weiterentwickeln. Wir sind seit sieben Jahren Regierungspartei und haben die Strukturen aus der Oppositionszeit beibehalten. Anhand des Heumarkts kann jeder erkennen, dass es Änderungsbedarf gibt. So etwas soll nie wieder passieren.

Wie wollen Sie das künftig ausschließen?

Gerade bei kontroversiellen Projekten müssen die Informationen sehr früh an alle Beteiligten kommen. Aber wir müssen uns auch klare Regeln geben, um Beschlüsse, die einmal gefasst worden sind, aufrecht zu erhalten. Als Regierung ist man auch Behörde. Daher braucht es die Zuverlässigkeit, dass Beschlüsse nicht später aufgehoben werden. Dass müssen alle verstehen.

Zum Radweg auf dem Getreidemarkt: Die SPÖ hat dafür gestimmt, dennoch will Häupl noch einmal darüber reden. Wie sehr vertrauen Sie noch seiner Handschlagqualität?

Ich hatte mit ihm bereits ein Gespräch. Es ist nachvollziehbar, dass er sich Sorgen macht, wenn er sich mit einer derartigen Kampagne gegen ein Projekt konfrontiert sieht. Wir sind aber absolut einer Meinung, dass die Beseitigung einer großen Gefahrenstelle an einer der am stärksten befahrenen Radrouten Priorität haben muss.

Laut ÖAMTC gab es dort zwischen 2013 und 2015 nur drei Radler-Unfälle mit Personenschaden.

Was heißt nur drei Unfälle? Zwei waren mit Beteiligung von Autos. Es ist unsere Aufgabe, Tote und Verletzte zu vermeiden. Da gibt es nichts zu diskutieren. Der ÖAMTC kampagnisiert politisch motiviert dagegen, als würden wir noch in der Verkehrspolitik der 60er-Jahre leben.

Aber ist der Ärger über die Staus dort nicht berechtigt?

Jeder weiß, dass bei solchen Baustellen an den ersten drei Tagen Staus entstehen. Das legt sich nach einiger Zeit.

Wird das Projekt überarbeitet?

Es bleibt, wie es beschlossen ist. Das ist auch für den Bürgermeister so in Ordnung.

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