Mehrheit wünscht Vorbereitungsklassen für Flüchtlinge

Die Integration der Flüchtlinge ins Schulwesen gelingt derzeit eher schlecht als recht
Wien muss besonders viele Flüchtlinge integrieren. Was Schüler besser machen würden.

Wie integriert man schulpflichtige Flüchtlingskinder bestmöglich in das Bildungssystem? Die VP-nahe Schülerunion wollte das wissen und hat eine Umfrage mit dem Titel "Vielfalt" ins Leben gerufen, bei der 10.000 Menschen in Wien teilgenommen haben. Denn Wien ist besonders betroffen - 3.645 schulpflichtige Flüchtlingskinder wohnen hier. "Jeder Mensch hat ein Anrecht auf Bildung. Wir als Schülerunion Wien haben einen Mangel eines einheitlichen Systems bemerkt und nahmen uns daher sofort diesem aktuellen Problem an. Damit in dem Prozess der Lösungsfindung die Schulpartner und deren Meinung nicht übersehen werden, starten wir die Umfrage", sagt Ebrahim Radwan, Landesobmann Schülerunion Wien.

Teilgenommen haben vor allem Schüler, aber auch Lehrer und Eltern. Ergebnis: die meisten geben der Integration keine guten Noten. Interessantes Detail: 81 Prozent aller Befragten wollen spezielle Vorbereitungsklassen.

Folgende Themen und Konzepte wurden abgefragt:

Buddy-System

Eine einfache, kostenarme und effektive Art der Betreuung von schulpflichtigen Flüchtlingen sei das Buddy-System. Für dies haben sich 72 Prozent der Befragten ausgesprochen. Die Idee: Schüler unterstützen Flüchtlingskinder freiwillig in und außerhalb der Schule. Sie helfen bei Hausaufgaben, Unsicherheiten und bei der Integration in die Gesellschaft – ehrenamtlich, freiwillig und im Rahmen seiner Möglichkeiten. "Aus Erfahrungsberichten mit anderen Arten der Buddy-Betreuung wissen wir, dass Wiens Schülerinnen und Schüler bereit sind, hier einen Teil beizutragen. Als Anerkennung könnte das im Zeugnis vermerkt werden", sagt Radwan.


Fortbildungen für Lehrer

Lehrerinnen und Lehrer sollten Fortbildungen besuchen, in denen sie gezielt im Umgang mit Flüchtlingen geschult werden - so die Forderung der Schüler. Dies vereinfache die Kommunikation im Unterricht und das Beisammensein in der Klasse. In diesen Fortbildungen sollen sie im interkulturellen Dialog sowie in der Methodik des Unterrichtes mit Flüchtlingen geschult werden, damit die regulären Schülerinnen und Schüler in der Klasse nicht vernachlässigt werden und der Flüchtling im Lehrstoff den Anschluss nicht verliert. Das Problem im Moment ist, dass durch das immense Konzentrieren auf den Flüchtling, andere Schülerinnen und Schüler vernachlässigt werden. In der Fortbildung sollte auch die Stärkung der Klassengemeinschaft inbegriffen sein, da es im Verlauf zu Problemen kommen könnte. "Außerdem sollte das Lehrpersonal über die Ethnien Bescheid wissen, damit die Lehrer dementsprechend über die Besonderheiten der Kulturen eingestellt ist und auch aktiv mit dem Schüler arbeiten kann. Es geht darum, wie Lehrerinnen und Lehrer am besten mit Flüchtlingen umgehen", hoffen die Schüler.

Vorbereitungsklassen

Vorbereitungsklassen sollten laut den Vorschlägen der Schülerunion in Basis- und Integrationsklassen aufgeteilt werden. Hierfür sprechen sich 81 aller Befragten aus. "In Basisklassen kommen jene Jugendliche, die der lateinischen Schrift nicht mächtig oder nicht alphabetisiert sind. Danach gelangen sie in eine Internationale Vorbereitungsklasse (IVK). In einer IVK sind Schülerinnen und Schüler mit mangelhaften Deutschkenntnissen. Der Schwerpunkt aller Maßnahmen besteht darin, den Kindern und Jugendlichen das Erlernen der deutschen Sprache zu ermöglichen und ihnen so möglichst reibungslos die Integration innerhalb des deutschsprachigen Lebensumfeldes zu gewährleisten. Kinder und Jugendliche können jederzeit in eine leistungsgerechte und altersgerecht Regelklasse wechseln, wenn sie das Sprachlevel A2 erreicht haben", schlägt Radwan vor.

Die Vorbereitungsklassen sollte es ab der 5. Schulstufe geben. Weiter: "Nur Lehrkräfte, die eine Weiterbildung abgeschlossen haben, können diese Klassen unterrichten. Einmal im Semester sollte die Stadt Wien evaluieren, an welchen Schulstandorten eine Vorbereitungsklasse sinnvoll ist. Damit der Übergang in die Regelklasse gelingen kann, ist ein Übergangsmanagement erforderlich, das nur durch eine enge Kooperation der Lehrkräfte erfolgen kann", meinen die Schülervertreter.

Gemeinschaftsunterricht

Weiterer Vorschlag: "Flüchtlingskinder sollen die Fächer Turnen, Werken, Bildnerische Erziehung und Englisch mit ordentlichen Schülerinnen und Schülern im Regelunterricht besuchen. In diesen Fächern ist die deutsche Sprache nicht ausschlaggebend, sondern die Kommunikation und Interaktion untereinander. Flüchtlinge sollen hier mit ordentlichen Schülerinnen und Schülern Kontakte pflegen, indem sie mit ihnen diese Fächer besuchen. Dadurch können sie Kontakte aufbauen und schon im Vorhinein pflegen, damit sie im Übergang zum regulären Schulwesen schon solide Kontakte zu Schülerinnen und Schülern haben. Dies erleichtert ihnen den Einstieg da sie schon in einem vertrauten Umfeld sind und sich nicht fremd fühlen." Für diese Form des Unterrichts haben sich 81 Prozent der Schüler ausgesprochen.

Ausbau des Angebots am Religionsunterricht

Religion muss kein Integrations-Hemmnis sein. "Religion kann auch ein großer Anker für junge Flüchtlinge sein. Deshalb muss es auch die Möglichkeit für die jungen Menschen geben, einen öffentlich zertifizierten Islam-Unterricht, unterrichtet nach den beiden anerkannten Religionsgemeinschaften, in den Schulen zu besuchen. Das ist ebenso ein wichtiger Schritt, um Radikalisierungstendenzen vorzubeugen und den Zustrom zu radikalen Gruppen einzudämmen. Im Islam-Unterricht an den Schulen kann genau evaluiert werden, welche Inhalte und Theorien vermittelt werden und somit auch Missbrauch vorgebeugt werden. Außerdem sollen im Religionsunterricht mehrere Religionen und Kulturen genauer betrachtet werden. Mit diesem angeeigneten Wissen kann man besser auf Andere eingehen und kann somit Vorurteilen vorbeugen", heißt es in der Aussendung der Schülerunion. 32 Prozent der Befragten wollen, dass die Auswahl an Religonen ausgeweitet werden sollen, 28 Prozent halten das für nicht notwendig. 45 Prozent finden, dass verschiedene Religionen im Unterricht näher beleuchtet werden soll.

Support und Betreuungsklassen

Die Politik müsse ebenso genügend Personal in Form von Sozialarbeitern sowie Schulpsychologen bereitstellen. Ein verstärkter Einsatz von Schulpsychologen am Standort ist für die Kinder zur Verarbeitung der Erlebnisse sowie für die erfolgreiche Integration unersetzlich. Hier sollten aus Kosten- und Effektivitätsgründen mobile Einsatzteams geschaffen werden, die je nach Bedarf und Auslastung von Schule zu Schule fahren.

Unterstützt wird die Kampagne übrigens von Bürgermeister Michael Häupl, Caritas-Wien Direktor Michael Landau, Nationalratsabgeordnete Brigitte Jank und die Bildungssprecherinnen und Bildungssprecher aller Parteien im Wiener Landtag.

Kommentare