Koranschulen im Fokus der Politik

Koranschulen im Fokus der Politik
SPÖ-Gemeinderätin Tanja Wehsely will sich stärker um die Kontrolle von Koranschulen bemühen.

Für große Aufregung sorgte der KURIER-Bericht über Koranschulen für Kinder in heimischen Moscheen. Experten warnen davor, dass in vielen dieser Schulen ein Islam ohne jegliche Kontrollmechanismen unterrichtet wird, und das könne sich negativ auf die Integratinsbemühungen auswirken. Der Artikel ruft jetzt auch die Politik auf den Plan, die sich jetzt stärker um diese Problematik kümmern will.

KURIER: Sie hatten schon einmal Koranschulen auf ihrer Agenda. Was war der Anlass?

Tanja Wehsely: Ja, wir haben bereits seit 2014 das Netzwerk "Deradikalisierung und Prävention" etabliert. Wir haben das damals gemeinsam mit der Kinder- und Jungendanwaltschaft aufgebaut. Uns ist es immer darum gegangen, Kinder vor extremen Elementen in unserer Gesellschaft zu schützen. Das Thema "Koranschulen" war natürlich immer wieder im Fokus der Betrachtung.

Koranschulen im Fokus der Politik
Tanja Wehsely, Landtag, Wien, SPÖ, Abgeordnete zum Wiener Landtag, Gemeinderätin, Gemeinderat, Wien

Was war genau der Fokus?

Es geht genau um das, was im KURIER-Bericht stand. Um die eventuelle Überforderung von Kindern unter der Woche, um die Wochenenden und die Ferien. Dann natürlich um die Ausbildung der dort Vortragenden. Diese Schulen weisen eine starke Durchmischung auf, werden von unterschiedlichen Vereinen in unterschiedlicher Qualität angeboten.

Warum hat man nicht schon damals reagiert, und ist seit 2014 überhaupt etwas geschehen?

Wir hatten damals eine Richtlinienkommission, zusammen mit der Kinder- und Jugendanwaltschaft und der MA13. Wir waren auf einem guten Weg, dann kam das Islamgesetz und diese Vereine mussten sich rechtlich umstellen und etablieren. Das hat gedauert. Nun aber ist der Zeitpunkt gekommen, wo man diese Gespräche wieder aufnimmt.

Was soll jetzt aber konkret geschehen, welche Vorstellungen haben Sie?

Den schlechten Koranschulen muss man einen Riegel vorschieben. Aber vor allem wollen wir jene Organisationen, die gute Arbeit leisten, auch unterstützen.

Für den 13. Mai ist eine Experten-Konferenz angesetzt, heißt es aus der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ). Werden Sie hier mit eingebunden sein?

Dieser Termin ist mir nicht bekannt. Aber ich finde gut, dass das angegangen wird. Wir werden uns da sicher einklinken. Eine Zusammenarbeit ist natürlich da zielführend, wo Kinder- und Jugendschutzkriterien miteinfließen, sowie unsere Richtlinien für die richtige Behandlung von Kindern in unserer Gesellschaft gewährleistet werden. Wir haben hier gewisse Vorgaben. Alles, was darüber hinausgeht, wie Beschwerden oder Meldungen von Lehrern, dass solche Kinder beispielsweise immer müde am Montag wegen Islamunterricht am Wochenende erscheinen, muss dann über das Jugendamt überprüft werden.

Sind Ihnen solche Beschwerden bekannt?

Ja, ich habe davon schon gehört. Es ist kein Massenphänomen, aber es kommt vor.

Stolz lachen die Kinder in die Kamera, nur das eine oder andere blickt etwas grimmiger. Es ist ein Gruppenbild einer Zeugnisverteilung, wie es zu Beginn der Semesterferien zuhauf auf den Facebookseiten von Schulen gepostet wird. Doch etwas irritiert. Schon die kleinen Mädchen, nicht älter als neun Jahre, sitzen mit einem Kopftuch in der Klasse. Aufgenommen wurde das Bild in einer Nachmittagsschule für Korankurse des türkischen Moscheenverbands ATIB in Wien-Brigittenau.

Dass schon Mädchen im Volksschulalter Kopftuch tragen, ist das eine Problem. Das andere und bisher kaum beachtete sind die Korankurse in den Moscheen selbst. In vielen der rund 300 Gebetshäuser in ganz Österreich werden solche Kurse für Kinder und Jugendliche angeboten. Betreiber sind Moscheevereine wie ATIB oder Millî Görüş. Was und wer genau dort unterrichtet wird, ist allerdings wenig bis kaum bekannt.

Keine Kontrollen

KURIER-Anfragen bei einigen Vereinen, einen Kurs besuchen zu dürfen, wurden höflich aber bestimmt abgelehnt. Religionspädagoge Ednan Aslan schätzt, dass rund 35.000 muslimische Kinder zusätzlich zum herkömmlichen Islamunterricht in den Schulen auch einen Korankurs besuchen. Dagegen sei grundsätzlich nichts einzuwenden, "viele religiöse Einrichtungen leisten eine tolle Jugendarbeit", sagt der Politologe Thomas Schmidinger. Das Problem mit dem Unterricht in den Moscheen, der entweder nachmittags oder am Wochenende stattfindet, sehen Experten aber darin, dass die Imame, die hier den Koran unterrichten, weder pädagogisch geschult sind, noch einheitliche Lehrpläne existieren. Kontrollmechanismen gibt es keine.

Wohin das führen kann, zeigte jüngst ein Bericht im auf Migrantenthemen spezialisierten Magazin Biber. Redakteurin Melisa Erkurt berichtete undercover aus einem Wohnheim der Süley- mancılar. Die Süleymancılar, die mit der muslimischen Dachorganisation "UIKZ" assoziiert werden, stehen für eine besonders strikte Auslegung des Koran. Sie seien auch in der Türkei umstritten, "politisch, aber harmlos", sagt Schmidinger. Gelernt wird dort, was im Koran steht. Wort für Wort, Sure für Sure – auswendig und auf Arabisch. "Die Kinder verstehen oft nicht einmal, was sie da beten", sagt Erkurt. "Es wird nichts hinterfragt, nur wiederholt."

Schwarze Pädagogik

Der Soziologe Kenan Güngör betrachtet solche Methoden als problematisch: "Was hier gelehrt wird, ist oft schwarze Pädagogik: Wenn du das nicht tust, kommst du in die Hölle." Den Kindern werde Angst eingeimpft, man warne sie vor einer lasterhaften Gesellschaft.

"Die Schulen werden von konservativen Vereinen mit einer islamistisch nationalistischen Agenda und einem rückwärtsgewandten Weltbild geführt", kritisiert der ehemalige Grünen-Abgeordnete Efgani Dönmez. Die Vereine seien sich dabei vollkommen selbst überlassen.

Politologe Schmidinger spricht daher von "einer Blackbox". "Man weiß nicht, was da wirklich gelehrt wird." Eine staatliche Kontrolle sei jedoch problematisch. "Das wäre ein Eingriff in die Religionsfreiheit." Gefragt ist die Islamische Glaubensgemeinschaft. Esad Memic, Vizepräsident der IGGÖ, betont, er habe diesen Aufgabenbereich erst vor einem Monat übernommen. Dennoch findet er im KURIER-Gespräch deutliche Worte: "Wir verstehen die Sorgen, dass die Kinder in den Koranschulen nicht integriert werden."

Expertenkonferenz

Im Mai will er eine Konferenz zu dem Thema einberufen. "Danach werden wir einen Kriterienkatalog erstellen. In den Moscheen müssen die Richtlinien der IGGÖ gelten. Wichtig sind Toleranz, Gemeinnützigkeit und Weltoffenheit", betont Memic.

Für Ercan Nik Nafs von der Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft gehören zu einheitlichen Standards auch schon so profane Dinge wie eine kindergerechte Ausstattung der Räume. "Natürlich braucht es auch eine pädagogische Ausbildung der Erzieher", sagt Nik Nafs. Diese Ausbildung wäre im regulären Islamunterricht sichergestellt. Ednan Aslan sieht die Schulen aber als Ergänzung.

"Religionsunterricht hat die Aufgabe, religiöse Inhalte, die in den Moscheen gelehrt werden, kritisch zu reflektieren." Problematisch sei allerdings, wenn dort eine künstlich-ausländische Atmosphäre geschaffen werde, die Isolation begünstigt. Bei der IGGÖ scheint die Botschaft angekommen. "Ziel ist es, Parallelgesellschaften zu vermeiden. Wir wollen keine isolierten Moscheen" betont Memic. "Ich bin fest entschlossen, das durchzuziehen. Wir wollen einen Islam europäischer Prägung."

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