Cafe Drechsler: "Mir ist zum Weinen zumute"

1918 wurde das Café Drechsler unter dem Namen „An der Wien“ gegründet.
Für die Stammgäste ist die Schließung des Wiener Cafés unverständlich.

"Mir ist zum Weinen zumute. Das Drechsler ist eine Institution", klagt Stammgast Robert S. Der 57-Jährige genießt hier fast täglich seinen Cappuccino mit Sojamilch, der "nirgends so gut ist wie hier". "Ich fürchte, dass es als Wiener Kaffeehaus nicht weitergeführt wird, sondern dass sich irgendeine Kette hier einquartiert."

Das Café Drechsler galt als erste Adresse für alle Nachtschwärmer am Naschmarkt. Nicht nur der Öffnungszeiten wegen, sondern auch aufgrund seiner Wiener Spezialitäten war das Lokal beliebt. "Ein Käsetoast im Drechsler nach dem Fortgehen, das war immer Pflicht", erinnert sich James F.

Doch nicht nur zu später Stunde trifft sich hier halb Wien. Auch tagsüber ist das Lokal voll. Fehlender Umsatz kann also nicht der Grund für die angekündigte Schließung am 25. März sein. "Ich komme seit zehn Jahren regelmäßig hierher Mittagessen. Der Cremespinat mit Spiegelei und Rösti war mein Lieblingsgericht", schwärmt Paul R. "Keine Ahnung, warum sie schließen müssen." Für den 30-Jährigen stellt sich nun die Frage: Wohin ausweichen? "Das weiß ich noch nicht. In den meisten Wiener Kaffeehäusern darf man ja nicht mehr rauchen. Da habe ich als Raucher nun ein Problem."

Gerüchteküche

Über eine mögliche Schließung hätten Stammgäste und Belegschaft schon länger gemunkelt, erzählt Andreas U. "Wer soll sich das noch antun hier, mit der Konkurrenz am Naschmarkt?"

Die Sommermonate seien immer schwierig gewesen, sagt Drechsler-Chef Manfred Stallmajer im Interview mit dem KURIER: "Trotz des Schanigartens hat uns der Naschmarkt im Sommer alle Gäste abgezogen." Finanzielle Probleme habe es aber nie gegeben. Behördliche Auflagen, die Öffnungszeiten und den Schanigarten betreffend, hätten es den Betreibern oftmals schwer gemacht. Sein ursprüngliches Konzept – sechs Tage die Woche 24 Stunden am Tag geöffnet zu haben – konnte Stallmajer nie durchsetzen.

Auch auf Facebook schlug die Nachricht Wellen. Zahlreiche traurige Kommentare finden sich unter dem Eintrag zur Schließung. "Die Anteilnahme ist großartig. Unsere Entscheidung steht aber fest. Nach elf Jahren ist es genug, ich will mich auf das Hotel konzentrieren", sagt Stallmajer, der nämlich auch Direktor des Hotels "The Guesthouse Vienna" ist. In seiner Stimme schwingt trotzdem etwas Wehmut mit.

Das Mietobjekt wird vertragsgemäß inklusive der Marke "Café Drechsler" an den Vermieter zurückgegeben. Was daraus wird, ist noch ungewiss.

Bürokratische Hürden

Neos und ÖVP nutzen die Schließung des Cafés einmal mehr, um die "bürokratischen Hürden der Stadt Wien" zu kritisieren. "Die Vorgaben für Wiens Unternehmer sind einfach zu hoch", klagt Markus Wölbitsch, Stadtrat der ÖVP Wien. Auch Markus Ornig, Wirtschaftssprecher der Neos Wien, ist unzufrieden. "Die rot-grüne Stadtregierung ignoriert das Thema Nachtwirtschaft seit vielen Jahren. Das ist eine Schande."

Kommentare