Rot-Weiß-Rot-Karte: AMS weist ausländische Spezialisten ab

AMS: Rot-Weiß-Rot-Karten werden auch bei Hochqualifizierten abgelehnt
Das AMS weist qualifizierte ausländische Fachkräfte ab, darunter Software-Spezialisten aus den USA.

Mit der 2011 eingeführten sogenannten Rot-Weiß-Rot-Karte sollten pro Jahr 8000 hochqualifizierte Fachkräfte auf dem österreichischen Arbeitsmarkt integriert oder gehalten werden. In nicht einmal 2000 Fällen hat das im Vorjahr geklappt. Das liegt auch an der schwer durchschaubaren Aussiebung der Kandidaten durch Gutachten des AMS.

Der lukrative Vertrieb von Kosmetika aus Israel oder Medizintourismus für wohlhabende Kunden aus Russland und der Ukraine wurden zum Beispiel nicht als Impulse für die österreichische Wirtschaft angesehen (siehe Zusatzbericht unten).

Auch ein Technologie-Startup zur Datenanalyse im Kampf gegen den Terrorismus fiel zunächst durch.

Einer der weltweit führenden Experten für Terrorabwehr entwickelte 2016 eine spezielle Software zur Auswertung großer Datenmengen und gründete in Wien ein Unternehmen mit neun Mitarbeitern.

Der Mann ist Amerikaner, hat in den USA studiert und einen Bachelor- sowie einen Masterabschluss absolviert, war Assistenzprofessor an einer Uni, arbeitete einige Jahre als Berater für die NATO und die OSZE und wird von TV-Sendern gern als Terrorexperte interviewt.

Rund 100.000 Euro investierte er aus eigenem Vermögen in sein Unternehmen, zusätzlich konnte er Investoren – unter anderem aus Berlin, Luxemburg und Singapur – gewinnen, die die Entwicklung mit 1,5 Millionen Euro fördern.

Rot-Weiß-Rot-Karte: AMS weist ausländische Spezialisten ab

In Österreich lebte er bisher mit einem Aufenthaltstitel als Student, er studierte hier noch weiter. Anfang 2017 stellte der IT-Spezialist den Antrag auf Erteilung der Rot-Weiß-Rot-Karte für zwei Jahre als selbstständige Schlüsselkraft, die er für die Beschäftigungsbewilligung als Geschäftsführer seines Unternehmens benötigt.

18 Mitarbeiter

Dem AMS wurde die Liste der Investoren, Mitarbeiter und Kunden vorgelegt, darunter österreichische Telekommunikationsunternehmen und Behörden. Der Businessplan für die nächsten zwei Jahre sieht die Anstellung von 18 weiteren Mitarbeitern vor.

Daneben ist der Amerikaner der Gründer und Präsident einer Gesellschaft zur Terrorismusforschung und Herausgeber einer marktführenden wissenschaftlichen Fachzeitschrift.

Aus all dem konnten die Gutachter des AMS Wien "keinen gesamtwirtschaftlichen Nutzen ersehen." Durch die Ausübung des Gewerbes der Datenverarbeitung werde kein positiver Impuls für die österreichische Wirtschaft bewirkt, es bestehe "keine Nachfrage" nach der Dienstleistung der Datenanalyse zur Terrorabwehr. Der Status als Schlüsselkraft wurde dem Mann daher nicht zuerkannt, die zuständige Magistratsabteilung 35 wies den Antrag auf die Rot-Weiß-Rot-Karte ab.

Der Anwalt des Amerikaners, Ivo Stitic aus der Kanzlei Wolf Theiss, zweifelt die Qualität der AMS-Gutachten an, die Amtssachverständigen würden "Stehsätze" verwenden. Er legte beim Landesverwaltungsgericht Wien Beschwerde ein – und bekam Recht: Die Rot-Weiß-Rot-Karte wird doch ausgestellt.

Erhöhte Relevanz

Schon allein die eigene Investition von 100.000 Euro genügt für die Stellung des Amerikaners als Schlüsselkraft. Die Big Data Analyse zur Terrorabwehr, so das Gericht weiter, hat sehr wohl eine erhöhte Relevanz. Dazu kommen die Beschäftigung der neun Arbeitnehmer und die potenziellen Kunden im öffentlichen Sektor. Ein positiver Impuls für die heimische Wirtschaft ist auf jeden Fall gegeben.

Weitere Fälle

So wie dem Amerikaner geht es vielen anderen ausländischen Fachkräften.

Zwei Geschäftsleute aus Mazedonien, die daheim erfolgreich in der Werbewirtschaft tätig sind und mehrfach ausgezeichnet wurden, gründeten auch in Österreich eine Firma. Sie beantragten die Rot-Weiß-Rot-Karte als Aufenthaltsbewilligung, was nach einem negativen AMS-Gutachten abgelehnt wurde.

Das Verwaltungsgericht hob den Bescheid auf und erteilte die Bewilligung. Auch wenn es in der Werbebranche mit 8000 Mitbewerbern ausreichenden Wettbewerb gibt, können die beiden Geschäftsleute weitere Kunden akquirieren, was ein Impuls für die Wirtschaft ist.

Ebenfalls verwehrt wurde die Rot-Weiß-Rot-Karte zunächst einem Israeli, der in Österreich einen schwunghaften Handel mit Kosmetik aus seiner Heimat betreibt. Die Produkte wurden ganz neu auf dem Mark eingeführt und locken zahlungskräftige Kundschaft an: Für das Verwaltungsgericht ist das genügend wirtschaftlicher Nutzen.

Auch ein Mann aus der Ukraine, der in Österreich ein Mietwagenunternehmen gegründet hat, wurde abgewiesen. Das Taxigewerbe sei ausgelastet. Dass er betuchte Klienten aus Russland und der Ukraine zum Medizintourismus nach Österreich bringen kann, rechtfertigte aber letztlich doch die Niederlassungsbewilligung.

Kommentare