„Rivalität im Keim ersticken“

Vor dem Jugendzentrum in der Engerthstraße kam es zur Massenschlägerei
Afghanen gegen Tschetschenen: Ermittler sieht Kampf um Territorien und die Ehre als Auslöser

Es war die Beleidigung eines Familienmitglieds, die zuletzt in einer Massenschlägerei zwischen 50 jungen Afghanen und Tschetschenen in Wien-Brigittenau mündete. Sieben Burschen wurden verletzt, zwei davon lebensgefährlich. Ganz neu ist die Rivalität zwischen den beiden Ethnien nicht. „Auch in den vergangenen Jahren hat es immer wieder größere Auseinandersetzungen gegeben“, sagt LKA-Ermittler Robert Klug. Doch die Brutalität zuletzt war außergewöhnlich. „Tschetschenen und Afghanen scheinen ein echtes Problem miteinander zu haben“, urteilt Klug. „Das sehen wir mit entsprechender Sorge.“

„Rivalität im Keim ersticken“
Robert Klug LKA Wien


Rund 30.000 Tschetschenen leben in Österreich. Und mittlerweile auch 35.000 Afghanen. Genug Platz für alle? „Der Kampf um Territorien spielt eine Rolle“, sagt Klug. Speziell in und um Einkaufszentren (Lugner City, Millennium City, Donauzentrum), in Parkanlagen und im Prater fielen bisher vor allem die tschetschenischen Jugendlichen auf. Körperbewusst und sportlich aktiv – vor allem in der Kampfsportszene – treten sie auf.
Afghanische Burschen hingegen verhielten sich bisher eher unauffällig. Sie waren sogar diejenigen, die bei den Bandenrivalitäten oft den Kürzeren zogen. „Auch die tschetschenischen Jugendlichen haben mit dem Angriff nicht gerechnet“, erklärt der Ermittler.


Die ausufernde Brutalität will man möglichst im Keim ersticken. „Ich hoffe schon, dass es eine abschreckende Wirkung hat, wenn einige von ihnen eingesperrt werden.“ Immerhin wird in der jüngsten Causa auch wegen Mordversuchs ermittelt.


Schutzgeld

Doch nicht nur die jungen Tschetschenen beschäftigen die Ermittler. Zuletzt mehrten sich auch die Hinweise, dass Landsleute ein Geschäft mit Schutzgeld-Erpressungen aufbauen. „Betroffen dürften Gastronomen außerhalb des Gürtels, im Westen Wiens und in der Brigittenau sein“, sagt Klug. Das Problem bei der Sache: Anzeigen von Betroffenen liegen nicht vor. „Mündlich wird das zwar bestätigt, schriftlich traut sich das aber keiner.“ Opfer, die auspacken, würden mit Repressalien rechnen müssen. „Da stoßen wir als Ermittler an unsere Grenzen.“ Auch Gastro-Obmann Peter Dobcak kennt dieses Problem nur vom Hörensagen.


Dass sich die Tschetschenen auf den „Sicherheitsbereich“ spezialisiert haben, sei seit Längerem bekannt. Und auch eine Entwicklung, die vor 15 bis 20 Jahren bei den Tschetschenen in Russland zu sehen war, hat in Österreich Einzug gehalten. „Sie eröffnen Inkassobüros.“ Ein Gewerbe, in dem auch einmal „Überredungskunst“ gefragt ist.

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