Razzia in alter Länderbank-Zentrale

Razzia in alter Länderbank-Zentrale
Nach dem Großbrand Am Hof kontrollierte die Krankenkasse die Arbeiter auf der Baustelle. Der KURIER war dabei.

Es ist 8.30 Uhr und für Ende November ist es eigentlich viel zu warm. Ernfried Jaklitsch, leitender Mitarbeiter der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK), steht Am Hof in der Wiener Innenstadt und blickt skeptisch auf die Bau-Container, die sich dort drei Stockwerke hoch stapeln. Nach wenigen Minuten treffen auch die Mitarbeiter von Jaklitsch ein. Sechs Herren mittleren Alters blicken nun zusammen skeptisch auf die Bau-Container und das Gebäude dahinter, die ehemalige Länderbank-Zentrale. Vor rund zwei Wochen war sie in Vollbrand gestanden. Fünf Stunden brauchte die Feuerwehr, um der Flammen Herr zu werden.

Doch weder Brandherd noch Brandursache interessieren Jaklitsch und seine Kollegen von der WGKK. Ihr Geschäft ist ein anderes: "Die Baubranche ist besonders anfällig für Schwarzarbeit, deshalb führen wir hier regelmäßig Razzien durch", sagt Jaklitsch. "Der Bauführer weiß in den meisten Fällen gar nicht Bescheid, denn viele Subfirmen beschäftigen wieder Subfirmen und die wiederum Subfirmen; das reicht manchmal bis ins fünfte Glied."

Razzia

Es ist kurz vor 9 Uhr: Jaklitsch und das halbe Dutzend WGKK-Mitarbeiter streifen sich gelbe Warnwesten über die Anzüge und gehen durch eine unscheinbare Tür zwischen den Containern. Dahinter finden sich Arbeiter, die Holz zersägen, andere plagen sich mit Zementsäcken ab. Für die Männer in den gelben Warnwesten scheint sich keiner der Arbeiter weiter zu interessieren. Sie werken unverdrossen weiter vor der rußgeschwärzten Fassade, auf die man nun freien Blick hat. Doch Jaklitsch ist nicht hier, um die Aussicht auf die Brandruine zu genießen. Er will das Geflecht der Schwarzarbeit entwirren. Und weil Scheinfirmen nur über den Umweg ihrer scheinangemeldeten Arbeiter aufzudecken sind, müssen die WGKK-Mitarbeiter direkt vor Ort auf den Baustellen kontrollieren.

eCards

10 Uhr: Zwei Dutzend Arbeiter sitzen in einem winzigen Container und laben sich an Salami und Hühnerschnitzerln. Durch die Sitzreihen läuft ein Kollege von Jaklitsch und sammelt die eCards ein. Die Arbeiter geben sie bereitwillig her: "Machen Sie ruhig Fotos von uns", sagt einer der Arbeiter zum KURIER-Fotografen. An Kontrollen und Öffentlichkeit hat man sich hier bereits gewöhnt.
"Die Arbeiter haben ohnehin nichts zu befürchten. Sie sind meist sogar froh über die Kontrollen, immerhin ist es in ihrem Interesse, dass ihre Firma sie auch versichert", sagt Jaklitsch, während er die eCards einzeln durch ein Gerät an seinem Laptop zieht. Wenn es Probleme mit der Anmeldung gibt, blinkt ein Licht auf seinem Laptop rot auf.

Gegen 11 Uhr haben die WGKK-Mitarbeiter mehr als hundert eCards durch den Schlitz gezogen. Zwei Mal hat das Licht rot aufgeleuchtet. "Zwei Arbeiter sind nicht zur Sozialversicherung angemeldet", sagt Jaklitsch. Obwohl die Firma die zwei Bauarbeiter nach der Beanstandung sofort bei der Versicherung anmeldete, muss sie doch mit einer Magistratsstrafe rechnen.

Eigentümer

Die Eigentümerin der Immobilie, die Signa Holding, begrüßte die Kontrolle durch die WGKK ausdrücklich: "Wir haben ein absolutes Interesse daran, dass auf unserer Baustelle alle Arbeiter ordnungsgemäß angemeldet sind. Die Kontrollen sowohl durch die WGKK sowie durch alle Behörden werden von uns selbstverständlich begrüßt", sagt Robert Leingruber von der Signa Holding.
Dass den Worten auch Taten folgen, bewies der Eigentümer, indem er kurz nach der Kontrolle ein anwaltliches Schreiben an die betroffene Firma richtete und eine Stellungnahme verlangte. Das Schreiben liegt dem KURIER vor.

Um 12 Uhr klappen Jaklitsch und seine Kollegen ihre Laptops zu und geben die eCards zurück an die Arbeiter. Kühl werden die Geräte aber nicht. Keine halbe Stunde später werden die Computer schon auf der nächsten Baustelle wieder hochgefahren.

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